FOC-Markt Deutschland

Entwicklung nimmt überraschenden Verlauf

Lebhaftes Geschäft in Montabaur nach der Lockerung. Foto: Neinver

rv DÜSSELDORF. Nach dem langen Shutdown in Deutschland haben sich die Factory Outlet Center (FOC) nach den Lockerungen Ende Mai auch hierzulande relativ schnell wieder erholt. Den Online-Handel brauchen die Anbieter mit ihren hohen Preisnachlässen auf Markenware nicht zu fürchten. Dennoch ist die Entwicklung neuer Outlet Center in Deutschland ins Stocken geraten, obwohl die Ausstattung im europäischen Vergleich gering ist und die Markenhersteller hierzulande gerne expandieren würden. Parallel dazu gibt es aber einen ganz neuen Trend.

Zuletzt hatte der spanische Factory Outlet Spezialist Neinver erfreut darüberberichtet, dass seine beiden Outlet Malls in Halle Leipzig und in Montabaur (Foto: Neinver) in den ersten beiden Wochen nach der Wiedereröffnung Ende Mai ein Umsatzplus von 26,5% verzeichneten. Und auch wenn in den deutschen Outlet-Centern im Corona-Jahr 2020 die Besucherfrequenz nach Feststellung des Beratungsunternehmens Ecostra gemessen an 2019 im Schnitt um 40 bis 50% zurückblieb, so konnten die um 25 bis 35% gestiegenen Durchschnitts-Bons den Umsatzrückgang einigermaßen abfedern. Mit Blick auf diese günstigen Voraussetzungen gibt es aus Sicht von Ecostra-Geschäftsführer Joachim Will, „eigentlich mehr als genügend Gründe, von einer Fortsetzung der Erfolgsgeschichte und einer weiteren Standortexpansion der Outlet Center auszugehen“.

Tatsächlich zeigt die Analyse des Beratungsinstituts, das seit Jahren die Entwicklung des europäischen Outlet-Center-Markts analysiert, dass es derzeit in Deutschland keine neue Standortplanung von einem der führenden Outlet-Betreiber gibt. Mit insgesamt 16 Factory und Designer-Outlet-Center rangiert der deutsche Markt deutlich hinter England (39), Italien (25), Frankreich (22) und Spanien (19). „In Anbetracht der im deutschen Markt noch vorhandenen Potenziale für diese Vertriebsform, der klar vorhandenen Flächennachfrage auf der Mieterseite und der positiven Finanzierungsbedingungen ist dies eine ganz erstaunliche Entwicklung“, findet Will.

Doch die namhaften Betreiber stecken entweder in Genehmigungsverfahren, die bereits vor langer Zeit gestartet wurden oder sie konzentrieren sich auf die Erweiterung bestehender Outlet Malls oder sie haben die Suche nach neuen Standorten eingestellt. So ist der Spezialist Value Retail, der in Großbritannien die Bicester Village betreibt, nach Einschätzung von Ecostra mit seinen beiden erfolgreichen deutschen Standorten in Wertheim und Ingolstadt offenbar zufrieden und plane keine weitere Expansion. Für das Unternehmen sei China offenbar interessanter.

Die unbestimmte Entwicklung der Corona-Pandemie durch die Mutationen macht es derzeit in Deutschland aber auch schwer, die weitere Entwicklung einzuschätzen – auch wenn die Infektionszahlen aktuell niedrig sind. Beim spanischen Betreiber Neinver, der offenbar gleichfalls mit seinen verbliebenen Objekten in Deutschland zufrieden ist, sieht es laut Ecostra so aus, als würde sich auch die Nummer zwei des europäischen Outlet-Marktes aus Deutschland zurückziehen.

Strategische Neuausrichtung bei Neinver?

Als Grund für den Rückzug des zuletzt aktivsten Betreibers auf dem hiesigen Markt sieht Will nach dem Scheitern der Projekte in Werl, in Grafschaft, in Duisburg (auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs) und zuletzt im hessischen Pohlheim (bei Gießen), dass das Unternehmen hierzulande keine Fortschritte erzielen konnte. Und nachdem der Gründer und Firmenpatriarch, José María Losantos, im Alter von 84 Jahren an Corona gestorben ist, erwartet Will bei den Spaniern eine strategische Neuausrichtung, die auch Rückwirkungen auf das Engagement im deutschen Markt haben dürfte.

Denn der hiesige Markt mit seinem rigiden Planungsrecht ist schwierig. Das erfährt gerade der europäische Marktführer McArthur Glen, der das Designer-Outlet-Center im niederländischen Roermond betreibt, mit seinem geplanten Projekt in Remscheid. Den Standort hatte das Unternehmen laut Ecostra vor zehn Jahren in Angriff genommen, musste im Vorjahr aber eine Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hinnehmen, das den Bebauungsplan kassierte.

Das gleiche passierte mit der geplanten Erweiterung des FOC in Ochtrup (Foto: McArthur Glen). Auch hier kippten die Richter des OVG die Bebauungspläne. Wie das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Anfang 2022 ausgehen wird, ist laut Will aus heutiger Sicht offen. Solche Rückschläge in Verbindung mit den Zwangsschließungen zur Pandemiebekämpfung stimulieren nicht gerade die Investitionsbereitschaft der Investoren, auch wenn das Potenzial für Factory-Outlet-Center in Deutschland theoretisch hoch ist.

Doch während die Ansiedlung neuer FOCs, die komplexe Raumordnungsverfahren durchlaufen und im Interesse eines stadt- und raumverträglichen Betriebs fast immer umfangreiche Auflagen erfüllen müssen, vorerst stockt, wird das Konzept „Outlet-Center“ vermehrt als Lösung für schlecht laufende Handelsimmobilien gesehen – etwa für Shopping-Center, die unter der Online-Konkurrenz leiden und schlecht positioniert sind. Der Charme für die Eigentümer: Sie gewinnen Marken mit Magnetwirkung. Dieser Trend wird durch die Folgen der Corona-Krise nun verstärkt.

Beispiele dafür gab es aber auch schon vor Corona. So etwa der leerstehende PEP Prima Einkaufs Park in Brehna in Sachsen-Anhalt, der 2016 vom Düsseldorfer Projektentwickler ITG in das „Fashion Outlet Halle Leipzig“ umgewandelt wurde. Es wird inzwischen von Neinver unter dem Namen „Halle Leipzig The Style Outlets“ erfolgreich betrieben.

Im Corona-Jahr 2020 wandelten die Eigentümer das Einkaufszentrum Mediterraneo in Bremerhaven in das „Mein Outlet“ um. Laut Ecostra wirkte das im Jahr 2008 erbaute Shopping-Center mit seiner Fassade im Stil der Toskana im Umfeld des norddeutschen Auswandererhauses wie ein „Fremdkörper an der Waterkant“.

Lösung für schlecht laufende Handelsimmobilien

Beim offenbar zu groß dimensionierten Marler Stern (54 000 qm Verkaufsfläche), der 1974 in der gleichnamigen Stadt in Nordrhein-Westfalen erbaut wurde, geht es nicht um die komplette Umwandlung in eine Outlet Mall, sondern um eine Mischform. So werden zwei Ebenen mit Outlet Stores gefüllt. Wie Ecostra berichtet, fand das sogenannte „Soft Opening“ des „Fashion Outlet Marl“ 2020 zwar statt, doch das für diesen Juni geplante „Grand Opening“ sei offenbar auf Grund Pandemie-bedingter Verzögerungen nochmals verschoben worden.

Ein ähnliches hybrides Konzept plant laut Ecostra offenbar auch die Huma Shoppingwelt in Sankt Augustin, die erst 2017 auf etwa 39 000 qm Verkaufsfläche erweitert worden war. Auch hier sollen Outlet-Angebote das Einzelhandelsangebot ergänzen. Nach Erkenntnis des Wiesbadener Beratungsunternehmens läuft derzeit die Vermarktung der Verkaufsflächen. Dass Einkaufszentren angesichts der aktuellen Schwäche des Mode-Handels auf diesen Weg umschwenken, ist nachvollziehbar, da nach der langen Zwangsschließungsphase noch nicht absehbar ist, wie die Mode-Branche künftig aufgestellt ist.

Dass dieser jüngste Trend auch keine Eintagsfliege ist, ist den Ausführungen des Beraters zu entnehmen, wonach noch weitere Projekte für solche Umwandlungen bekannt sind. Selbst für Fachmarktzentren und innerstädtische Warenhäuser sei das ein Thema. Aus Sicht von Will hat diese Entwicklung aber auch Schattenseiten. Denn diese neuen FOCs hätten fast alle Freiheiten in der Sortimentsgestaltung: „Im regionalen Umfeld der professionell konzipierten und betriebenen Outlet Center konnten bislang noch nirgends nachhaltig negative Auswirkungen auf die innerstädtischen Geschäftslagen nachgewiesen werden“, gibt er zu bedenken.

Dagegen sei es offen, ob das bei diesen ungesteuerten Projekten“ auch gelte. „Das Gefährdungspotenzial ist jedenfalls nicht zu unterschätzen. Gerade auch in Anbetracht von möglicherweise geschwächten Strukturen in der Folge der Corona-Pandemie“, wie Will zu bedenken gibt. Denn die Planungen würden auf bestehendes Baurecht aufsatteln und so unterhalb des Radars der Genehmigungsbehörden laufen. „Und wenn eine Genehmigung z.B. für Modehandel einmal da ist, kann niemand verhindern, dass die Shops als Outlets betrieben werden.“