Investmentmarkt

Entscheidend sind krisenresiliente Mieter

Foto: Habona

Veränderungen der Finanzierungskosten und Kapitalmarktzinsen erreichen den Immobilienmarkt regelmäßig zeitversetzt. Neben den meist langfristigen Zinsbindungen sind es die häufig langfristigen Mietverträge, die die Bedingungen der „alten Zeit“ für eine gewisse Dauer konservieren.

Die Usancen des deutschen Beleihungswertverfahrens schreiben zudem einen Abgleich im Vergleichswertverfahren vor; Marktveränderungen werden hierzulande somit langsamer – sowohl nach oben als auch nach unten – als in anderen Ländern antizipiert. Wenngleich die Zahl der Immobilientransaktionen infolge der gegenwärtigen Ungewissheit stark zurückgegangen ist, spiegeln die wenigen Angebote und Deals über alle Nutzungsarten hinweg eine Einpreisung der höheren Zinsen wider.

Dabei gehen die Makler und Vermittler davon aus, dass die Nutzermärkte intakt sind und Indexmieten den Werterhalt der Immobilien im inflationären Umfeld sicherstellen. Dass die Nutzermärkte über alle Assetklassen tatsächlich durchweg intakt sind, würde angesichts des Umfangs der laufenden Transformationsprozesse allerdings überraschen.

Nicht alle Branchen und Mieter sind in der Lage, Mietpreissteigerungen zu tragen. Der Nonfood-Einzelhandel kämpft mit schwachen Umsätzen und Flächenüberhängen. Die Bonität von Wohnungsmietern sinkt mit steigenden Nebenkosten. Büromieter realisieren Flächeneinsparungen infolge etablierter Remote Work. Für Logistikmieter sind Immobilien „reine“ Kostenpositionen, die laufend überprüft werden.

Allein solche Immobiliennutzungen, die Kostensteigerungen durch Weitergabe an Dritte – also Kunden oder den Staat – kompensieren können, werden inflationsbedingte Mietpreissteigerungen tragen und zu einer Stabilität der Immobilien beitragen können. Alle anderen werden Wertverluste realisieren.

Die Nachfrage nach risikoarmen Anlagen dürfte in einem unter Transformationsdruck stehenden Investmentmarkt noch steigen. Solange attraktiv verzinste Staatsanleihen die Ausnahme bleiben bzw. einem hohen Kursrisiko ausgesetzt sind, bleiben Immobilien für langfristig orientierte Anleger weiterhin alternativlos, zumindest wenn sie einen hohen, dauerhaften Nutzen für Menschen und Unternehmen haben, die die Erwirtschaftung von Mieten und Nebenkosten sicherstellen.

Nahversorgungsoziale Sicherung und Infrastruktur sind durch den Staat weitreichend geschützte und unterstützte Bereiche der Daseinsvorsorge, für die Immobilien angemietet werden müssen. Die geringe Ausfallwahrscheinlichkeit der Mieten dürfte dazu führen, dass Investoren auch künftig bereit sind, höhere Sicherheitsprämien als für andere Immobilien zu zahlen. Sofern das Angebot knapp ist, könnten Preise auch bei einer Verfestigung des höheren Zinsniveaus wieder steigen. Die wachsenden Anforderungen an ESG könnten als weiterer Katalysator für die Wertentwicklung nützlicher und resilienter Immobilien wirken.

Klar ist, dass in einem von wachsenden Nutzerrisiken geprägten und zudem noch inflationären Umfeld die sorgfältige Objekt- und Standortauswahl die Voraussetzung für ein langfristig erfolgreiches Immobilieninvestment ist.

Sorgfältige Objekt- und Standortauswahl ist unabdingbar

Nahversorgungsimmobilien bestätigen das Vertrauen: Im Immobiliensegment sind es neben dringlich nachgefragten Sozialwohnungen, Kindergärten oder Datacentern vor allem Nahversorgungsimmobilien, die sich unabhängig von Krisen und Konjunkturschwankungen auf eine unverändert hohe Nutzernachfrage stützen können. Lebensmittel- und Drogeriemärkte profitieren davon, dass Güter des täglichen Bedarfs kaum substituier- oder zeitlich aufschiebbar sind. Da die Nachfrage nach lebensnotwendigen Gütern deutlich weniger preiselastisch ist als bei anderen Gütern, bleiben die Perspektiven für Nahversorgungsobjekte aussichtsreich.

Einkaufszentren und Einkaufsstraßen mit hohem Nonfood-Anteil werden weiter mit Leerständen und sinkenden Mieten zu kämpfen haben. Unabhängig von der Assetklasse ist der maßgebliche Erfolgsfaktor im Immobilienmanagement schon heute die Fähigkeit, Mieter zu identifizieren, die Mietanstiege in Folge von Indexierungen verkraften und in ihren Absatzmärkten Preisanstiege weitgehend auf ihre Endkunden abwälzen können. Insgesamt wird sich der Research-Fokus auf die Bewertung und die Prognose der Mietermärkte verschieben.

Hatten institutionelle Investoren die Assetklasse Nahversorgung wegen ihrer Kleinteiligkeit, Regionalität und den damit verbundenen Herausforderungen lange Zeit nicht im Blick, hat sich spätestens die Pandemie als Kaufempfehlung für krisenresiliente Nahversorger erwiesen. Investmentmanager schnürten große Pakete, um auch großvolumige Nachfragen bedienen zu können.

Den Höhepunkt dieser Entwicklung markiert der Verkauf des sogenannten Truffle-Portfolios aus Fondsbeständen der Habona Invest Ende 2021 zu einem zuvor niemals erreichten Kaufpreisfaktor. Aber auch 2022 kamen noch spektakuläre Paketdeals auf den Markt und fanden ihre Käufer, zuletzt ein Edeka-Portfolio der Hahn AG mit über 174 000 qm Mietfläche.

Zinsanstieg bremst Nachfrage der Institutionellen

Der Zinsanstieg hat insbesondere die Nachfrage institutioneller Investoren gebremst, die zuvor mit hohen Leverages kalkuliert hatten. Der Rückzug dieser Anlegerklasse hat die Preisspitzen aus dem Jahr 2021 gekappt. Das Transaktionsgeschehen ist seit Mitte 2022 deshalb von Investoren geprägt, die kleinvolumiger einkaufen oder auf eine reine Eigenkapitalfinanzierung umdisponieren können.

Die Marktpreise von neuwertigen Nahversorgungsobjekten halten sich auf historisch hohem Niveau, da sich diese Assetklasse als nachhaltig stabil und krisenfest erwiesen hat, sowohl unter den Bedingungen einer Pandemie als auch unter den Bedingungen einer hohen Inflation. Die im neuen Marktumfeld von fremdkapitalabhängigen Marktteilnehmern als nur noch unzureichend betrachteten Renditen reflektieren zumindest im Neubau nicht weniger als das effektiv geringe Risiko dieser Anlage.

Da es im Nahversorgermarkt – anders als in Immobilienmärkten mit „Nutzerproblemen“ – keine Argumente für strukturell sinkende Preise gibt, dürfte sich Neugeschäft mit höheren Risikoprämien ausschließlich im Bestand entwickeln. Das Wertschöpfungspotenzial wird dabei aller Voraussicht nach in den Bereichen Konzeptmodernisierung („manage-to-core“) und Anpassung an die EU-Taxonomie („manage-to-green“) liegen.