HIR DÜSSELDORF:Berlin ist mit rund 3,8 Mio. Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Deutschlands. Anders als andere deutsche Metropolen hat die Einzelhandelslandschaft eine polyzentrale Struktur: zum einen die Top-City-Lagen mit den auch im Zuge der deutsch-deutschen Geschichte ausgeprägten Kernbereichen Kurfürstendamm/Tauentzienstraße im Westen und dem Alexanderplatz im Osten. Mehr als andere Metropolen profitiert die Stadt an der Spree auch vom Tourismus.
Berlin stelle nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen seiner außerordentlich vielfältigen Kulturszene und seiner ausgeprägten Trendsetter-Qualitäten „die einzige echte deutsche Weltstadt“ dar, findet Olaf Petersen, Handelsimmobilienexperte bei der Cima Beratung + Management GmbH: „Ein globaler Place to be, den es auch für den internationalen Einzelhandel zu besetzen gilt.“ Darüber hinaus ist Berlin eine weiterhin stark wachsende Stadt. Seit 2019 ist die Einwohnerzahl um 170 000 gestiegen, wie es im Report „Insight Berlin“ heißt.
Der Report wird vom Einzelhandelsspezialist Comfort unter Federführung von Björn Gottschling,geschäftsführender Gesellschafter der Comfort Berlin GmbH in Kooperation mit der Cima Beratung + Management GmbH unter Federführung von Olaf Petersen erstellt. Die Serie befasst sich mit dem Markt für Einzelhandelsimmobilien in den Top-Lagen deutscher Einkaufsmetropolen.
Der Erfolg des Berliner Einzelhandels basiert dabei auf einem riesigen Einzugsgebiet, das neben dem Stadtgebiet auch große Teile Brandenburgs umfasst. Insgesamt zählt es etwa 5,5 Mio. Einwohner. Hinzu kommt, dass die Bundeshauptstadt von der hohen Zahl von Touristen profitiert. Mit gut 30,6 Mio. Übernachtungen (+3%) belegt Berlin bundesweit den Spitzenplatz, gefolgt von der Bayernmetropole München mit 19,7 Mio., vor Hamburg (16,1 Mio.), Frankfurt/Main (11,1 Mio.), Köln (7,1 Mio.) und Düsseldorf (5,5 Mio.).
Denn nach dem Corona-bedingten Einbruch beim Reiseverkehr und dem Ausbleiben der nationalen und internationalen Touristen in den innerstädtischen Einkaufslagen, hat sich die Lage zuletzt wieder normalisiert. Bundesweit wurde laut Report bei den von der amtlichen Statistik erfassten touristischen Übernachtungen ein Allzeit-Hoch registriert, das nur wenig unter dem Spitzenjahr von 2019 lag.
Die polyzentrale Struktur der Berliner Einkaufslagen macht sich aber nicht nur an den beiden Kernbereichen Kurfürstendamm/Tauentzienstraße sowie Alexanderplatz fest, hinzu kommen die Wilmersdorfer Straße und die Schlossstraße im Westen sowie der Hackesche Markt und die Friedrichstraße im Osten. Allein diese sechs Lagen erzielten im Jahr 2024 laut Report einen Einzelhandelsumsatz von rund 4,9 Mrd. Euro. Und dies auf einer Verkaufsfläche von nur knapp 650 000 qm. Auf Grund der polyzentrischen Struktur fällt der Innenstadtanteil von 13,2% (Verkaufsfläche) bzw. 10,8% (Umsatz) im Metropolenvergleich aber eher niedrig aus. Ähnliches gilt auch für die Einzelhandelszentralität, bei der Berlin bedingt durch die hohe Einwohnerzahl mit 108,1 einen zwar positiven, aber niedrigeren Wert als die anderen deutschen Metropolen aufweist.
Auch in Berlins Top-Lagen sind die Kaufpreise gesunken
Zudem gibt es noch eine große Zahl von Stadtteillagen („Kieze”) und Shopping-Center, die zum Teil in die klassischen Lagen integriert sind, zum Teil aber auch eigenständig agieren. Mit mehr als 40 (!) Einkaufszentren steht Berlin auch in diesem Punkt an der Spitze der deutschen Metropolen. Deshalb gibt es einen erheblicher Wettbewerbsdruck zwischen den Standorten. Shopping-Center in peripheren Lagen und Center, die in die Jahre gekommen sind, befinden meist in einer Phase der Neupositionierung – meist als Mischobjekte.
Im Kontext der Veränderungen auf den Transaktionsmärkten nach der Zinswende und dem deutlichen Anstieg der Finanzierungskosten haben sich auch in Berlin die Kaufpreise in den absoluten Toplagen gegenüber den historischen Höchstwerten spürbar nach unten bewegt. Ganz oben stehen weiterhin Kurfürstendamm und Tauentzienstraße, wo für herausragende Objekte mit nachhaltigem Mietniveau Kaufpreisfaktoren von bis zum 25- bis 28-fachen der Jahresmiete realistisch sind. Aber auch Alexanderplatz, Hackescher Markt oder Schloßstraße sowie zentrale Lagen wie Leipziger Platz und gute Stadtteil-/Kiezlagen sind aus Investorensicht interessant.
Zu konkreten Deals gibt es mit Blick auf den Signa-Nachlass einiges zu berichten. Den größten Kauf mit einem Volumen von über 400 Mio. Euro stellte Anfang 2025 der Erwerb des Upper-West-Ensembles mit der ehemaligen deutschen Signa-Zentrale durch die Schoeller-Gruppe dar. Als weitere Signa-Immobilien wechselten Tauentzienstraße 20, das ehemalige Schuhhaus Leiser, das von Midstad erworben wurde, das P1 Parkhaus am KaDeWe, das Quantum erworben hat und das ehemalige Hotel Ellington in der Passauer Straße, das von Vivion übernommen wurde, den Eigentümer.
Zu nennen sind noch der Verkauf des Schloss-Straßen-Centers durch Pinebridge an die Porth-Gruppe und der Kauf des Kant-Centers durch Kintyre zusammen mit ATPG Angelo Gordon. Und schließlich hat die französische Frey-Gruppe von McArthurGlen das Designer Outlet Center Berlin erworben.
Zahlreiche Transaktionen in der Bundeshauptstadt
Beim Blick auf den Vermietungsmarkt stellt Andreas Kogge, Partner der Comfort Berlin GmbH, fest, dass der zuvor zeitweise eingebrochene Markt seit Mitte 2021 wieder deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Dabei profitiert der Berliner Markt mit seiner Größe und einzigartigen Standortmischung laut Report von der besonderen Aufmerksamkeit, die ihm namhafte und innovative Mieter widmen. In diesem Kontext gelten der Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße als wichtigster und bekanntester Einkaufsboulevard mit dem besten Abschnitt zwischen KaDeWe und dem Olivaer Platz mit mehr als 200 000 qm Verkaufsfläche in über 300 Läden sowie den höchsten Umsätzen und Mieten. Geboten wird das Angebot einer „Kaufhausrennbahn“ an der Tauentzienstraße bis zu Luxusanbietern in der Nähe des Olivaer Platzes. Die Top-Mieten bewegen sich für kleinere Flächen zwischen 250 - 310 Euro je qm am Kürfürstendamm und zwischen 340 - 415 Euro je qm entlang der Tauentzienstraße.
Am Alexanderplatz mit seinen täglich 350 000 Passanten liegen die Top-Mieten für Kleinflächen bei 225 - 275 Euro je qm. In der Trend- und Szenemeile Hackesche Markt, die mit ihrem jungen nationalen und internationalen Einzelhandel eine deutliche Frequenzsteigerung erlebte, werden Top-Mieten von 120 - 150 Euro je qm verzeichnet. In der Schlossstraße mit ihren vier großen Einkaufszentren und einem Flächenüberangebot stabilisieren sich laut Report inzwischen die Nachfrage und die Spitzenmieten bei 70 bis 90 Euro.
Im Spannungsfeld zwischen Alexanderplatz und dem Leipziger Platz mit der mächtigen Mall of Berlin sucht die Friedrichstraße ihre neue Identität – vor allem, nachdem der Luxuseinzelhandel zum Kurfürstendamm zurückgekehrt ist. Die Top-Mieten bewegen sich zwischen 75 und 95 Euro. Die Wilmersdorfer Straße ist die einzige echte Fußgängerzone in Berliner City-Lage mit viel Flair und etablierter Gastronomie – vor allem für Kunden aus dem Kerneinzugsgebiet. Die Top-Mieten liegen hier bei 65 bis 80 Euro.