Expertenforum Rothenburg ob der Tauber

Eine Stadt auch für ihre Einwohner

Rothenburg ob der Tauber in der Neuorientierung. Foto: BBE

HIR DÜSSELDORF.Die Botschaft ist klar: Die Rothenburger sollen wieder Lust haben, in ihrer Innenstadt einzukaufen. Dafür muss das Angebot für Einheimische attraktiver sein und die Aufenthaltsqualität für sie erhöht werden. Und Rothenburg ob der Tauber soll attraktiver für junge Leute werden. Hier steht das Thema Bildungsangebote im Zentrum.

Zu dem dreistündigen Expertenforum in der Reichsstadthalle über die Neuausrichtung von Stadtmarketing, Tourismus und Einzelhandel der bekannten Touristenstadt Rothenburg ob der Tauber waren am 5. November 45 Experten zusammengekommen. Der Teilnehmerkreis repräsentierte lokale Vereine und Institutionen. Eingeladen hatten die BBE Handelsberatung, das Institut für Stadt- und Regionalmanagement sowie das Architektur- und Stadtplanungsbüro Plankreis.

„Ich nehmen von der Veranstaltung mit, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Kompetenz, Engagement, Zusammenarbeit und Aufbruchsstimmung die maßgeblichen, zukunftsorientierten Themen vorantreiben wollen“, stellte Timm Jehne, Teamleiter Standort und Immobilie bei der BBE Handelsberatung, anschließend mit Blick auf das breite Teilnehmerfeld fest.

Denn neben Oberbürgermeister Markus Naser waren Vertreter des Stadtmarketingvereins, der Ortsgruppe des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, des Einzelhandelsverbands, des Verbands Rothenburger Gästeführer, des Gastronomischen Bildungszentrums, der IHK, des Campus Rothenburg der Hochschule Ansbach, der Evangelischen Tagungsstätte Wildbad, des Festspiels der Meistertrunk e.V. sowie verschiedene Beiräte aus dem sozialen Bereich und Mitarbeiter der Stadtverwaltung gekommen.

Zuvor hatte Jehne zusammen mit seinem BBE-Team monatelang die innerörtlichen Strukturen der Stadt analysiert und eine Liste mit Stärken und Schwächen erstellt. Die Handelsstärken der Stadt liegen in den Sortimentsbereichen Glas, Porzellan und Geschenkartikel sowie einer grundsätzlichen Breite im Angebot. Zu den Schwächen gehört, dass ausreichende Angebote im Bekleidungsbereich (Herren, Damen, Kinder) sowie Läden mit stark regionalisierten Produkten fehlen, „die das Rothenburger Publikum und das Umland ansprechen“, sagt Handelsfachmann Jehne.

Das Marktgebiet von Rothenburg umfasst ein Bevölkerungspotenzial von rund 35 500 Einwohner, die für eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von jährlich 272 Mio. Euro stehen. Für die Rothenburger Innenstadt hat die BBE rund 11 500 qm Verkaufsfläche mit einem Jahresumsatz von rund 42 Mio. Euro ermittelt. „Aber diese 42 Mio. Euro stammen überwiegend aus dem touristischen Bereich. Doch wir wollen, dass auch die Rothenburger wieder in ihrer Stadt einkaufen“, formuliert Jehne eines der gesteckten Ziele. Außerdem müssten die Menschen im Umland stärker angesprochen werden.

Diskussion über Stärken und Schwächen

Beim Expertenforum (Foto: James Derheim/BBE) wurden die Stärken und Schwächen in vier Themenblöcken diskutiert und Handlungsperspektiven abgeleitet:

1. Einzelhandel, Dienstleistung, Gewerbe: Zu den Stärken gehören hier die kurzen Wege, viele Familienbetriebe, ein starkes Handwerk, starke Vereine, kreative Impulse aus der Gesellschaft und viele Kunden aus Baden-Württemberg. Als Schwäche wurde identifiziert, dass es wenig Damenoberbekleidungsgeschäfte gibt, keine Herrenoberbekleidung, ein geringes Textilangebot für Kinder, zu kleine Ladenflächen, fehlende Barrierefreiheit, wenig Außengastronomie, kaum Gastronomie für junge Leute, unattraktive Läden, hohe Mieten und ein fehlender Gemeinschaftssinn aller Akteure.

Als Lösungsansätze wurde herausgearbeitet: Die bestehende Marke „Made in Rothenburg“ zu stärken, mehr Beratung für Immobilieneigentürmer und Mieter anzubieten, mehr Pop-up-Stores in der Innenstadt und für höhere Aufenthaltsqualität zu sorgen.

2. Bildung & Kultur: Hier gehört zu den Stärken, dass alle Sparten vorhanden sind, die IHK ein Bildungszentrum für Gastronomie bietet, die Jugend kurze Wege hat, es starke Museen gibt und die Stadt als Arbeitsort geschätzt wird. Negativ fällt ins Gewicht die Abwanderung von akademischen Fachkräften, die schlechte Verbindung von Kultur und Bildung und der Verlust des Goethe-Instituts.

Zu den Lösungsansätzen gehört die Förderung der informellen Bildung, der Aufbau von Rothenburg als Home-Office-Stadt für „Digital Nomads“ und die Schaffung von Präsenzveranstaltungen an der Hochschule.

3. Tourismus: Hier gehört die große Bekanntheit der Marke Rothenburg ob der Tauber zu den Stärken, aber auch das Weihnachtsdorf und die familiengeführten Hotels. Dass sich bei der Bevölkerung eine Tourismusmüdigkeit breit gemacht hat und das authentische Leben verlorengegangen ist, genauso wie die hohe Abhängigkeit von internationalen Touristen und das Image als „deutsches Disney“ gehören zu den Schwächen.

Deshalb soll die Verweildauer in der Stadt erhöht werden, für junge Leute soll es Übernachtungsmöglichkeiten geben und die Jugendherberge gehalten werden. Auch die Kulturangebote für junge Leute sollen ausgebaut, das Taubertal besser eingebunden und Rothenburg als Fahrradstadt ausgebaut werden. Hinzu kommt die Installation von E-Lade- und Handyladestationen.

4. Stadtstruktur & Stadtentwicklung: Dass es viele schöne Spielplätze und kurze Wege gibt, gehört zu den Stärken in diesem Bereich, der schwach ausgebaute ÖPNV, ein mangelhaftes Verkehrskonzept und das Fehlen eines Nachtbusses zu den Schwächen. Um Abhilfe zu schaffen, soll das Brauhaus als Studentenstandort entwickelt werden, ein ganzheitliches Verkehrskonzept entworfen und die Schrannenscheune zum Begegnungsort gemacht werden.

„Das bayerische Fitnessprogramm Starke Zentren hat uns durch einen spannenden partizipatorischen Prozess geführt“, findet Oberbürgermeister Naser: „Neben dem starken Handlungsfeld Tourismus haben wir miteinander das Handlungsfeld Bildung als Zukunftsthema identifiziert.“ Mit 20 Bildungsinstitutionen sei die Stadt gut aufgestellt, doch müsse sie sich noch stärker profilieren und noch mehr junge Menschen nach Rothenburg ob der Tauber ziehen, die dann auch bleiben.

Handlungsfeld Bildung als Zukunftsthema für junge Leute

Wie das Thema Überalterung gestoppt werden kann, weiß TourismusdirektorJörg Christöphler: „Unser Ziel muss sein, den Denkmalschutz in der Altstadt und junge Menschen zusammenzubringen.“ Einen anderen Ansatz hat Ariane Koziollek, Geschäftsführerin des Stadtmarketingvereins: „Rothenburg ist ein ideales Pflaster für Existenzgründer aus Handel und Handwerk. Die Vorbilder sind die inhabergeführten Facheinzelhändler. Wir haben mehr als 130 Geschäfte in der Altstadt und eine moderate Leerstandsquote.“

Auch Jürgen Klatte,Ortsvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, weiß um die Probleme der jungen Menschen: Die Gastronomie- und Hotelbranche leide unter Fachkräftemangel, Auszubildende und junge Arbeitskräfte benötigten bezahlbaren Wohnraum. Deshalb begrüßt er den Workshop.

„Rothenburg bietet die Chance, eine der stärksten deutschen Tourismusstädte so zu modernisieren, dass Gäste und Einwohner harmonieren“, lautet das Fazit von BBE-Experte Jehne. Eine Weiterführung des Dialogs ist gewünscht, ein Termin steht aber noch nicht fest.