Modehandel

Eine ernüchternde Bilanz nach dem Shutdown

Das Geschäft mit Mode bleibt schwierig. Foto: BTE

Im Mai ist der Umsatz im stationären Einzelhandel mit „vorwiegend Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren“ nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes nochmals um 22,5% gesunken, so dass sich das Minus in den ersten fünf Monaten 2020 auf nominal gut 32% summiert. Allein im März und im April lag der Umsatzrückgang bedingt durch den Shutdown um 54,1% respektive 75,1% unter Vorjahr. Durch den Ausfall des Ostergeschäfts in diesem Jahr und Homeoffice für zahlreiche Arbeitnehmer sowie 7,3 Millionen Kurzarbeiter gab es kaum noch Gründe, sich neu einzukleiden. Das hat Folgen.

„Der Fashionhandel ist einer der großen Verlierer der Corona-Pandemie“, stellt denn auch Axel Augustin, Sprecher des Bundesverbands des Textileinzelhandels (BTE), auf Anfrage fest. In der Zeit zwischen dem 9. März – dem Beginn der behördlich angeordneten Schließungen und dem 27. Juni – registrierte der Handelsverband Deutschland (HDE) beispielsweise in der Produktgruppe Herrenanzüge/Sakkos einen Umsatzrückgang von 74%. Bei den Bekleidungssortimenten taten sich Business-Outfits oder Anlassmode schwer, weil die Kaufanlässe fehlen, bestätigt auch Augustin. Bei Sport- und Badebekleidung für Damen lag das Minus trotz der anlaufenden Urlaubssaison, die den Absatz normalerweise ankurbelt, laut HDE bei -40%.

Die Umsätze mit Hosen, Shirts und Jacken blieben deutlich unter den Vorjahreszahlen, berichtet Augustin, weshalb der BTE derzeit davon ausgeht, „dass der Modehandel im ersten Halbjahr im Durchschnitt um 30 bis 40% unter den 2019er-Umsätzen liegt“. Nach Feststellung des HDE verzeichneten aber auch der Handel mit Koffern und Reisetaschen im fraglichen Zeitraum vom 6. März bis zum 27. Juni ein deutliches Minus von 65%. Und dass auch Reiseführer (-55%) in diesem Jahr schwer verkäuflich sind, zeigt, dass sich die Reisefreude der Bundesbürger in Grenzen hält. Aber auch Echtschmuck (-25%) geht derzeit nicht sonderlich gut.

Der Warenkorb der Deutschen hat sich unter dem Einfluss der Covid-19-Pandemie, Maskenpflicht, Kontaktbegrenzung und Homeoffice gewandelt. Zu den Gewinnern der Krise gehören laut HDE der Handel mit Büromöbeln (+35%) – offenbar fürs Heimbüro. Auch Werkstattzubehör (+54%) findet verstärkt Verwendung, aber auch der Verkauf von Puzzles (+59%) und Gartenspielgeräten (61%) boomt, seit die Bundesbürger mehr Zeit mit Kindern zu Hause verbringen. Dass bei Sanitätsbedarf und Pflegemitteln ein Plus von 70% verzeichnet wurde, dürfte dagegen niemanden mehr wundern.

Auch wenn die Lage im Bekleidungshandel in diesem Jahr insgesamt sehr bescheiden ist, so gibt es laut BTE-Sprecher Augustin doch „große Unterschiede“ mit Blick auf Standort, Sortiment und Genre: „Besonders schwierig ist die Situation in den Lauflagen der Metropolen, die viele Kunden aus Vorsicht immer noch meiden“, bestätigt er das Ergebnis des jüngsten Whitepapers „Quo Vadis Einzelhandel im Corona-Zeitalter“ von BBE und IPH. Gerade die bisherigen Top-Einkaufslagen des Einzelhandels treffen die Folgen der Pandemie besonders stark.

„In Messestädten und touristischen Hochburgen fehlen zudem die ausländischen Gäste“, zählt Augustin weiter auf. Zudem fehlen in vielen Cities viele Pendler, die nun in Kurzarbeit oder im Homeoffice sind. Deshalb waren nach Erkenntnis des BTE-Sprechers auch in punkto Bekleidungseinzelhandel die kleineren Standorte, an denen „viele mittelständische Modegeschäfte von ihrer hohen Kundenbindung profitierten“ weniger hart betroffen. Kundenbindung und Nahversorgung sind an diesen Standorten demnach die Stichworte des Erfolgs, auf die der Großstadt-Handel weniger zurückgreifen kann. Und wenn die Bekleidungshändler zusätzlich noch auf digitale Hilfsmittel zurückgegriffen haben – Stichwort Multichannel - sind die Verluste laut Augustin zwar immer noch schmerzlich, „aber durchaus verkraftbar“.

Freizeitmode und preisorientierte Konzepte schnitten gut ab

Bei den Sortimenten lief nach Erkenntnis des BTE Freizeitmode vergleichsweise gut und preisorientierte Konzepte, die mehr oder weniger als einzige noch auf Expansionskurs sind, schnitten überdurchschnittlich ab, wobei hier Bedarfskäufe eine Rolle spielten. Insgesamt kristallisierten sich laut Augustin in den vergangenen Wochen beim Verhalten der Kunden zwei Trends heraus: Zum einen die Hinwendung zu mehr nachhaltiger Mode, was zum wachsenden Umweltbewusstsein passt und der Trend zu verstärktem „lokalen Shopping“ was zur wachsenden Kritik an der Globalisierung passt.

Was bei allen Einzelhändlern des Bekleidungshandels mehr oder weniger gleich bleibt, ist der große Warendruck. Denn der Shutdown, der punktuell in einigen Städten und Bundesländern am 9. März begann und der in seiner strikten Form bis 20. April dauerte undfür die Großbetriebe bis in den Mai hinein reichte, bleibt laut BTE der Warendruck durch die nicht verkaufte Ware aus der Frühjahrskollektion und teilweise auch durch die Sommerware, die bevorzugt im März/April verkauft wird, hoch.

Zu den mit den Lieferanten diskutierten Lösungen des Problems gehört laut Augustin die Verschiebung der Verkaufssaison nach hinten, was durch das relativ kühle Wetter derzeit unterstützt wird. Dazu gehört dann auch die Verschiebung der Orderzeiträume und der Messen nach hinten. Zumal bei Messen, die zu früh angesetzt werden, ohnehin die Gefahr besteht, dass sie ausfallen. Derzeit spricht vieles dafür, dass bei Veranstaltungen mit einer Normalisierung eher nach den Sommerferien im Herbst zu rechnen ist.

„Insgesamt werden im Jahr 2020 wohl fast alle Modegeschäfte mehr oder weniger stark in den roten Zahlen landen“, fürchtet BTE-Sprecher Augustin. „Einige größere werden Insolvenz anmelden, weil sie so Mieten verhandeln, Filialen schließen und Mitarbeiter freisetzen können.“ Diesen Weg können Mittelständler wegen der persönlichen Haftung meist nicht beschreiten. Das könnte dazu führen, dass „einige (auch mangels Nachfolger) einfach ihr Geschäft schließen oder mangels Alternativen weitermachen – besonders wenn ihnen die Immobilie gehört“.