Vermietungsmarkt: Vor allem Großflächen gefragt

Ein klares Signal für die Transformation in der stationären Modebranche

Neue Mieter für die ehemalige Galeria-Filiale in Cottbus. Foto: Verifort

Während die Zinswende im Immobilienmarkt im Allgemeinen deutliche Spuren hinterlässt, sind die Folgen im Handelsimmobilienmarkt, der in den vergangenen Jahren schon erhebliche Korrekturen erfahren hat, weniger stark ausgeprägt. Der Blick auf den innerstädtischen Vermietungsmarkt zeigt aus Sicht von Experten die unverminderte Bedeutung des Einzelhandels und die daran anknüpfende Bedeutung des Einkaufsbummels für die Belebung der Stadtzentren. Gleichzeitig eröffnen die Filialnetzbereinigungen vieler namhafter Handelsunternehmen als Folge der Corona-Pandemie für andere Spieler neue Expansionschancen.

Im ersten Quartal 2023 äußerte sich diese Entwicklung auf dem Vermietungsmarkt für deutsche Handelsimmobilien vor allem in der auffälligen Nachfrage nach größeren Einzelhandelsflächen. Dabei führt Christopher Wunderlich, Head of Retail Advisory bei BNP Paribas Real Estate (BNPPRE), diesen Trend vor allem darauf zurück, dass viele Einzelhändler im Zuge ihrer Neupositionierung nun die Chance ergreifen, „sich größere Flächen in den absoluten Top-Lagen, die über viele Jahre von denselben Akteuren bespielt wurden und somit nicht verfügbar waren, zu sichern“.

Auch Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany, stellt fest, dass Handelsketten derzeit vermehrt große Flächen anmieten, um „mehrere Filialen in einer Stadt zusammenzulegen“. Dabei würden sie die benötigte Fläche vor allem in den Metropolen finden. Diese spürbare Marktbelebung im Großflächensegment zu Jahresbeginn 2023 führt der Immobilienberater BNPPRE vor allem auf die große Zahl von Galeria-Filialen zurück, die im Zuge der Insolvenz freigesetzt werden, aber auch auf weiterhin bestehende größere Leerstände als Folge der Corona-Krise sowie Restrukturierungs- und Umzugsbestrebungen bei Filialisten. Bei der Neuvermietung dieser Großflächen wird laut Wunderlich zunehmend auch auf „marktangepasste Mietpreismodelle und Mietpreiskomponenten“ zurückgegriffen.

Eines der Beispiele für die Nachvermietung von Galeria-Flächen ist die Vermietung von 9 000 qm Verkaufsflächen und 3 000 qm Lager-, Personal-, Sozial- und Nebenflächen in Cottbus durch den Immobilienfonds- und Asset-Manager Verifort Capital an die TEH Textilhandels GmbH aus Dortmund für die Marke Aachener.

Für Christopher Wunderlich ist die Tatsache, dass derzeit Mode-Filialisten für gut 80% des sehr hohen Umsatzes im Großflächensegment verantwortlich zeichnen, auch ein klares Signal für die umfangreichen Transformationsprozesse in der stationären Modebranche. Namhafte Mode-Marken fokussieren sich nunmehr verstärkt auf einzelne moderne Flagship-Stores, dafür werden in den historisch gewachsenen und oft dicht geknüpften Filialnetzen einzelne Standorte aufgegeben, sodass derzeit auch das Flächenangebot wächst.

Unter dem Strich gibt es demnach weniger Läden im Filialnetz, dafür aber mehr Vorzeigeläden in Deutschlands Top-Lagen. Nach Beobachtung von JLL-Experte Wichner fokussieren sich die Einzelhändler derzeit vor allem auf die Toplagen in den großen Städten mit ihren wieder wachsenden Besucherströmen nach Abklingen der Pandemie und der damit verknüpften Aussicht auf höhere Umsätze. Auffallend ist dabei, dass der Flächenanteil internationaler Einzelhändler, die den hiesigen Vermietungsmarkt in den vergangenen Jahren beflügelt hatten, laut JLL zuletzt etwas gesunken ist – auf 61% des Flächenumsatzes und 52% der Anmietungen. Im vierten Quartal 2022 hatten die Internationalen mit einem Flächenanteil von 78% den deutschen Markt noch klar dominiert.

Mit Blick auf die wieder zunehmenden Aktivitäten in der Mode-Branche ist klar, dass der Sektor das deutsche Vermietungsgeschäft im ersten Quartal 2023 mit einem Anteil von 37% am Flächenumsatz, den JLL mit 100 500 qm beziffert, dominiert – vor Gastronomie und Lebensmittel mit einem Anteil von 27% sowie Gesundheit und Beauty (vor allem Drogeriemärkte) mit 11%. Damit blieb der Wert laut JLL aber noch unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt von 111 000 qm zurück. Und auch die Zahl der Vertragsabschlüsse sank im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahresmonat von 213 auf 192.

Von den mehr als 37 000 qm, die vom Bekleidungshandel zu Jahresbeginn 2023 angemietet wurden, entfielen nach Feststellung des Immobilienberaters 13 800 qm auf Bekleidungshäuser, 10 200 qm auf Young-Fashion-Mode und 3 700 qm auf Textildiscounter.

Große Einzelhandelsflächen besonders gefragt

Der Immobilienberater BNPPRE liegt mit seinem ermittelten Flächenumsatz von 150 000 qm zum Jahresauftakt 2023 um einiges über dem JLL-Wert und sieht mit diesem Vermietungsergebnis wieder eine Annäherung an bessere Zeiten vor fünf Jahren, als der Flächenumsatz 2018 insgesamt 170 000 qm erreichte. Den Trend zu großflächigen Anmietungen belegt der Blick auf die durchschnittliche Mietfläche pro Deal von 930 qm im ersten Quartal und die Tatsache, dass der Marktanteil der Abschlüsse ab 1 000 qm bei 67% lag. Zum Vergleich: Zwischen 2017 und 2022 lag die durchschnittliche Flächengröße laut BNPPRE bei 550 qm bei einem Flächenanteil von 50%.

„Aufgrund der vielen verschiedenen Krisen, Herausforderungen und Anpassungsprozessen in der stationären Einzelhandelslandschaft wurde das Segment der größeren Retail-Flächen, die in den vergangenen Jahren in der Regel als eher unattraktiv wahrgenommen wurden, neu belebt“, schreibt der Immobilienberater in seinem Bericht über das innerstädtische Vermietungsgeschehen. Und diese Trends waren vor allem in den deutschen Top-Märkten zu beobachten. Durch Umzüge, Neupositionierungen der Einzelhändler und die Aufgabe von Galeria-Filialen wurde nach Feststellung von BNPPRE in den A-Städten in den ersten drei Monaten ein Flächenumsatz von insgesamt gut 59 000 qm realisiert.

Dabei erreicht die Bundeshauptstadt Berlin bei den Anmietungen laut JLL mit 25 Abschlüssen den Spitzenplatz, wurde beim Flächenumsatz mit 14 200 qm aber von Hamburg mit 17 200 qm geschlagen. Hier sorgten Großanmietungen wie von C&A mit 3 000 qm auf der Mönckebergstraße sowie diverse Vermietungen im neuen Überseequartier wie etwa Thalia mit 1 700 qm sowie H&M mit 3 200 qm für diesen Rekordwert – bei insgesamt 23 Anmietungen.

Auf den weiteren Plätzen folgen – ziemlich abgeschlagen – Stuttgart mit über 4 900 qm, Frankfurt a.M. mit knapp 4 800 qm, Düsseldorf mit 4 200 qm und Köln mit etwa 3 800 qm. Nürnberg konnte das innerbayerische Duell mit 3 500 qm gegen München mit nur 2 000 qm bei sechs Anmietungen für sich entscheiden. Allerdings ist bekannt, dass München bei Händlern sehr begehrt und verfügbare Flächen knapp sind. Zumal die Metropole neben der Innenstadt – anders als Städte wie Berlin und Hamburg – bis auf Schwabing und Pasing keine größeren Nebenzentren hat. Ziemlich weit abgeschlagen kam Leipzig auf 700 qm und Hannover auf 351 qm.

Viel Bewegung auf dem Hamburger Markt

In der Kategorie Neuansiedlungen mieteten im ersten Quartal dieses Jahres laut BNP Paribas Real Estate beispielsweise die Mode-Marke Uniqlo Flächen in dem Renaissance Ensemble „Alte Akademie“ in München, Apple mietete in der Rosenthaler Straße in Berlin und die Bekleidungs-Kette Reserved im Kö-Bogen II an der Einkaufsmeile Schadowstraße in Düsseldorf. In der Kategorie Neuausrichtung führt der Immobilienberater den Spatenstich zum Umbau des Carsch-Hauses in Düsseldorf in eine KaDeWe- Filiale als Beispiel für die aktuelle Neuorientierung in der Kaufhaussparte an.

In die Kategorie Umzüge und Neupositionierungen gehören die Anmietung von H&M in Münchens Kaufingerstraße, von Zara in der Stuttgarter Königstraße und von Zalando in der Kölner Schildergasse. Dabei lag die durchschnittliche Flächengröße der genannten Abschlüsse nach Feststellung des Immobilienberaters bei etwa 3 500 qm, was den Trend zu größeren Flächen eindeutig untermauert.

Dieses bevorzugte Interesse der Einzelhändler an den Top-Einkaufslagen der großen Städte legt schon den Schluss nahe, dass sich die Spitzenmieten für ideal geschnittene, ebenerdige Flächen für die Top 10 gegenüber dem Vorquartal nicht verändert haben. Für München ermittelte JLL für ideal geschnittene Kleinflächen einen Wert von unverändert 340 Euro pro qm und Monat, gefolgt von Berlin mit 290 Euro, Frankfurt mit 280 Euro, Düsseldorf mit 275 Euro, Hamburg mit 265 Euro, Stuttgart mit 250 Euro, Köln mit 230 Euro, Hannover mit 170 Euro, Nürnberg mit 140 Euro und Leipzig mit 110 Euro.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich laut Wichner das Bild auf dem Vermietungsmarkt für Handelsimmobilien und bei den Mieten weiter ausdifferenzieren wird. So geht er davon aus, dass die Spitzenmieten vor allem wegen der stabilen Nachfrage nach Spitzenflächen auf absehbare Zeit stabil bleiben. Mit Blick auf die weitere Entwicklung der Durchschnittsmieten erwartet er allerdings, dass es inzwischen Flächen gibt, die selbst dann nicht zu vermieten sind, wenn der Eigentümer auf die Miete verzichtet und nur die Nebenkosten erhebt.

Licht und Schatten sieht auch Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, wenn er darauf hinweist, dass das rege Marktgeschehen zu Jahresbeginn „vor allem auch durch Sondereffekte auf der Angebotsseite mit attraktiven Einzelhandelsflächen in Top-Lagen stimuliert wurde“. Gleichzeitig sendet aus seiner Sicht die Nachvermietung zahlreicher größerer Stores gerade mit Blick auf die geplante Schließung von Galeria-Filialen ein positives Signal „für die zu erwartende Vermietungsdynamik im weiteren Jahresverlauf“.