Transformationsimmobilien

Ein Beitrag für mehr Attraktivität und Vitalität

Abriss und Neubau ist keine Transformation. Foto:

rv DÜSSELDORF. Dem Immobilienbestand kommt beim Klimaschutz eine maßgebliche Rolle zu. Das gilt auch für die zahlreichen Gebäude, die in die Jahre gekommen sind und saniert werden müssen. Denn auch die Art der Sanierung hat Auswirkungen auf den Klimaschutz.

In diesem Kontext zeigt eine Marktanalyse von Union Investment und Bulwiengesa, dass die Transformation von Bestandsgebäuden das Top-Thema der nächsten Dekaden sein wird. Wie es in der Studie heißt, „steht die Immobilienwirtschaft vor einer enormen Bauaufgabe, um die angestrebte Klimaneutralität von Immobilien zu erreichen“. Das gilt einerseits wegen der steigenden Anforderungen zur Erfüllung der ESG-Kriterien und andererseits mit Blick auf die Umbrüche im Einzelhandel, die zur Freisetzung von Einzelhandelsflächen führen, etwa durch die Verkleinerung von Verkaufsflächen und die Konzentration auf die Erdgeschosse.

Dabei soll die Studie erstmals einen umfassenden Einblick in den komplexen Vorgang geben, der mit dem Umbau von Bestandsobjekten verbunden ist. Eines der maßgeblichen Ergebnisse der Analyse ist, dass etwa die Hälfte der untersuchten Transformationsimmobilien in Deutschland in Mischobjekte umgebaut werden. Das zeigen auch die vielen Diskussionen, die derzeit über das Thema Stadtentwicklung und Belebung der deutschen Innenstädte geführt werden. Denn nach den Beobachtungen des Einzelhandels hat die Frequenz in den Innenstädten in den vergangenen Jahren spürbar nachgelassen. Mit weiteren Nutzungen wie Gastronomie, Wohnungen und Freizeitangeboten soll die Frequenz wieder gesteigert werden.

Henrike Waldburg, Leiterin Investment Management Global bei Union Investment, umschreibt die Entwicklung mit folgenden Worten: „Waren unsere Innenstädte bis zuletzt häufig von Einzelhandels- und Büronutzungen dominiert, tagsüber belebt und nachts verlassen, so steht dieses städtebauliche und immobilienwirtschaftliche Leitmotiv in den letzten Jahren zunehmend unter Druck.“ Gerade die Zwangsschließung des Einzelhandels zur Pandemiebekämpfung und die Pflicht vieler Menschen im Homeoffice zu arbeiten, da, wo es möglich ist, hat viele Innenstädte über Wochen und Monate in Geisterstädte verwandelt.

So sind laut Waldburg Immobilienwirtschaft und Kommunen gleichermaßen gefragt, Strategien zu entwickeln, Strukturen und Nutzungskonzepte zu etablieren, die auch künftig flexibel auf Veränderungen des Marktes reagieren können.“ In diesem Kontext kann die verantwortungsbewusste Transformation von nicht mehr marktgerechten Immobilien“ aus ihrer Sicht dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Dabei geht es im Wesentlichen um die Alternativen Abriss und Neubau, was oft preisgünstiger ist, oder um den teureren Umbau resp. die „Transformation“. Entscheidend mit Blick auf das Thema Klimaschutz ist in diesem Kontext aber, dass der Umbau klimafreundlicher ist. „Denn bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise muss neben dem Energieverbrauch während des Lebenszyklus der Immobilie auch die sogenannten „graue Energie“ berücksichtigt werden, die bei der Erstellung verbraucht wird“, heißt es dazu in der Studie.

Monetarisierung des Verbrauchs von grauer Energie

Und das hat mit Blick auf die Klimapolitik der Europäischen Union Konsequenzen: „Durch die Monetarisierung des Verbrauchs an grauer Energie nach Inkrafttreten der EU-Taxonomie werden sich die Kosten für den Neubau indirekt weiter erhöhen“, schreiben Union Investment und Bulwiengesa: Deshalb seien die künftig steigenden Kosten für den Abbruch der Bestandsimmobilien und die Entsorgung des Materials wichtige Argumente für die Wiederverwendung und die Transformation der bestehenden Gebäude.

Insofern gewinnen diese Transformationsimmobilien in der Projektentwicklung zwangsläufig an Bedeutung, da sie aus Sicht der Studieninitiatoren für Vorteile wie die Wiedernutzung der bestehenden Bausubstanz, Nutzungsvielfalt und neue Urbanität stehen. Die gesetzlichen Regelungen tun ein Übriges, indem sie die wirtschaftliche Attraktivität „der Transformation von Immobilien gegenüber Abriss und Neubau“ steigern, wie es in der Studie heißt.

Interessant ist unter dem Aspekt der Transformation der Blick auf die unterschiedlichen Immobilienarten. Hier erlaubt die Analyse der RIWIS-Datenbank von Bulwiengesa mit Blick auf die Diskussionen über die Erneuerung der Innenstädte eine interessante Erkenntnis: Denn anders als die aktuelle Diskussion um die Zukunft des stationären Einzelhandels und die Reduktion von Handelsflächen vermuten lässt, werden laut Studie Industrieimmobilien und Büros, die nicht mehr den Ansprüchen des Marktes entsprechen, häufiger umgebaut oder umgewidmet als etwa Handelsimmobilien. Und weiter: „Rund die Hälfte der analysierten Transformationsimmobilien werden als Mixed Use umgesetzt“, schreiben die Autoren: „Hierbei sind Handel und Gastronomie mit 28% Anteil nach wie vor die wichtigsten Bausteine.“ Weitere wichtige Nutzungsarten sind heutzutage zudem Büros und Wohnungen.

Allerdings ist die Transformation von Bestandsimmobilien kein Spaziergang, wie Ralf-Peter Koschny, Vorstand von Bulwiengesa zu verstehen gibt: Vielmehr handelt es sich hier um einen komplexen Vorgang, der „ein hohes Maß an Erfahrung und fachlicher Kompetenz erfordert“. Am besten stünden die Chancen für eine erfolgreiche Transformation dann, wenn eine intensive Einbeziehung des städtischen Umfeldes und der Stakeholder“ erfolgt.

Auch das städtische Umfeld muss einbezogen werden

Aus Sicht der Experten bietet der Megatrend „Transformation“ vielfältige positive Effekte, die beispielsweise auch das „S“ von ESG einschließen könnten. Laut Henrike Waldburg eröffnet die Transformation von Immobilien neue Chancen, sich auf intelligentem Weg ergänzende Nutzungen und Nutzergruppen zu erschließen und so „wertvolle Beiträge zur Vitalität und Attraktivität von einzelnen Gebäuden, von Quartieren und ganzen Städten zu leisten“.

Eine weitere Erkenntnis der Untersuchung ist, dass A-Städte für über die Hälfte (56%) „aller in Transformationsimmobilien errichteten Flächen“ stehen. Es gibt aber auch wichtige Projektentwicklungen auch in B- und C-Städten, die interessanterweise im Zuge der Pandemie mit ihrem verstärkten Trend zu Homeoffice zuletzt an Bedeutung gewonnen haben.

Zunächst aber stechen laut Studie die großen A-Städte mit insgesamt rd. 1,78 Mio. qm Nutzfläche in transformierten Immobilien heraus. Gleich ist in allen Städtekategorien, dass die Nutzungsarten Wohnen und Büros dominieren. Mit 435 000 qm Nutzungsfläche kommen Hotels in allen vier Städtekategorien auf dem nächsten Platz. In den A-Städten sind sie mit einem Anteil von 16% naturgemäß am prägendsten.

Einzelhandel und Gastronomie kommen mit rund 379 000 qm auf dem vierten Platz. Sie sind laut Studie besonders bei Transformationsimmobilien in D-Städten mit einem Anteil von rund 21% des dortigen Flächenanteils ein wichtiger Nutzungsbaustein. Auf Logistik- und Industrienutzungen entfallen insgesamt rund 253 000 qm. Sie sind vor allem in C- und D-Städten mit einem Anteil von 15% bzw. 14% der Fläche von Bedeutung.