Das Interview

ECSP: Wir möchten die Europäische Kommission auf die Herausforderungen hinweisen

Joost Koomen. Foto: ECSP

Gespräch mit Joost Koomen, General-Secretary des neu gegründeten European Council of Shopping Places über die Pläne und die Ziele der europäischen Organisation für die Unternehmen der Handelsimmobilienwirtschaft, die am 8. Oktober 2020 in Brüssel als Sprachrohr des europäischen Marktes für Retail Assets gegründet wurde.

Handelsimmobilien Report:Der European Council of Shopping Places (ECSP) wurde gegründet, nachdem der International Council of Shopping Centers (ICSC)  in New York 2019 beschlossen hatte, sich aus Europa zurückzuziehen. Was war der Grund für diese Entscheidung des ICSC?

Joost Koomen: Der ICSC hat damals eine Phase der strategischen Neuausrichtung durchlaufen und war zu dem Schluss gekommen, dass er sich in Zukunft auf die Entwicklung in den USA fokussieren will. Deshalb hat die Organisation entschieden, ihre Büros außerhalb der USA zu schließen, zuerst in Asien, in Lateinamerika, dem Nahen Osten und schließlich auch in Europa.

HIR: Was bedeutet diese Entscheidung für alle nationalen „Councils of Shopping Centers“, die es in den europäischen Ländern gibt?

Koomen: Dies hat keine unmittelbaren/kurzfristigen Auswirkungen auf sie. Sie waren natürlich immer eigenständige Organisationen. Da es einen klaren Wunsch gab und die Notwendigkeit gesehen wurde, in Europa grenzüberschreitend zwischen den nationalen Councils of Shopping Centers zusammenzuarbeiten, haben die Organisationen den ECSP von Anfang an unterstützt und sich daran beteiligt.

HIR:Was wird der Unterschied zwischen dem ECSP und dem ehemaligen „International Council of Shopping Centers Europe" sein?

Koomen: Der ECSP wird wirklich darauf abzielen, als europäische Handelsorganisation zu agieren, als Organisation, die sich für die Handelsimmobilienindustrie auf europäischer Ebene einsetzt und eng mit den nationalen Councils zusammenarbeitet. Sie sind auch im ECSP-Vorstand vertreten, was beim ICSC Europe nicht der Fall war. Der ICSC hatte keine eigenen Vorstands- oder Exekutivbefugnisse für seine europäische Niederlassung – alle Entscheidungen wurden in den USA getroffen.

HIR:Welchen Unterschied gibt es zum Beispiel in Bezug auf den Namen „Shopping-Center" auf der einen Seite und dem Namen „Shopping Places" auf der anderen?

Koomen: Die Branche befindet sich mitten in einem grundlegenden Wandel, wobei reine Einzelhandels-Destinationen zunehmend in Destinationen mit Mischnutzung umgewandelt werden. Der Name „Shopping Places“, oder Orte, die durch den Einzelhandel verankert sind, wie es in unserem Leitbild heißt, spiegelt diese Veränderung genauso wider, wie die Änderung des Schwerpunkts im ECSP im Vergleich zum ICSC Europe.

HIR:Was ist das Ziel der neuen Organisation?

Koomen: Neben dem Eintreten für die Interessen der Handelsimmobilienindustrie auf EU-Ebene gehört es zu den wichtigsten politischen Zielen des ECSP

•          uns als glaubwürdiger und treuer Partner für unsere Mitglieder und unsere externen Stakeholder (inkl. der europäischen Politik/Entscheidungsträgern, unsere Wertschöpfungskette, die Verbraucher und Kommunen) einzusetzen

•          eine Reihe von Werbekampagnen (über unsere Website und Social-Media-Kanäle) zu initiieren, um unsere Zielgruppen zu informieren und einzubeziehen, um die Bedeutung und den Wert rund um Einzelhandels- und Mixed-Use-Destinationen darzustellen,

•          die Wiedereinführung und das Angebot von Arbeitsgruppen (einschließlich Public Affairs, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Forschung, Immobilienmanagement) für unsere Mitglieder,

•          den Aufbau wichtiger und einflussreicher Beziehungen zu wichtigen europäischen Entscheidungsträgern und Influencern in unserer Industrie (z.B. EPRA, INREV oder Eurocommerce)

HIR:Die wichtigsten Gründungsmitglieder sind die größten europäischen Shopping-Center-Unternehmen. Was ist mit anderen Branchen wie Fachmärkten, Fachmarktzentren oder Warenhäusern? Werden diese Unternehmen auch dem ECSP beitreten?

Koomen: Der ECSP möchte den gesamten Sektor repräsentieren, der „Places“ für den Einzelhandel baut oder Mixed-Use-Destinationen. Da diese Destinationen vielfältiger und diversifizierter werden, werden auch ihre Immobilien, Akteure und Teilnehmer vielfältiger. Und, in der Tat, gehören die Gründungsmitglieder zu den führenden Einzelhandelsimmobilienunternehmen Europas, doch auch die in Ihrer Frage erwähnten Anlage-Klassen und Akteure sind natürlich eingeladen, sich dem ECSP anzuschließen.

HIR:Der ECSP hat die EU-Kommission schriftlich gebeten, drei Maßnahmen zu prüfen, um der Handelsimmobilienindustrie in der Krise zu helfen. Warum ist es notwendig, sich mit der EU-Kommission in Verbindung zu setzen. Gibt es in den europäischen Ländern nicht Programme durch die nationalen Regierungen?

Koomen: Als erste öffentliche Maßnahme und angesichts der Dringlichkeit der Lage, hielt es der ECSP für sehr wichtig, die Europäische Kommission auf die besonderen Herausforderungen aufmerksam zu machen, vor denen der Einzelhandelsimmobiliensektor auf Grund der Covid-19-Krise steht. Da unsere Branche bislang (noch) nicht in Brüssel vertreten war, hätte die Kommission ansonsten unsere Ansichten zu einem so wichtigen Thema nicht zur Kenntnis genommen.

Wir wollten der Kommission auch vorschlagen, dass sie im Rahmen künftiger Unterstützungsmaßnahmen, die derzeit entwickelt werden - die nun in den 750 Mrd. Euro Hilfsfonds mündeten -, auch einen Retail Hilfsfonds zur Unterstützung des gesamten Einzelhandelssektors in Betracht zu ziehen. Und schließlich wollten wir auch unsere Solidarität als Industrie zum Ausdruck bringen und den EU-Institutionen unsere Hilfe bei der Bewältigung der Krise, in welcher Form auch immer, anbieten.