rv DÜSSELDORF. Der Shopping-Center-Markt war in den vergangenen Jahren in schweren Fahrwassern. Eine Untersuchung des Immobilienberaters Savills zeigt jedoch, dass es auch eine namhafte Zahl von Centern gibt, die ertragsstark sind.
Der Strukturwandel im Einzelhandel durch die Digitalisierung des Einkaufens und den Erfolg des Online-Handels, der via Smartphone immer und überall erreichbar ist, hat neben den innerstädtischen Einkaufsstraßen auch die Entwicklung der Shopping-Center maßgeblich geprägt. Um dringend benötigte Waren zu kaufen ist der Besuch der Einkaufsstraße oder des Shopping-Centers nicht mehr zwingend notwendig. Also müssen klassische Einkaufslagen weitere Gründe bieten, um die Kunden zu veranlassen, mal wieder vorbeizuschauen. Beispielsweise mehr Gastronomie-Angebote, um sich als sozialer Treffpunkt zu empfehlen. Hinzu kommt, dass klassische Innenstadt- und Shopping-Center-Branchen wie der Mode-Handel (inkl. Schuhe) bedingt durch die aktuellen Krisen um ihre Positionierung und ihre Zukunft kämpfen.
Vor diesem Hintergrund haben Shopping-Center, die auf Grund ihrer großen Zahl an unterschiedlichen Branchen und Mietern eigentlich einen hohen Grad an Diversifizierung aufweisen und deshalb nach der Finanzkrise 2008/09 lange die Lieblinge der Investoren waren, zuletzt viel von dieser Gunst verloren. Nicht zuletzt aber auch deshalb, weil die Kaufpreise im Zuge des endlosen Immobilien-Booms in den 2010er-Jahren immer neue Höhepunkte und damit die Spitzenrenditen immer neue Tiefpunkte erreichten und die 4%-Marke nach unten durchbrachen.
Seither ist das Transaktionsgeschäft im Markt für Einkaufszentren deutlich gesunken und die Spitzenrenditen sind deutlich gestiegen. Der Immobiliendienstleister CBRE ermittelte im zweiten Quartal 2024 für Einkaufszentren in A-Lagen eine Spitzenrendite von durchschnittlich 5,9% und in B-Lagen von 7,2%. Hinzu kommt, dass viele Eigentümer seit Jahren damit befasst sind, das Angebot in ihren Einkaufszentren – etwa um Gastronomie und Freizeit – zu erweitern und die Aufenthaltsqualität der Malls deutlich zu erhöhen. Das EHI zählt aktuell 25 geplante Revitalisierungen.
In diesem Kontext kommt Peter Hablizel, Director Investment bei Savills Germany, zu dem Ergebnis, dass „die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit von Shopping-Centern häufig von einem allzu pessimistischen Grundton geprägt ist, der die strukturellen Herausforderungen des Segments auf alle Center überträgt“. Zwar sei der Shopping-Center-Markt gesättigt und bei vielen Centern sei mehr als nur ein Feintuning notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, doch werde dieses durchaus bekannte Thema „oft noch zu undifferenziert thematisiert“.
Im Schnitt 12% Leerstand in allen Centern
Um zur Versachlichung der Diskussion beizutragen und um der Heterogenität innerhalb der Center-Landschaft gerecht zu werden, hat der Immobilienberater Savills mit Unterstützung von IPH und BBE rund 350 deutsche Shopping-Center untersucht und auf Grundlage einer Cluster-Analyse deren Repositionierungsbedarf ermittelt. Insgesamt gibt es in Deutschland nach Feststellung des EHI Retail Institutes 506 Shopping-Center mit einer Größe ab 10 000 qm.
Nach den Worten von Rebecca Hummel, Senior Consultant Research bei Savills Germany, hat sich der Berater bei der Beurteilung des Repositionierungsbedarfs auf drei Indikatoren gestützt: auf den Leerstand, der anzeigt, wie gut das Center im Markt positioniert ist, die Bevölkerungsprognose im Umfeld, die Rückschlüsse über die künftige Kaufkraft erlaubt und den Branchenmix in Verbindung mit der Frage, ob er mit Blick auf den Strukturwandel resilient ist. Denn ein großer Anteil an Mode und anderer Branchen, die von der Online-Konkurrenz stark betroffen sind, bergen ein größeres Risiko. Andererseits können sich zugkräftige Mode-Marken positiv auf die Resilienz auswirken.
Dabei ergab die Analyse, dass in den untersuchten Einkaufszentren im Schnitt etwa 12% der Einzelhandelsflächen leer stehen und eine Anpassung des Branchenmixes an den heutigen Bedarf laut Untersuchung bei den meisten Centern ratsam scheint. Nur bei einer kleinen Minderheit (7%) sei der Branchenmix resilient. Laut Savills bilden diese drei Indikatoren zwar nicht alle Facetten der Shopping-Center-Landschaft ab, doch handele es sich um eine solide Grundlage für belastbare und nachvollziehbare Einschätzungen.
Für 40% der untersuchten Einkaufszentren ergab die Analyse einen „akuten Handlungsbedarf“, sodass sie in das Cluster „Reimagine“ eingeordnet wurden. Konkret bedeutet dies, dass die Objekte schon jetzt eine Leerstandsrate von mindestens 10% aufweisen, „der in den meisten Fällen auf Grund ungünstiger demografischer Prognosen und/oder eines wenig belastbaren Branchenmixes perspektivisch noch zunehmen dürfte“. Hier sehen die Experten die Notwendigkeit einer „Repositionierung“, die darauf abzielt, das Center „als einzelhandelsfokussiertes Format zu erhalten und ergänzende Nutzungen zu integrieren“ oder eine „Umwidmung“, die mit größeren baulichen Maßnahmen einhergeht, da Flächen für alternative Mieter jenseits des Einzelhandels umgenutzt werden müssen.
Nur „Cashcows“ sind etwas für risikoaverse Anleger
Das sind laut Savills-Director Halblizel allerdings weniger Projekte für risikoaverse Investoren und klassische Handelsimmobilieninvestoren als vielmehr für Projektentwickler und risikofreudigere Investoren. Diesen Akteuren traut er zu, dass sie nicht nur das erforderliche Kapital mitbringen, sondern auch innovative Konzepte und Ideen für die Repositionierung. Es hängt dann von der Analyse des jeweiligen Standorts ab, wie das richtige Konzept aussieht.
Dem Cluster „Watchlist“ ordnen die Forscher etwa 35% der untersuchten Einkaufszentren zu, die sich quasi an der Weggabelung befinden zwischen der Einstufung als Center mit „positiven Zukunftsaussichten“ und der Einstufung als Objekte mit „dringendem Handlungsbedarf“. „Obwohl sie derzeit noch eine niedrige Leerstandsrate aufweisen, könnte diese auf Grund schrumpfender Bevölkerung und/oder eines ungünstigen Branchenmixes steigen“, lautet hier die Einschätzung. Deshalb empfehlen die Experten eine kontinuierliche Beobachtung, „um bei steigendem Leerstand frühzeitig stabilisierende Maßnahmen ergreifen zu können“.
Ein Viertel (25%) der untersuchten Einkaufszentren ordnet Savills dem Cluster „Cashcow“ zu, weil sich diese Objekte „bei allen drei Indikatoren in einer starken Position mit überwiegend positiven Aussichten“ befinden. Ihnen konzedieren die Forscher in den nächsten Jahren „stabile Ertragsperspektiven“. Gleichwohl empfiehlt Rebecca Hummel zu beobachten, ob womöglich Anpassungsbedarf mit Blick auf den Branchenmix besteht. „Denn der ist auch in dieser Gruppe nur in den wenigsten Fällen resilient“, so die Expertin. Da diese Center aber nach wie vor die Kriterien eines Core-Investments erfüllen, handelt es sich laut Halblizel um interessante Objekte für risikoaverse Investoren.
Übertragen auf den Lebenszyklus von Einkaufszentren sieht Rebecca Hummel die „Cashcow“-Center „vermutlich in der Reifephase, in der kleinere Maßnahmen zur Sicherung des Cashflows im Vordergrund stehen“, während sich die Watchlist- und Reimagine-Center irgendwo zwischen Sättigungs- und Degenerationsphase befänden und hier ein breites Spektrum an möglichen Maßnahmen angezeigt sei. „Unsere Analyse ist daher eher als Ausgangspunkt für vertiefende Untersuchungen der einzelnen Center zu verstehen“, erläutert die Expertin, sie solle aber dennoch einen Beitrag für eine „differenzierte Diskussion über Shopping-Center“ leisten.