Vermietungsmarkt

Die Top-Einkaufslagen geraten unter Druck

Drogeriemärkte expandieren weiter. Foto: dm

rv DÜSELDORF. Der erste Shutdown im Frühjahr hatte weite Teile des betroffenen Nonfood-Handels veranlasst, die Expansionspläne zu hinterfragen. Mit den abflauenden Infektionszahlen im Sommer registrierte der Immobilienberater JLL eine steigende Flächennachfrage und sah Licht am Ende des Tunnels. Doch mit dem „Lockdown light“ im November und dem Shutdown im Dezember hat sich die Lage verschärft.

So hat JLL seinen jüngsten Einzelhandelsmarktrückblick mit der Überschrift versehen: „Auch in den deutschen Toplagen kommt die Preisschraube in Bewegung“ Und: Als Folge der Pandemie sinken die Spitzenmieten wieder. Waren rückläufige Mieten bislang nur in Nebenlagen sowie außerhalb der Top-Lagen in den großen  Städten zu beobachten – für 2020 wurde in den 185 untersuchten Einzelhandelsstandorten ein Mietrückgang von 2,1% registriert – so schreibt JLL in seinem neuen Marktüberblick, dass der Rückgang bei den Spitzenmieten im Einzelhandel „nun auch die absoluten Toplagen in den deutschen Metropolen erreicht“ hat.

Hier wirkt sich zweifellos auch die Ungewissheit über die weiteren Pläne der Politik nach dem schleppenden Impfstart hierzulande aus. In seinem Ausblick erwartet Helge Scheunemann,Head of Research JLL Germany, für die zehn deutschen Metropolen im ersten Quartal 2021 rückläufige Werte in der Bandbreite von 4 bis 8%, und in den ganz großen Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern im Mittelwert einen Mietrückgang von 5,1%.

Deshalb geht er davon aus, dass die Werte im ersten Quartal deutschlandweit im Schnitt um rund 4,2% sinken werden. Ablesen lässt sich der Trend schon am rückläufigen Vermietungsumsatz im Jahr 2020. Gab es im vierten Quartal noch einen Aufwärtstrend – womöglich, nachdem der Eindruck entstanden war, dass der Einzelhandel von weiteren Zwangsschließungen ausgenommen sein werde – lag der Flächenumsatz im Gesamtjahr mit 384 800 qm um 25% unter dem Wert von  2019 und die Zahl der Anmietungen mit 825 um etwa 28% unter Vorjahresniveau.

Dabei war der Vermietungserfolg im vierten Quartal mit einem Flächenumsatz von rund 102 000 qm und 239 Einzeldeals laut JLL tatsächlich das stärkste Quartal im gesamten Jahr 2020. Laut Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany fällt bei den Vermietungen auf, dass rund 10 000 qm der vermittelten Einzelhandelsfläche von Pop-Up-Stores gemietet wurde – vor allem im vierten Quartal. Der Vermietungsexperte schätzt, dass Einzelhändler solche temporären Verkaufsstellen genutzt haben, um ihre Weihnachtsartikel zu verkaufen, nachdem bundesweit  die Weihnachtsmärkte abgesagt wurden. Aber auch Shopping-Center-Betreiber versuchen derzeit, Leerstand zeitlich durch Pop-up-Stores zu überbrücken.

Wie schon aus dem Hinweis auf den Rückgang der Mieten in den Top-Lagen der deutschen Top-Städte zu erwarten ist, ging laut JLL auch das Vermietungsvolumen in den Big 10 zurück. „Mit nur noch 127 300 qm lagen die Metropolen rund 20% unter dem Fünf-Jahresschnitt“, so der Immobilienberater. Angesichts der Tatsache, dass der Lebensmittelhandel und die Drogeriemärkte weiter öffnen dürfen und von Homeoffice sowie der Schließung der Gastronomie profitieren, hatte sich bereits während des ersten Shutdowns im Frühjahr der Einkaufsschwerpunkt in die klassischen Stadtteillagen und die Nahversorgungs-Standorte verlagert. In den Innenstädten herrscht meist gähnende Leere.

Auch in den Big 10 ging das Vermietungsvolumen zurück

Allerdings weist JLL auch darauf hin, dass das Bild sehr uneinheitlich ist: So hätten sich die Städte Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Nürnberg im Jahresvergleich verbessern können, während München, Frankfurt und Hannover im gleichen Zeitraum gemessen am Flächenumsatz von 2019 bis zu 74% verloren hätten.

Interessant ist der Blick auf den Anteil der Branchen am Flächenumsatz 2020. Am expansivsten zeigte sich die Sparte Gastronomie/Food, die aber auch maßgeblich vom guten Geschäft der Lebensmittelhändler profitierte, mit einem Anteil von 30%. Der Anteil des Lebensmittelhandels daran – allen voran von Aldi, Edeka und Rewe, die verstärkt in die Innenstädte zurückkehren – lag laut Wichner bei 60%.

Aber auch die Gastronomiesparte mietete mehr als 37 000 qm neue Fläche – nicht zuletzt, weil die Branche zweifellos noch vom Hype der Vorjahre profitierte, da sie als Frequenzbringer hoch im Kurs steht. Rund 22 000 qm davon entfielen laut JLL auf individuelle Restaurant- und Kaffeekonzepte, während die Systemgastronomen mit 14 300 qm etwas verhaltener operierten, darunter Ketten wie Five Guys und Peter Pane, die aktiver auftraten. Wie es in dieser Branche weiter geht, hängt aber davon ab, wie lange der Shutdown dauert und ob die Staathilfen ausreichen.

Die Anbieter von Textil und Bekleidung erreichten zuletzt einen Anteil von 25%, obwohl sie schon unter dem ersten Shutdown gelitten hatten und die Umsatzverluste bis Ende Dezember nicht ausgleichen konnten. In diesem Segment entfiel auf die Young-Fashion-Anbieter etwa ein Drittel. Dagegen waren die internationalen Ketten, die vor Corona den Vermietungsmarkt stabilisiert hatten, mit der Konsolidierung ihrer Filialnetze befasst und eröffneten nur selektiv neue Standorte. Zu den Aktiven gehörte die Bestseller-Gruppe mit dem Konzept Only und das Kult-Label.

Dass die Sparte Gesundheit/Beauty mit einem Anteil von 15% den dritten Platz belegt, liegt natürlich an der expansiven Drogerie-Branche, die inzwischen auch in die Top-Lagen der Großstädte zieht. Von Ketten wie dm (Foto: dm) und Rossmann wurden über Dreiviertel der Flächen gemietet. Vor allem Rossmann zeigte sich mit 14 Neuanmietungen expansiv. Auch die Heim-/ Haus-/ Wohnbedarfs-Sparte legte 2020 kräftig zu und konnte ihren Anteil laut JLL auf 10% verdoppeln.

Der Grund sind Möbelanbieter wie Ikea, die im Zuge ihres Strategiewechsels von ihren angestammten Standorten an der Peripherie mit neuen Konzepten wie dem Ikea Planungsbüro in den Innenstädten Fuß fassen. Oder das Möbelhaus Opti, das sich in der Bremer Innenstadt in der ehemaligen Kaufhof-Filiale mit über 15 000 qm eingemietet hat. Damit kehrt der Möbelhandel teilweise in die Cities zurück.