Global Retail Attractiveness Index (GRAI)

Die Stimmung ist schlechter als die Lage

rv DÜSSELDORF: Die Hoffnung der Verbraucher, dass die negativen Folgen der Corona-Pandemie im europäischen Einzelhandel im Laufe des Jahres 2022 verschwinden, haben sich spätestens im dritten Quartal verflüchtigt. Allerdings zeigt der detaillierte Blick auf die einzelnen Länder Europas ein heterogenes Bild, wie der jüngste Global Retail Attractiveness Index (GRAI) zeigte. Auch weichen die Stimmung einerseits und die aktuellen Fakten deutlich voneinander ab.

Der Rückgang um 40 Punkte beim europäischen Verbrauchervertrauen dokumentiert nach den Worten von Olaf Janßen, Leiter Immobilienresearch bei Union Investment, die gravierende Verunsicherung der Bürger angesichts der Inflationsprognosen für das nächste Jahr. Im September lag die Inflationsrate in der Euro-Zone nach Feststellung der Statistikbehörde Eurostat bei 9,9% in der Euro-Zone und bei 10,9% in der EU. Abgefedert werde der Rückgang im Stimmungs-Index durch den immer noch intakten Arbeitsmarkt und die auch immer noch stabile Entwicklung der Einzelhandelsumsätze in weiten Teilen Europas.

Die beiden Teilindikatoren des Global Retail Attractiveness Indexes (GRAI), der von Union Investment und GfK gemeinsam ermittelt wird, die Arbeitsmarktdaten und der Einzelhandelsumsatz, konnten im dritten Quartal sogar noch um 12% bzw. 10% zulegen. Dieser Unterschied zwischen der negativen Stimmung der Marktakteure einerseits und den positiven Kennzahlen aus Arbeitsmarktdaten und defacto Umsatz andererseits gehört laut Union Investment zu den „überraschendsten Ergebnissen der aktuellen Erhebung“.

Ein Grund für diese Diskrepanz dürfte die Tatsache sein, dass die Verbraucher bereits heute ermessen können, was mit steigenden Energiepreisen und zunehmender Energieknappheit in den nächsten Monaten auf sie zukommen wird, dieser Ernstfall zu Beginn der Heizsaison aber noch nicht eingetreten ist. Erst im Frühjahr wird sich zeigen, wie stark das verarbeitende Gewerbe, der Einzelhandel und der Arbeitsmarkt unter der Knappheit gelitten haben, wie hoch Produktions- und Umsatzrückgänge sind und wie viele Arbeitsplätze das gekostet hat.

Vor diesem Hintergrund ist der Global Retail Attractiveness Index in Europa im dritten Quartal um 7 Punkte von 113,4 auf 106,4 Punkte gesunken, das schwächsten Niveau seit dem ersten Quartal 2021. In Europa erfasst der GRAI die Daten der 15 Länder Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien, Österreich, die Niederlande, Belgien, Irland, Portugal, Polen und Tschechien. Insgesamt bildet der Index die Attraktivität der Einzelhandelsmärkte von weltweit 20 Ländern ab – neben Europa noch die Länder USA und Kanada in Amerika sowie einige Länder in Asien und Australien.

Beim Blick auf die einzelnen europäischen Länder zeigt sich – wie von Janßen im Sommer vorausgesagt – ein heterogeneres Bild in der Einzelhandelslandschaft und im Retail-Index. Am besten steht Portugal da, das im dritten Quartal als einziges Land im „EU-15-Index“ ein Plus von 5 Punkten auf 115 Zähler erzielte. Alle anderen Länder verzeichneten z. T. sogar sehr deutliche Rückgänge. Dabei kam der polnische Markt mit unverändert 120 Punkten und Frankreich mit einem Rückgang von nur 3 Punkten auf 111 Zähler noch recht glimpflich davon. Zusammen mit Portugal bilden diese drei unterschiedlichen Länder nun das Spitzentrio.

Südeuropa erweist sich als recht robust in der Krise

Insgesamt registrieren Union Investment und GfK, dass sich die südeuropäischen Länder – neben Polen – in der aktuellen Krise als recht robust erweisen. Das Kontrastprogramm geben die nördlichen EU-Länder mit Deutschland, Österreich, Finnland und Schweden. Hier ist der Index im dritten Quartal 2022 gemessen am Vorjahreszeitraum um durchschnittlich jeweils 15 Punkte gesunken. Dabei sackte der Wert in Dänemark mit -17 auf einen Wert von 85 Punkte am stärksten ab. Es folgten Deutschland sowie Großbritannien und Irland mit einem Rückgang von 16 auf 110 Punkte resp. 97 Punkte.

Deutschland verlor damit seinen Platz in der Spitzengruppe und steht nun auf Platz fünf. Schweden verzeichnete ein Minus von 13 auf 85 Punkte und Österreich sowie Spanien von 7 Punkten auf 95 resp. 101 Punkte. Italien gehört zu den südeuropäischen Ländern, die sich mit einem moderaten Minus von 3 auf 107 Punkte noch vergleichsweise gut geschlagen haben.

Auch wenn der Index für Europa im dritten Quartal nachgegeben hat, so liegt er immer noch über dem Index in Nordamerika, der sich um 10 Punkte auf 95 Zähler verschlechterte und in Asien/Pazifik mit einem Minus von 4 Punkten auf einen Wert von 93. Laut Union Investment bedeutet ein Wert von 100 Indexpunkten eine durchschnittliche Bewertung, Werte darüber sind überdurchschnittlich, Werte darunter unterdurchschnittlich. Mit einer Gewichtung von jeweils 25% gehen die Stimmung der Nachfrageseite (Consumer Confidence), die Stimmung der Angebotsseite (Business Retail Confidence) sowie die quantitative Veränderung der Arbeitslosigkeit und die Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes in den Index ein.

Beim Global Retail Attractiveness Index für Nordamerika sorgte vor allem der Rückgang beim Verbrauchervertrauen und bei der Stimmung unter den Einzelhändlern für den Rückgang. In Kanada ging der GRAI um 13 auf 93 Punkte zurück. Im asiatisch-pazifischen Raum trug zudem der Rückgang bei den Einzelhandelsumsätzen zur Verschlechterung bei. In Australien ging der GRAI um 14 auf 93 Punkte zurück.