German Council Powerdays

Die Shopping-Monokultur ist vorbei

Das Hansator am Münsteraner Hauptbahnhof. Foto: Landmarken AG

Wie gestaltet man erfolgreiche Einkaufszentren mit Zukunft? Mit dieser und weiteren Fragen befassten sich die Powerdays des German Council of Shopping Places in Düsseldorf anhand von konkreten Beispielen und vielen Erfahrungen.

Einkaufen ist heute nicht mehr der einzige Anlass, Shopping-Center aufzusuchen, umschreibt Markus KratzGeschäftsführer der Kplus Konzept GmbH bei den German Council Powerdays zu Centermanagement und Marketing in Düsseldorf den Trend, der die Handelsimmobilien-Szene umtreibt: „Die Shopping-Monokultur ist vorbei.“ Gleichzeitig gibt Daniel DalsassoCenter-Manager des Stern Centers Lüdenscheid bei der MEC GmbH, mit Blick auf die dynamischen Veränderungen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu bedenken, dass die Zeit noch nie so dynamisch war, wie heute und dass letztlich alles passieren kann.

Seit der Online-Handel einen Teil des Bedarfskaufs an sich gezogen hat und immer mehr Shopping-Center das in Form von Frequenzverlust und Leerstand zu spüren bekommen, setzen sich Einzelhandel und Handelsimmobilien-Szene mit der nachhaltigen Aufwertung ihrer Shopping-Center und der Diversifizierung der Mieterstruktur auseinander. Dabei steht am Anfang der Umgestaltung eines in die Jahre gekommenen Centers laut Kratz bei der ersten Besichtigung die simple Frage im Raum, ob man sich in diesem Center wohl fühlt. Wenn nicht, dann muss etwas geschehen, denn die Kunden dürften es genauso empfinden.

Grundlage der Neuausrichtung ist eine gründliche Bestandsaufnahme, was noch gut ist, was verbessert werden kann, welche Zielgruppen und welche Angebote relevant sind und wie die Visitors Journey aussieht. Im Alleen Center am Trierer Bahnhof beispielsweise, in dessen Umfeld sich weit und breit keine baumbestandene Allee befindet, entschloss sich K-Plus Konzept die fehlende Alleen-Atmosphäre durch viel Grün in der Mall und Sitzgelegenheiten zu ersetzen. Auch der unauffällige Eingang wurde prominent in grün gestaltet.

Bei der Umgestaltung des Ring-Center 1 in Berlin Friedrichshain/Lichtenberg mit 24 000 qm Mietfläche geht es nach den Worten von Ted WallePartner und Head of Centermanagement beim Eigentümer Kintyre S & L GmbH, um ein Refurbishment im laufenden Betrieb – eine Herausforderung für das Management angesichts der Tatsache, dass noch 65% der Mieter im Center verblieben sind. Hier geht es vor allem darum, die Nutzungsmischung neu zusammenzusetzen, Lichthöfe einzubauen und die Fassade offener und damit freundlicher zu gestalten. Ziel ist es, von den täglich etwa 100 000 Umsteigern an dem örtlichen Verkehrsknotenpunkt künftig etwa 8 Mio. bis 10 Mio. Besucher pro Jahr ins Center zu ziehen – bislang liegt der Anteil bei 20% – und die Mieteinnahmen zu diversifizieren. 

Im Zuge des Umbaus, der laut Walle eine Vergrößerung der Fläche um 3 700 qm bringt, wird der Einzelhandel künftig auf das Untergeschoss, das Erd- und das erste Obergeschoss konzentriert und die Fläche von 11 000 auf 6 225 qm verkleinert. Die Mieten sollen nach der geplanten Fertigstellung 2025 von durchschnittlich 40 Euro je qm auf 42 Euro steigen.

Mieten sollen nach der Fertigstellung steigen

Im zweiten und dritten OG sind Praxisräume und Freizeitangebote auf 12 810 qm zu 22 Euro je qm geplant und im vierten und fünften OG wird es Büros geben und die Miete soll bei 28 Euro/qm liegen. Laut Walle konnten mit allen Mietern neue Mietverträge abgeschlossen werden. Auf dem Dach mit Blick bis zum Alexanderplatz wird es für das Fitness-Studio eine Laufstrecke geben und wahrscheinlich auch noch Gastronomie-Angebote. Ziel ist auch eine LEED-Zertifizierung in „Gold“.

Einer Herausforderung der besonderen Art hat sich die Aachener Landmarken AG mit dem Hansator am Münsteraner Hauptbahnhof mit Zugang zu den Gleisen gestellt, wie Thomas BinsfeldMitglied der Geschäftsleitung, unter der Headline „Bahnhof neu gedacht, mit Mixed-Use den Bahnhof ins Quartier geholt“, erläutert. Die drei Gebäude Süd-, Mittel- und Nordhof bilden eine zweite Vorderseite des Hauptbahnhofs, sodass dieser zu einem vollwertigen Teil der Stadt wird.

Bei einem solchen Projekt geht es laut Binsfeld nicht allein darum, die Interessen des Kapitalmarkts zu betrachten, sondern auch um die Frage, was die Stadtgesellschaft will. Denn das Hansator mit 28 400 qm Bruttogeschoss-Fläche und einem Angebot aus Einzelhandel im Erdgeschoss – darunter ein Rewe-Markt –, mit Gastronomie, dem Ankermieter Prizeotel (Hotel) und der POHA Lebenswelt aus Wohnungen mit Service und viel Gemeinschaftsflächen, grenzt an das Hansaviertel von Münster. Darauf wurde auch das Handelsangebot abgestellt. Besondere Herausforderungen brachten die Nähe zum Bahnhof und die damit notwendigen Abstimmungen mit der Deutschen Bahn etwa über den Schallschutz. Hinzu kamen die zähen Verhandlungen über die Anpassung der Ladenöffnungszeiten im Hansator an die längeren Zeiten im Bahnhof, um einen Bruch zu vermeiden. Verdi überwacht, dass außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten nur Reisebedarf verkauft wird. Nicht zuletzt auch auf Grund der Drogenszene im Umfeld des Bahnhofs wird das Areal laut Binsfeld täglich für 18 Stunden überwacht, was sich auch auf die Mieten niederschlägt.

Dass man bei der Belebung von Shopping-Centern heute „Out of the Box“ denken muss, um echte Erlebnisse zu erzeugen, brachte Volker KatschinskiMitgründer der Dan Pearlman Markenarchitektur GmbH, den Zuhörern mit dem Vorschlag nahe, ihren „Happy Place“ einmal mit dem Handel in Verbindung zu bringen. Wie das gehen kann, erläuterte er am Umbau des auf die Luftfahrt ausgerichteten Loop 5 vor den Toren von Darmstadt, das die Bürger der Stadt offenbar nie wirklich geliebt haben. Ziel ist es nun, das Einkaufszentrum auf der grünen Wiese zur Destination für junge Familien mit viel Unterhaltung für Kinder umzubauen.

Eine „Entertainment Mall“ für junge Familien

Dabei bieten die fünf Lufträume – Loops genannt – Themenwelten wie einen Limonaden-Brunnen und einen Candy Shaker in Form eines Karussells in Loop 1, den Happy Way mit vielen virtuellen Elementen, die mit der Mall verschwimmen in Loop 2 und fünf riesigen Rutschbahnen in Loop 3. Loop 4 und Loop 5 werden gerade umgebaut. Hier sind ein großer Food Court, eine Freitreppe und Anlagen geplant, die es den Besuchern ermöglichen, schwerelos zu schweben. Laut Katschinski ist das Loop 5 hierzulande die erste „Entertainment Mall“ und erste Erfolge bei der Vermietung stimmen ihn zuversichtlich: „Let’s create happy places.“

Dass die Center-Szene in den USA derzeit alles positiv sieht und alles „amazing“ findet, wusste Christoph ErnstGeschäftsführer der Serious GmbH, von seinen Aufenthalten im Land zu berichten – genauso wie über die neuesten Marketing-Trends. Dazu gehört der digitale Fokus, um alle Möglichkeiten zu nutzen, die Zielgruppe noch besser zu erreichen. Auch Video-Botschaften werden verstärkt eingesetzt, wie etwa vom größten US-Center-Betreiber Simon Group. Ein weiteres Thema sind im Interesse des richtigen Media-Mixes laut Ernst Multikanal Marketing Kampagnen und auch über das Marketing von Influencern werden via Video-Botschaft Themen transportiert.

Und unter dem Stichwort „Mobile First“ geht es um die Verwendung von mobilen Apps, die direkt an Kunden geschickt werden. Um die persönlichen Kontaktdaten zu sammeln, können Gutscheine verschenkt oder Geschenke gegen Daten getauscht werden. Auch spielt die Musik in den US-Einkaufszentren eine große Rolle und überall gibt es digitale Einblendungen. Hinzu kommt die Beschäftigung mit den jungen Generationen, die bereits in ganz anderen digitalen Dimensionen unterwegs sind.

Die Frage, ob die Shopping-Center in Deutschland sterben, wie viele eher negative Berichte fürchten lassen, beantwortete Jan BarenhoffDirector of Business Development Europe bei der Place Sense Ltd. mit einem klaren „Nein“. Dabei basiert seine Antwort auf einer systematischen Datenanalyse, die auf der Auswertung von GPS-Daten von Millionen von Smartphones basiert, wobei der Datenschutz gewahrt bleibt, wie er versichert. Diese Daten ermöglichen es dem Einzelhandel und dem Centermanagement genau zu erfassen, wie sich Kunden bewegen. Eine Analyse von Dresden ergab etwa, dass Passanten, die den Neumarkt besuchen, auch in die Altmarkt Galerie und das Centrum Center in der Prager Straße gehen.

Shopping-Center haben eine Zukunft

Mit Hilfe von Handy-Signal-Abstrahlungen, die über installierte Rooter empfangen werden, misst auch die Ariadne Maps GmbH die Frequenz in Shopping-Centern, wie Sebastian DeppeVice President DACH des Unternehmens berichtet. Das eröffnet Handel und Center-Betreibern die Chance, die genaue Frequenz zu erfassen und die verschiedenen Lagen zu bewerten. Mit diesem System kann auch bis in die Läden hinein gemessen werden.

Ein aktuelles Bild über die Lage und die Perspektiven der Center-Szene zeichnete Lena KnopfProjektleiterin im Forschungsbereich Handelsimmobilien und Expansion beim EHI Retail Institute, mit einigen Ergebnissen der Umfrage „Centermanagement im Fokus“. Befragt wurden dafür 131 Center, die ein Viertel des hiesigen Bestands ausmachen. Auch hier war Mischnutzung eines der Themen. So gaben 46% der Befragten an, dass sie 10% der Fläche im Center für Nutzungen jenseits des Handels einplanen. Bei 14% der Befragten sind es sogar zwischen 31 und 50%.

In den vergangenen fünf Jahren haben bislang aber nur 9% der Befragten Flächen an andere Nutzungen vermietet, 23% planen es aber, doch die Mehrheit (68%) trägt sich noch nicht mit diesem Gedanken. Vieles dürfte hier auch vom Standort abhängen, ob eine größere Vermischung der Mieterstruktur von Vorteil ist. Entscheidend für das Centermanagement ist dabei die Frage, welche Beimischung für die Mieter aus dem Einzelhandel die größten Synergieeffekte bringen.

Hier wird allen voran die Gastronomie genannt (56%), aber auch Angebote rund um das Thema Gesundheit wie Arzt-Praxen sowie Sport/Unterhaltung, Wohnungen und Büros sind willkommen. Weniger Impulse werden dagegen von Kitas oder Hotels erwartet. Aber auch hier dürfte vieles vom Standort abhängen. Insgesamt werden in Shopping-Centern vor allem Büros angesiedelt, vor Gesundheitsangeboten sowie Freizeit, Unterhaltung und Sport. Und Gastronomie gehört natürlich immer dazu.