rv DÜSSELDORF. Etwa 20 000 Teilnehmer aus 90 Ländern haben vom 12. - 15. März 2024 an der 34. Internationalen Immobilienmesse Mipim in Cannes teilgenommen. Das waren spürbar weniger als die 22 500, die noch im Jahr 2023 vor Ort waren. Zwar waren alle großen Unternehmen vertreten, doch waren ihre Delegationen diesmal offenkundig kleiner und es wurde offensichtlich deutlich effizienter mit den Budgets umgegangen. Die Zeiten bleiben angespannt.
Die Internationale Immobilienmesse MIPIM in Cannes hatte im Vorjahr einerseits unter dem positiven Vorzeichen gestanden, dass sich die Teilnehmerzahlen wieder der Vor-Corona-Zeit angenähert hatte, gleichzeitig sorgten die Preisschwankungen und Wertkorrekturen als Folge der schnellen Leitzzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) unter den Teilnehmern für große Verunsicherung. Ob diese Phase im Laufe des Jahres 2024 hinter den Investoren, die etwa ein Drittel der Teilnehmer ausmachten, liegen wird, wie der Messeveranstalter Rx Global zur MIPIM 2024 meint, ist angesichts der Hängepartie im Markt aber offen.
Nach der Erholung von den Schwankungen des Vorjahres sieht sich die Messe im März 2024 als wichtige Plattform für die Anleger, um im Rahmen von Kontakten, Gesprächen und Eindrücken ihre neue Anlage-Strategie für das laufende Jahr zu entwickeln. Aus Sicht von Nicolas Kozubek, Director der Immobilienmesse MIPIM, wird es 2024 vor dem Hintergrund der fortbestehenden Unsicherheiten bei der Geldpolitik und der globalen wirtschaftlichen Entwicklung für die öffentlichen und privaten Marktakteure darauf ankommen, in die Aufwertung der Bestandsgebäude und in Erneuerungsprojekte zu investieren.
Auch Rachel Shone, Real Estate Director bei Principal Asset Management, sieht die MIPIM als wichtige Plattform, um sich ein Feedback aus dem Markt zu holen und zu teilen, Deals anzubahnen und die Kontakte zu Partnern aus der Immobilien-Branche zu stärken. Vor allem aber geht sie davon aus, dass 2024 ein spannendes Jahr für Immobilieninvestments werden dürfte, weil die Werte auf den globalen Märkten anfangen, sich zu stabilisieren. Das eröffne die Chance, hochwertige Objekte zu niedrigeren Einstiegspreisen zu erwerben. Für Deutschland dürfte das allerdings noch nicht gelten. Da die Immobilien nach der jüngsten Umfrage der RICS immer noch als teuer oder sehr teuer gelten, dürfte die Phase der Wertkorrekturen hierzulande – zumindest in einigen Bereichen – noch fortdauern.
Nach dem langen Aufschwung fokussiert sich der Asset Manager Principal nach Shones Worten auf Sektoren, die sich als widerstandsfähig gegenüber zyklischen wirtschaftlichen Einflüssen erwiesen haben und Mietsteigerungen versprechen. Zur Absicherung der Portfolien steht auch das Thema Einhaltung der ESG-Kriterien im Mittelpunkt der Strategie.
Nachdem die Immobilienbranche 2023 ein echtes Krisenjahr hinter sich hat, erwartet Peter Finkbeiner, CEO der Primonial REIM Germany, dass vor allem die Fragen, wie sich die Immobilienmärkte 2024 entwickeln werden und wie es mit den Zinsen weitergeht, die Diskussionen im Palais des Festivals in Cannes dominieren werden. Für ihn ist die Plattform deshalb ein wichtiges Stimmungsbarometer. Zuversichtlich stimmt ihn, dass sich das Zinsumfeld inzwischen stabilisiert hat und womöglich Zinssenkungen die Planbarkeit in der Immobilienbranche noch verbessern könnten. Zudem erwartet er einen wachsenden Verkaufsdruck, wodurch sich das Transaktionsgeschäft beleben könnte.
Einhaltung der ESG-Kriterien bestimmt den Wert
Klar ist aber auch für Finkbeiner, dass ESG ein wertbestimmender Faktor sein wird: „Wer sich heute nicht mit dem Thema auseinandersetzt, wird in nicht mehr allzu ferner Zukunft Immobilien haben, die weder verkauft noch vermietet werden können“, ist er überzeugt. Und für Stéphane Villemain, Head of Sustainable Investment bei Ivanhoe Cambridge ist Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern „raison d’être“ für die Branche. Deshalb bot die MIPIM 2024 auch die innovative „Road to Zero Plattform“ an, um nicht nur ein Schlaglicht auf wachsende Asset-Klassen zu werfen, sondern auch auf nachhaltige Investment Strategien, die immer wichtiger werden.
Auch Audrey Camus, Senior Vice President, Development and Asset Management, Europe und Arnaud Malbos, Senior Vice President, Investments, Europe beim Entwickler und Investor Ivanhoe Cambridge, sehen die Immobilienbranche gegenwärtig vor „multidimensionalen Herausforderungen“, da sich die Märkte einerseits im Übergang in einen neuen Marktzyklus befinden. Denn auch wenn die Leitzinsen in Nordamerika und der Eurozone offenbar ihren Hochpunkt erreicht haben, werde das „new normal“ am Immobilienmarkt auf absehbare Zeit durch ein höheres Zinsniveau geprägt sein, als es die Immobilienbranche in den vergangenen 15 Jahren gewohnt war.
Auf der anderen Seite belasten die geopolitischen Konflikte weltweit das Wirtschaftswachstum – was auch auf die Immobilienbranche abstrahlt. Hinzu kommen der nachhaltige Transformationsprozess – Stichwort ESG – die hohen Baupreise sowie Disruptionen infolge der Digitalisierung, woraus neue Geschäftsmodelle und Flächenbedarfe etwa im Bürosegment entstehen könnten. Auch für Camus und Malbos ist die MIPIM deshalb „eine erste wichtige internationale Standortbestimmung für die Branche im Immobilienjahr 2024“. Beim Blick auf das Gesamtjahr erwarten sie im Jahresverlauf am Investmentmarkt eine leichte Aufhellung und eine Belebung der Transaktionsaktivitäten.
Dass die Federal Reserve und die EZB ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen haben oder kurz vor dem Ende stehen, ist auch laut Christopher Mertlitz, Head of European Investments bei W. P. Carey derzeit Marktkonsens. Allerdings merkt er auch an: „Die lange Phase niedriger oder negativer Zinsen war eine historische Ausnahme – der Markt wird sich daran gewöhnen müssen, dass die Zinsen vorerst auf einem deutlich höheren Niveau bleiben werden.“ Investoren, die zuletzt zu Höchstpreisen gekauft haben, brauchen jetzt einen langen Atem.
Aus heutiger Sicht rechnet Mertlitz im Jahr 2024 nicht mit baldigen Zinssenkungen, so dass das Finanzierungsumfeld auf kurze bis mittlere Sicht herausfordernd bleiben wird. „Die Finanzierungsbedingungen sind seit nunmehr zwei Jahren extrem restriktiv und noch signalisieren nur sehr wenige Finanzierer, dass sie ihre Konditionen in den nächsten Monaten lockern werden“, beobachtet auch der Immobilienberater Savills. Das werde den Refinanzierungsstress hochhalten und in den nächsten Monaten immer wieder zu Verkäufen führen. Zudem erwartet Mertlitz in der Eurozone und in den USA einen „anhaltenden Aufwärtsdruck auf die Renditen und einen Abwärtsdruck auf die Immobilienbewertungen“. Allerdings sieht er in einigen Asset-Klassen auch erste Anzeichen dafür, dass die Preise die Talsohle erreicht haben.