Immobilien-Investitionsklimaindex Europa

Die Risikobereitschaft ist deutlich gesunken

rv DÜSSELDORF:Seit der Befragung von institutionellen Investoren aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien vor einem halben Jahr hat sich die Welt verändert. Lautete die Schlagzeile im Januar noch, dass die Anleger 2020 ein lebhaftes Geschäft erwarten, heißt die Schlagzeile im August, dass die Corona-Krise zu deutlichen Veränderungen in den Anlagestrategien führt und die Risikobereitschaft sinkt. Für das Gros lautete das Motto nun: „Weniger Risiko, geringere Rendite“.

Konkret gaben 58% der von Union Investment im Rahmen der Investitionsklima-Studie befragten 150 institutionellen Investoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien an, dass sie ihre Anlagestrategie deutlich ändern und weniger Risiko eingehen wollen. „Vor Ausbruch der Pandemie waren es nur 35%“, schreibt das Hamburger Unternehmen. Das bedeutet freilich keine „grundsätzliche Zurückhaltung“ gegenüber Immobilieninvestments. Nur für 5% der befragten europäischen Investoren sind Immobilienanlagen vorerst keine Option mehr.

Dass der Stimmungswechsel in Großbritannien sehr ausgeprägt ist, kommt mit Blick auf die starke Ausbreitung der Pandemie im Land, die starke Schrumpfung der Wirtschaft im ersten Halbjahr und die Tatsache, dass gerade die britischen Investoren zu Jahresbeginn wieder optimistischer waren, nicht überraschend.

Auf der Insel ist für die Mehrheit (79%) nunmehr Sicherheit das Hauptmotiv bei der Anlagestrategie. Vor Ausbruch der Pandemie in Europa seien es 50% gewesen, heißt es in der Studie. So ist der Indikator für den Immobilien-Investitionsklimaindex in Großbritannien um 6,1 Punkte auf 58,3 Punkte gefallen. Noch stärker war allerdings der Rückgang in Frankreich mit -9,5 Punkten auf 58,1 Punkte.

Grund für den deutlichen Rückgang in beiden Ländern sind laut Umfrage die Veränderungen bei den „Standortbedingungen“ und den „Erwartungen“: „In Frankreich ist der Teilindex „Standortbedingungen“ um 13,1 auf 57,5 Punkte gerutscht, der Teilindex „Erwartungen“ um 20 auf 37,6 Punkte gefallen.“ Ähnlich sei das Bild in Großbritannien. In diesem Umfeld bildet Deutschland auch in dieser Krise mehr oder weniger wieder den Stabilitätsanker, da hier der Indikator laut Union Investment nur leicht von 63,2 auf 62,6 Punkte gesunken ist.

Aus Sicht von Olaf Janßen, Leiter Immobilien-Research bei Union Investment, profitiert Deutschland von seiner „wirtschaftlichen Stärke und dem bislang guten Krisenmanagement der Regierung“. Dass Berlin und Frankfurt sowie die anderen deutschen Standorte eine überschaubare Büroflächen-Pipeline haben, sieht er für das Land als günstige Voraussetzung, die Krise schnell hinter sich zu lassen.

Das sieht die Mehrheit der Immobilien-Investoren offenbar genauso, denn das Gros (57%) geht davon aus, dass sich der deutsche Immobilienmarkt am schnellsten wieder erholen wird. Allerdings ist das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen durch den Shutdown für die Breite der deutschen Wirtschaft noch nicht abzusehen und es ist weiterhin unklar, wie stark sich das Virus unter Normalbedingungen wieder in der Bevölkerung ausbreitet und wie stark mögliche Beschränkungen im Herbst /Winter ausfallen.

Ungeachtet dieser Unsicherheiten ist das Vertrauen vor allem in den Berliner und den Frankfurter Markt laut Studie relativ hoch: So trauen 42% der Bundeshauptstadt eine schnelle Erholung zu und 38% auch Frankfurt am Main. In den Nachbarländern genießen vor allem Hotspots wie Paris (30%) und London (29%) das Vertrauen der Investoren. Daneben wird auch Schwedens Hauptstadt Stockholm (23%) positiv beurteilt.

Die europäischen Corona-Hotspots Italien und Spanien werden dagegen deutlich negativer gesehen. So erwartet die Mehrheit (55%), dass Mailand länger benötigt, um aus der Krise zu finden, für Madrid sind 47% und für Barcelona 33% eher skeptisch gestimmt.

Mit der sinkenden Risikobereitschaft hat sich für die Mehrheit (54%) auch der Anlageschwerpunkt in Richtung „klimaverträgliche Investitionen“ verschoben, 49% wollen wieder verstärkt auf Core-Immobilien setzen und 42% vermehrt im eigenen Land investieren. Diese Verschiebung ist bei den Franzosen besonders ausgeprägt. 71% setzen auf klimaverträgliche Investitionen, 65% auf Core-Objekte und 59% auf das Heimatland. Entgegengesetzt die Reaktion in Großbritannien: Nur 31% setzen auf Klimaverträglichkeit, 36% auf „Core“ und nur 14% auf das Heimatland.

Bleibt die Frage, welche Anlage-Klasse in der Krise das größte Vertrauen genießt. Dabei stehen laut Studie derzeit die Asset-Klassen Health Care und – nicht unerwartet – Logistik ganz oben in der Gunst der Anleger. Jeweils 65% der Befragten erwarten, dass hier in der nächsten Zeit die Investitionsschwerpunkte liegen. Laut Janßen sind beide Nutzungsarten wenig krisenanfällig und tragen zur Stabilisierung des Cashflows in einem Portfolio bei. Aus Sicht von 55% bleibt auch Wohnen attraktiv. Hier könnte das Investitionsvolumen noch steigen, glauben viele.