15. Fachmarktimmobilien Kongress

Die richtige Balance zwischen Zukunftstechnologien und Basisarbeit

Großes Interesse am Fachmarktimmobilien Kongress. Foto: R. Vierbuchen

Beim 15. Fachmarktimmobilien Kongress der dfv Conference Group in Frankfurt blickten die Experten weit in die Zukunft aber auch weit zurück in die Vergangenheit. Künstliche Intelligenz eröffnet viele Optionen, doch für die Bewältigung des Alltags kommt es manchmal auch auf kleine Details an.

„Das Morgen ist schon im Heute enthalten“, zitiert Oliver Leisse, Gründer und Inhaber des Instituts für Trendforschung und innovative Strategien, SEE MORE, den Zukunftsforscher Robert Jungk in seinem Vortrag über den Kunden von Morgen und sein Einkaufsverhalten bis zum Jahr 2035. Das Problem für die Welt und auch für den Einzelhandel ist derzeit jedoch, dass das „Heute“ seit Ausbruch der Pandemie 2020 von konträren Trends geprägt wird. Hier die beschleunigte Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz (KI) und ihrem vermehrten Einsatz im täglichen Leben – bis hin zum Einkauf mit Hilfe von KI-basierten humanoiden Assistenten – dort das Aufflammen archaischer Kriege im Osten Europas und im Nahen Osten.

Als Teil dieser Welt steht auch der Einzelhandel im Spannungsfeld etwa zwischen der Aufarbeitung der Corona-Folgen und der hartnäckigen Inflation als Folge der Kriege, und den wachsenden Ansprüchen der (jungen) Kunden für die das reine Einkaufen oft nicht an erster Stelle kommt. Je länger die jungen Leute im Internet unterwegs seien, umso weniger Zeit bleibe ihnen, um einkaufen zu gehen, gibt Oliver Leisse zu bedenken. Deshalb geht es aus seiner Sicht für den Einzelhandel heute darum, die Aufmerksamkeit der Kunden wieder zu gewinnen.

Und mit Blick auf die Tatsache, dass der Handel für viele Kunden oft nicht mehr attraktiv ist, muss sich die Branche aus Sicht des Experten wieder darum bemühen, diese Aufmerksamkeit zurückzugewinnen, indem sie einen emotionalen Mehrwert bietet. Das können beispielsweise Events im Laden sein. Zudem nutzen viele Händler laut Leisse die Möglichkeiten der Digitalisierung noch nicht hinreichend, um ihr Geschäft effizienter zu führen. Dabei ist zu befürchten, dass die Zukunft mit Blick auf die Möglichkeiten durch den Einsatz von KI jede Vorstellung sprengen wird – wie der humanoide Assistent „Paul“, der mit seinem umfangreichen Wissen den Einkauf seines menschlichen Partners dominieren oder sogar selbst einkaufen kann.

Forciert durch die Corona-Lockdowns, die sehr viele Menschen dazu veranlasst haben, über ihr Leben nachzudenken, wird sich bis zum Jahr 2035 einiges ändern, ist Leisse überzeugt, und es würden sich neue Kundentypen herausbilden. Vor dem Hintergrund der Multi-Krisen, die die Menschen ermüdet haben, unterscheidet er als ersten Kunden-Typ den „Kämpfer“, der gestresst ist und deshalb erwartet, dass der Einkauf reibungslos funktioniert. Hier kann die KI viel Arbeit und Stress abnehmen, indem ein humanoider Assistent, der Infos über Angebote, Sonderangebote und Besonderheiten des Händlers hat, die Kaufentscheidung erleichtert. Wichtig ist laut Leisse, dass dieser Assistent vom Betroffenen selbst trainiert wird – nur dann kann er dem Anspruch des Menschen gerecht werden.

Es entwickeln sich ganz neue Kundentypen

Den zweiten Kundentyp, den „Künstler“, der neugierig ist und der erfreut ist, dass sich endlich etwas verändert, kann der Einzelhandel laut Leisse erreichen, indem er seine Produkte in diese neue Welt der KI hineinbringt. Denn der Künstler braucht seine Community. Den dritten Kundentyp, den „Kontrolleur“, der als Skeptiker nicht alles glaubt und auch der KI kritisch gegenüber steht, erreicht der Handel am besten, wenn er auf dessen Bedürfnis nach Wärme und Sinn eingeht. Leisse: „Wem der Kontrolleur vertraut, dem ist er auch treu.“

Mit Blick auf die Krisenresilienz, die vor allem die auf Nahversorgung fokussierten Fachmärkte und Fachmarktzentren gut durch die Krisen gebracht hat, gibt der Zukunftsforscher zu bedenken, man solle nicht davon ausgehen, dass es immer so weiter gehen werde. Auch aus Fachmärkten müssten, vor allem was die „Künstler“ anbelangt, künftig Erlebnismärkte werden.

Wie sich der Einzelhandel mit Hilfe von KI das Geschäft mit dem Kunden erleichtern kann, erläuterte Andrea Heinz, Partner Relations und Program Manager bei Gamechangerz unter der Headline „KI im Fachhandel – Chancen und Lösungen“. Und fügte in großer Überzeugung hinzu: „Wir leben heute in der absolut coolsten Zeit.“ So kann der Fachhandel mit KI personenbezogene Werbung kreieren, indem er etwa in einem Werbefilm die Farbe der dargestellten Schuhe – je nach Kundenwunsch – verändern kann, ohne ein neues Video drehen zu müssen. Auch lassen sich damit Menschen-ähnliche Influencer erschaffen, die die vom Handel gewünschten Botschaften transportieren.

„Man braucht keine reale Person mehr dafür“, sagt Andrea Heinz. Und schließlich lassen sich – in Zeiten des Fachkräftemangels – diese künstlichen Menschen (Assistenten) auch in der Kundenberatung einsetzen. Solche viele kleine Helfer könnten das Leben leichter machen, so die Expertin, die aber auch einräumt, dass die Entwicklung von KI-basierten Lösungen zum Teil sehr aufwendig ist und manche Anwendungen erst in vielen Jahren technisch realisierbar seien.

Vor diesem Hintergrund zeigte der Fachmarktimmobilien-Kongress gleichzeitig auf, dass selbst in Zeiten des technischen Fortschritts im stationären Einzelhandel auch die Arbeit mit „Brick & Mortar“ essenziell ist, wenn es darum geht, auf Kundenwünsche einzugehen und ein emotionales Einkaufserlebnis zu schaffen. Das zeigte Christian Schneider, Head of Expansion bei der Rewe Group, in seinem Vortrag über die Erfolgsstrategien und Zukunftsperspektiven des stationären Handels. Nachdem der Lebensmittelhändler aus Köln früher primär als Mieter am Markt auftrat und lieber in Lebensmittel als in Ziegelsteine investierte, setzt er nun vermehrt darauf, auch in Bestandsmärkte mit Verbesserungspotenzial zu investieren.

Auch die Arbeit mit „Brick & Mortar“ ist essenziell

In diesem Kontext erwarb das Unternehmen in Berlin-Friedrichshain, in der Revaler Straße, einen unattraktiven Markt, um ihn abzureisen und durch einen auf 2 000 qm vergrößerten, zeitgemäßen Neubau (Foto: Baumgardt Franke Architekten) zu ersetzen. In Zusammenarbeit mit der TU Berlin wurde der Markt in energieeffizientem Infraleichtbeton erbaut, für den weniger Beton verbraucht wird und der keine zusätzliche Isolierung benötigt. Auch aus Sicht des Kunden bietet der Markt laut Schneider – auch mit Blick auf das Sortiment – „Einkaufserlebnis pur“. Weitere Aufwertungsprojekte hat die Rewe Group etwa im norddeutschen Jork und in Göttingen realisiert.

Dass es bei der Revitalisierung von Handelsimmobilien heute auch auf Details ankommt, erläuterte Reinhard Mussehl, Projektentwickler bei der Hamburger HBB GmbH in seinem Vortrag über „Intelligente Fachmarktlösungen in den Innenstädten“ unter besonderer Berücksichtigung der Klein- und Mittelstädte, in denen immerhin die Mehrheit der Deutschen lebt. So musste die HBB bei der Entwicklung eines innerstädtischen Fachmarktzentrums auf dem Areal eines ehemaligen Kaufring-Kaufhauses und eines alten Parkhauses in Lübbecke auf der Verlegung des zuletzt erst erneuerten Busbahnhofs bestehen, um hier ebenerdige Parkplätze anzulegen.

„Sonst kommen die Kunden nicht“, erklärt Mussehl. Denn im Gegensatz zu den dicht besiedelten Großstädten mit ihrem ÖPNV-Netz geht in den kleineren Städten mit ihrem weit verstreuten Umland und lückenhaften Bus-Verbindungen ohne Pkw nicht viel. Hinzu kommt, dass nach Mussehls Erfahrungen für Kleinstädte ein gutes Nahversorgungsangebot in den Stadtzentren ganz wichtig ist, um die Bewohner in die Innenstädte zu locken. Das erzeugt auch Frequenz für den innerstädtischen Nonfood-Handel.

Die elementare Bedeutung der Erreichbarkeit mit dem Pkw bestätigte Fabian Kampa, Geschäftsleiter Filialnetzentwicklung bei der Tedi GmbH & Co KG, auch für den Nonfood-Handel. Nach einer starken Expansion betreibt der Discounter in seinem 20. Jubiläumsjahr 3 300 Filialen in 15 Ländern und verfolgt mit der Eröffnung von jährlich 330 Filialen eine ehrgeizige Expansionsstrategie. Dabei profitiert das Unternehmen mit seinem preisgünstigen Discount-Angebot von dem Kaufkraftverlust durch die Inflation und dem Zwang bei vielen Konsumenten, auf den Preis schauen zu müssen. Das werde sich in den nächsten zwei bis drei Jahren auch nicht ändern, ist Kampa überzeugt. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Online-Vertrieb mit Blick auf die – gemessen am Preisniveau der Tedi-Artikel – relativ hohen Versandkosten für die Discount-Kette kein Thema.

Eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft

Dass man selbst im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz erfolgreich eine Verbindung herstellen kann zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, veranschaulichten Petya Vladimirova und Angel Dimitrov, beide Geschäftsleiterin bzw. Geschäftsleiter für den Bereich Immobilien bei Kaufland in Bulgarien, anhand der langwierigen und aufwendigen historischen Revitalisierung der etwa 100 Jahre alten Markthalle in Sofia. In dem Gebäude, das unter Erhaltung der alten Architektur heute ein Angebot aus Kunst, Kultur und Gastronomie bietet, ist nun auch ein moderner Kaufland-Hypermarkt beheimatet, der von der zentralen Lage in der bulgarischen Hauptstadt und dem Ambiente der Markthalle profitiert.

Unter der Headline „Mehr Effizienz durch KI im Property Management“ schlossen Marcel Wiening, Geschäftsführer der Hahn Gruppe und Ferdinand von Klocke, Head of Real Estate bei Property Experts mit ihren Berichten über die praktischen Erfahrungen den Kreis beim Thema „Künstliche Intelligenz“. Konkret unterstützt der Spezialist Property Experts Immobilienbestandshalter wie die Hahn Gruppe dabei, den Tausendfachen unsortierten Eingang von Vergleichsangeboten von Handwerkern und Dienstleistern sowie von Rechnungen und Belegen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in automatisierten Prozessen zeitsparend zu erfassen, zu sortieren und zu bewerten. Inzwischen gibt es auch Systemschnittstellen zwischen der Hahn Gruppe und Property Experts.

So können etwa Vergleichsangebote von Handwerkern und Dienstleistern schnell daraufhin bewertet werden, ob sie marktgängig sind. In Zeiten von Arbeitskräftemangel und hohem Kostendruck sind diese Arbeits- und Zeiteinsparungen bei immer wiederkehrenden Tätigkeiten laut Wiening sehr wichtig. So müssten sich die Techniker nicht mehr mit diesen Routinetätigkeiten befassen. Im Ergebnis lassen sich durch die Automatisierung Kosten sparen und die Umsätze steigern.