Vermietungsmarkt Logistik

Die Rekordjagd geht zunächst weiter

In Kaiserslautern entsteht ein Logistikzentrum für Amazon. Foto: Amazon

rv DÜSSELDORF. Während die Investoren mit Blick auf die steigenden Zinsen inzwischen zögerlicher agieren, testete das Vermietungsgeschäft im deutschen Markt für Logistikimmobilien im ersten Halbjahr neue Rekordmarken. Die Entwicklung im zweiten Halbjahr ist noch schwer einzuschätzen.

Nach einem außergewöhnlich dynamischen Jahresstart hat sich das Vermietungsgeschäft auf dem hiesigen Logistikimmobilienmarkt in den Frühjahrsmonaten nach Feststellung des Immobilienberaters BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) auf einem sehr hohen Niveau weiter beschleunigt. Ein Flächenumsatz von 4,83 Mio. qm (inkl. Eigennutzer) im ersten Halbjahr 2022 bedeutet gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von 34% und eine neue Höchstmarke.

JLL liegt mit seinem ermittelten Flächenvolumen von 4,78 Mio. qm auf einem ähnlich hohen Niveau. Vor allem die Umsätze durch die Eigennutzer hätten mit 1,45 Mio. qm und einem Plus von 58% gegenüber Vorjahr überproportional zugelegt, berichtet der Immobilienberater. Aber auch die Umsätze im Vermietungsgeschäft erhöhten sich demnach um 8% auf 3,33 Mio. qm.

Mit Blick auf die omnipräsenten geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bleibt aus Sicht von Bastian Hafner, Head of Logistics & Industrial Advisory bei der BNP Paribas Real Estate GmbH, aber abzuwarten, wie sich die Nachfrage nach Logistikflächen in der zweiten Jahreshälfte entwickeln wird. Denn im zweiten Quartal stagnierte die deutsche Wirtschaft und der Einzelhandel verzeichnete nach Feststellung des Statistischen Bundesamtes im Juni – gemessen am Vorjahresmonat – einen drastischen Umsatzrückgang, weil sich die Bürger mit Blick auf die hohe Teuerungsrate beim Konsum zurückhalten. Nicht wenige Ökonomen sehen Deutschland inzwischen an der Schwelle zur Rezession.

Beim Blick auf das Gesamtjahr 2022 geht Hafner wegen des sehr guten Halbjahresergebnisses im Vermietungsgeschäft und der Erwartung, dass die deutsche Wirtschaft weiter Kurs halten wird, davon aus, dass beim Vermietungsvolumen der langjährige Durchschnitt von etwa 6,6 Mio. qm überschritten wird. Sarina Schekahn, Head of Industrial Leasing bei JLL Germany, hältauch das Jahresziel von 8 Mio. qm im Gesamtjahr 2022 nicht mehr für unrealistisch: „Der Wunsch nach autarken Lieferketten und Produktionsstätten in Deutschland ist größer denn je.“ Bleibt angesichts des knappen Angebots die Frage, wie schnell die gesuchten Flächen entwickelt werden können.

Das hat auch Auswirkungen auf das Mietpreisniveau, das sich in den vergangenen zwölf Monaten sehr dynamisch entwickelt hat. Laut Hafner ist angesichts des Angebotsmangels vor allem bei modernen Flächen und auf Grund der steigenden Baukosten davon auszugehen, „dass sich der Aufwärtstrend weiter fortsetzt“. Und Sarina Schekahn ergänzt, dass die Flächenknappheit in allen Regionen der Big 5 Logistikregionen ein Thema ist. Viele Gesuche könnten nicht bedient werden. Auch Projektentwicklungen könnten kurzfristig keine signifikanten Verbesserungen bringen. Das Gros der Flächen ist schon vor Fertigstellung vermietet.

Weiterer Aufwärtstrend bei den Mieten erwartet

Das eröffnet aus Sicht der Expertin jedoch Chancen für Regionen, die lange trotz guter Verkehrsanbindung als strukturschwach galten, weil sie die Flächen für Großprojekte zur Verfügung stellen können. Das gelte für Ostdeutschland, aber auch für ländliche Regionen in Westdeutschland.

Mit Blick auf den Mangel ist die Spitzenmiete im ersten Halbjahr in den. großen von BNPPRE analysierten Agglomerationsräumen – gegenüber dem Vorjahreszeitraum – im Schnitt um 9% gestiegen und die Durchschnittsmiete um 7%. Die hohe Nachfrage nach Logistikflächen in Verbindung mit den deutlich steigenden Baukosten hinterlassen Spuren.

Angeführt wird die Liste der teuersten Logistikmärkte laut BNPPRE von München mit einem Quadratmeterpreis von 8,00 Euro, was einem Plus von 11% entspricht. Berlin und Frankfurt folgen mit einem Zuwachs von jeweils 4% auf 7,50 Euro bzw. 7,30 Euro. Auf den weiteren Plätzen folgen Stuttgart mit 7,10 Euro (+1%), Hamburg mit 6,95 Euro (+9%), Düsseldorf mit 6,90 Euro (+13%), Köln mit 6,80 Euro (+17%) und Leipzig mit 4,70 Euro (+2%).

Ob die aktuellen Treiber des Logistikimmobilienmarktes, der lange Zeit wachsende eCommerce und der im Zuge der weltweiten Störungen bei den Liefer-Ketten zu beobachtende Umstrukturierungsprozess – Stichwort Near- und Re-Shoring – die Branche über die Folgen der wirtschaftlichen Eintrübungen hinwegtragen werden, muss sich im zweiten Halbjahr und vor allem 2023 zeigen. In den Wintermonaten wird deutlich, wie knapp Gas wirklich ist und welche Folgen das für die Unternehmen hat. Und der drastische Einbruch beim Konsumklima könnte darauf hindeuten, dass der private Konsum als Konjunkturstütze ausfällt. Auch die Erlöse im Internet/Versandhandel gingen im Juni real um 15,5% und nominal um 10,7% zurück.

Kommt die Logistikbranche gut durch den Abschwung?

Der Blick auf die drei großen Branchen und ihren Anteil am Vermietungsumsatz zeigt laut BNP Paribas Real Estate, auf welch breitem Fundament der Markt gegenwärtig steht. So kommen Industrie/Produktion, der Bereich Handelsunternehmen und die Logistikdienstleister jeweils auf einen Marktanteil von über 31%. „Alle drei Branchen verzeichnen deutlich überdurchschnittliche Halbjahresresultate und eine wesentliche Steigerung des Flächenumsatzes gegenüber dem bereits sehr starken Vorjahr“, schreibt der Immobilienberater.

Im Einzelnen erzielten die Logistikdienstleister gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Wachstum von 19%, die Handelsunternehmen von 21% und der Bereich Industrie/Produktion von knapp 77%. Zu den größten Abschlüssen im Handelssegment gehören laut JLL die beiden Anmietungen von Amazon in Erfurt (225 000 qm) und in Kaiserslautern (189 000 qm).

Auch der Eigennutzeranteil ist gegenüber dem Vorjahr weiter auf nunmehr knapp 33% gestiegen. Dazu trugen vor allem die Fertigungsstätten wie das Tesla-Werk mit 327 000 qm nahe Berlin und die Produktionsanlage des Bauelemente-Herstellers Nokera mit 116 000 qm in Möckern bei Magdeburg bei. Hinzu kommen mehrere Flächen für Produktions- und Industrieunternehmen in der Größenordnung von mehr als 20 000 qm im zweiten Quartal.

Dazu gehören die 50 000 qm für die auf High-Tech Klimalösungen spezialisierte Trotec in Heinsberg, die 45 000 qm für die auf Medizintechnik spezialisierte ITD in Pfarrkirchen und die 32 000 qm für den Schuhhersteller Birkenstock in Pasewalk.

Dass auch der Anteil der Neubauflächen am Flächenumsatz auf gut 70% gestiegen ist, liegt laut BNPPRE an dem in vielen Logistikregionen herrschende Angebotsmangel bei Bestandsobjekten. Zudem hätten viele Branchen heute deutlich höhere Anforderungen. Hier dürfte nicht zuletzt auch das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine Rolle spielen.