Investmentmarkt Retail: Zurück an die Spitze

Die Preisfindungsphase zieht sich hin

Größter Deal im ersten Quartal: Anteilsverkauf am KaDeWe. Foto: Signa

Die Immobilienbranche ist ein schwerfälliger Tanker. Denn die Folgen der Zinswende durch den ungewöhnlich schnellen Anstieg der Zinsen im Jahresverlauf 2022 lassen sich erst Anfang 2023 so richtig an den Zahlen des Investmentmarkts ablesen. Mit 7,8 Mrd. Euro (JLL) lag das Transaktionsvolumen im Gewerbeimmobilienmarkt um gut 72% unter dem Vorjahresniveau. Retail Assets unterboten mit 1,5 Mrd. Euro den Vorjahreswert zwar auch um etwa ein Drittel, doch erreichten sie mit gut 30% erstmals seit 2011 wieder den höchsten Anteil am Transaktionsvolumen.

Für Christoph Scharf, Geschäftsführer und Head of Retail Services bei BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) ist diese Marktentwicklung ein deutliches Indiz für das über alle Asset-Klassen hinweg schwierige Investmentmarktumfeld für Verkäufer und Investoren. Logistikimmobilien – zuletzt die Shooting-Stars der Branche, weil sie vom Strukturwandel vielfach profitieren – blieben mit einem Transaktionsvolumen von nur 795 Mio. Euro (Cushman & Wakefield) um 79% unter dem Vorjahreswert – und dass, obwohl die Flächennachfrage sehr hoch ist. Bei Büroimmobilien lag der Rückgang laut Cushman & Wakefield (C&W) bei 90%. Hier wird erst jetzt erkennbar, wie stark sich Homeoffice nach Corona in der Arbeitswelt ausbreitet und den Büromarkt beeinflusst.

In diesem Umfeld musste auch das Segment Handelsimmobilien mit einem Transaktionsvolumen, das die Immobilienberater in der Bandbreite von 1,3 Mrd. Euro (CBRE), 1,5 Mrd. Euro (BNPPRE, Colliers), 1,6 Mrd. Euro (C&W) und 1,7 Mrd. Euro (JLL) sehen, und das mit dem Verkauf einer Beteiligung von 49,9% am Edel-Warenhaus KaDeWe durch die Signa-Gruppe an die thailändische Central Group den größten Deal stellte, im Jahresvergleich Federn lassen – auch wenn der Rückgang mit etwa einem Drittel deutlich geringer ausfiel als in anderen Asset-Klassen.

So beobachtet der Immobilienberater JLL, dass die Investoren nach wie vor extrem zurückhaltend agieren, wobei sich vor allem die aktuelle Unsicherheit über die weitere Konjunktur- und Zinsentwicklung als stärkster Bremsklotz erweist. „Erst wenn sich eine gewisse Stabilisierung zeigt, kann der Fuß von der Bremse genommen werden und dann werden auch wieder Transaktionen in signifikanter Größenordnung stattfinden“, gibt sich Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany, optimistisch. Angesichts der veränderter Finanzierungskonditionen inklusive Marge von 4% müssen sich die Verkäufer aus seiner Sicht „an neue Realitäten“ gewöhnen – was vielen nach zwölf Jahren Super-Boom noch schwerfällt.

Die aktuelle Patt-Situation resp. Hängepartie zwischen Käufern und Verkäufern, unterlegt Jan Eckert, Head of Capital Markets bei JLL DACH, mit Zitaten von Käufern, wie: „Ich kaufe doch jetzt nicht zum 25fachen“ und von Verkäufern wie: „Ich verkaufe doch jetzt nicht zum 25fachen“. Der Immobilieninvestmentmarkt befinde sich in einer „klassischen Bid-ask-Falle“. Dieser Knoten kann aus seiner Sicht erst gelöst werden, wenn sich die Lage an der Zinsfront stabilisiert. Laut Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills, ist diese Patt-Situation vor allem im Core-Segment zu beobachten.

Vieles hängt von der weiteren Zinspolitik ab

So wird es laut Nico Keller, Deputy CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland, maßgeblich darauf ankommen, wie sich die Zentralbanken verhalten und vor allem mit welchem Tempo sie ihren eingeschlagenen Kurs der Leitzinsanhebung zur Inflationsbekämpfung weiterverfolgen, da direkte Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen unausweichlich sind. Dass die Preisfindungsphase in Deutschland noch eine Weile anhalten wird, ist aus seiner Sicht schon aus dem sehr niedrigen Investmentvolumen zu Jahresbeginn 2023 abzuleiten.

Nach Feststellung von Alexander Kropf, Head of Capital Markets Germany bei C&W, sind sich die Marktakteure denn auch darüber im Klaren, dass die Renditen weiter steigen resp. die Preise weiter sinken müssen, „damit es wieder mehr Transaktionen gibt“. Er geht davon aus, dass die Korrekturphase noch einige Monate anhalten wird, bis sich Verkäufer und Käufer in kleinen Schritten von beiden Seiten an ein als „nachhaltig bewertetes Preisniveau“ herangetastet haben. Auch für Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Germany deutet derzeit wenig auf eine kurzfristige Entspannung an den Investmentmärkten hin. Kropf erwartet ein Platzen des Knotens im letzten Quartal.

Laut Marcus Lemli signalisieren einerseits etliche institutionelle Investoren, die noch Geld haben, ihr Kaufinteresse, andererseits deute sich an, „dass sie wesentlich weniger zusätzliches Geld für Immobilieninvestitionen einsammeln als in den letzten Jahren“. Eigentümern mit Verkaufsabsicht, die nicht den langen Atem haben, noch einige Jahre zu warten, empfiehlt er, die Objekte jetzt an den Markt zu bringen „und nicht auf eine baldige Zykluswende“ zu hoffen.

Nachdem die Spitzenrenditen im vergangenen Jahr bereits in allen Anlage-Klassen angezogen hatten, hat sich der Anstieg laut BNPPRE im ersten Quartal in der Breite fortgesetzt. Im Bürosegment stiegen die Netto-Spitzenrenditen demnach im Schnitt um etwa 30 Basispunkte. Für die sieben Top-Städte ermittelte JLL einen Durchschnittswert von 3,53% – ein Plus von 90 Basispunkten gegenüber dem ersten Quartal 2022. Bei Logistikobjekten lag der Anstieg bei 97 Basispunkten auf 3,93%.

Spitzenrenditen auf breiter Front gestiegen

Dass dagegen die Spitzenrenditen bei innerstädtischen Geschäftshäusern im Jahresverlauf 2022 noch etwas länger gehalten werden konnten als bei Büro- oder Logistikobjekten, begründet der Immobilienberater damit, dass der Markt schon seit mehreren Jahren durch Seitwärtsbewegungen geprägt war. Mit dem deutlichen Anstieg der Marktzinsen in der zweiten Jahreshälfte 2022 sei es aber auch im Premium-Highstreet-Sektor kaum möglich gewesen, die hohen Preise zu halten – ein Trend, der sich seit dem Jahreswechsel fortsetzt.

Der Immobilienberater CBRE ermittelte für Geschäftshäuser in den vergangenen zwölf Monaten einen Anstieg der Spitzenrenditen um 0,9 Prozentpunkte auf einen Durchschnittswert von 4,09%, wovon 0,2 Prozentpunkte auf das erste Quartal 2023 entfielen. Bei Shopping-Centern, die schon seit Jahren mit dem Strukturwandel im Einzelhandel konfrontiert sind, verzeichneten Objekte in A-Lagen im Vorjahresvergleich einen Anstieg um 0,3 Prozentpunkte auf 5,1% und in B-Lagen von 0,6 Prozentpunkten auf 6,5%. Seit Jahresende 2022 gab es laut CBRE hier keine Veränderung mehr.

Obwohl sich die Lebensmittelmärkte auf Grund ihrer Versorgungsfunktion in den vergangenen Jahren gut geschlagen und Krisenresistenz bewiesen haben, erhöhten sich die Spitzenrenditen im ersten Quartal laut CBRE hier um weitere 0,2 Prozentpunkte auf 4,5% – vor einem Jahr lag der Wert noch bei 3,5%. Die gleiche Spitzenrendite erreichen Fachmärkte und Fachmarktzentren nach einem Anstieg von 0,9 Prozentpunkten im Jahresvergleich und von 0,2 Prozentpunkten im ersten Quartal.

Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland, erwartet, dass die Renditen im Jahresverlauf „weiter moderat nach oben gehen, wenngleich wir das Gros der Korrekturen schon hinter uns haben dürften“. Die verkaufshemmenden Effekte in der schwierigen Preisfindungsphase verdeutlicht Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers, am Beispiel des Verkaufs von 13 Nahversorgungszentren aus dem Oceans-Portfolio an die zum Edeka-Verbund gehörende CEV, der nach monatelangen Verhandlungen erst kurz vor der Jahreswende besiegelt werden konnte.