Fachmarktimmobilien-Kongress

Die Preise oder die Zinsen müssen runter

Viel Holz im neuen Green Farming Markt in Erbenheim. Foto: Rewe

Die Corona-Pandemie, die 2021 noch die Regeln diktierte, hat der 13. Fachmarktimmobilien-Kongress in diesem Jahr hinter sich gelassen. Doch die Probleme und Herausforderungen für die Branche sind nicht weniger geworden, wie die Vorträge und Diskussionen zeigten.

Die Zeitenwende habe schon eingesetzt, bevor die Veränderungen durch Corona und die folgenden Krisen offensichtlich wurden, wie Dirk Ziems, Managing Partner beim Marktforscher und Berater Concept m Research & Consulting beim Fachmarktimmobilien-Kongress in Frankfurt/M. darlegte. Sein Thema: „Wie der kulturelle Wandel den Markt für Fachmarktimmobilien und das Verhalten der Kunden beeinflusst.“ Schon vor Corona habe sich das Ende der „Maximierungskultur“ der 2010er-Jahre abgezeichnet. Die war geprägt von Grundsätzen wie „Do or die“, vom „gierigen Konsumenten“, der alles und das sofort haben möchte, einer ausgeprägten „Ich-Zentrierung“ und einer umfassenden Gier nach immer mehr.

Diese Sucht nach immer mehr Selbstinszenierung mündete schließlich in einer Sinn-Entleerung, die laut Ziems auch die gängigen Marken nicht unberührt ließ und letztlich zu einer fundamentalen Verunsicherung führte. Für viele stellte sich die Frage, welche Leitbilder überhaupt noch funktionieren, und es entstand eine extreme Sehnsucht nach „Renaturierung“ – etwa nach dem Leben eines Bauers vor 150 Jahren. Dieser Maximierungskultur folgt nun die „Rückzugskultur“, die durch die Zwangsisolation in der Pandemie noch verstärkt wurde.

Dass dieser Wandlungsprozess aber noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt der Blick in den „schizophrenen Kühlschrank“, in dem sich gleichermaßen super Energie-Drinks finden und gesundheitsbewusste sowie nachhaltige oder vegane Lebensmittel. Oder die Menschen kaufen ein Elektroauto, das aber 265 Stundenkilometer fahren soll oder sie fliegen mal eben mit dem Jet nach Thailand. Der Gesinnungswandel ist laut Ziems inkonsequent, weil die Menschen spüren, dass sie den neuen Lebenswandel nicht durchhalten können.

„Wir sind in einer Übergangsphase“, fasst der Marktforscher den Status Quo zusammen. Besonders hart ist die Werbung betroffen, die vor der Frage steht, mit welchen Bildern sie vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs noch arbeiten kann. Positiv kommt in diesem Szenario die Bank rüber, die damit wirbt, dass sie den Kunden Rückendeckung gibt. Und der stationäre Einzelhandel kann davon profitieren, dass die Kunden ihm gegenüber ein Schutzbedürfnis entwickeln und dass sie nicht mehr nur die kontaktlose Distanz des Internet-Handels wollen. Menschen wollen ein soziales Event und beim Einkaufen ein Erfolgserlebnis.

Preisschlachten gewinnt meist der Online-Handel

Positivbeispiele sind für Ziems Marken wie Desigual, die mit ihrer farbenfrohen Kollektion Lebensfreude vermitteln, und Butlers, die mit ihren Läden und Warenpräsentationen zum Stöbern animieren und zur Schatzsuche. Deshalb empfiehlt der Berater den Immobilieneigentümern bei den Einzelhändlern auf die Markenbotschaft zu achten. Denn Unternehmen, die vornehmlich auf Preisschlachten setzen, seien nicht gut, da diese Schlachten meist vom Online-Handel gewonnen würden.

Wie sich diese Übergangsphase in der (Fachmarkt)Immobilien-Szene äußert, brachte Jörn Burghardt, Geschäftsführer der GPEP GmbH mit den Worten auf den Punkt: Im vergangenen Jahr habe der Kaufpreis für Fachmarktimmobilien noch beim 30-Fachen gelegen – und viele dürften damals geglaubt haben, dass dies angesichts der hohen Nachfrage so bleibt. „Jetzt hat uns die Realität eingeholt und wir sind auf dem entgegengesetzten Weg“, so der Geschäftsführer.

Kriegsfolgen, Lieferengpässe, fortschreitende Inflation und sehr schnell und drastisch steigende Zinsen haben die Immobilienwelt nach einem zehn Jahre währenden Boom – ausgelöst durch eine viel zu lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) – in relativ kurzer Zeit auf den Kopf gestellt und bei den Marktakteuren für Verunsicherung gesorgt.

Ein Kernproblem der Branche ist nach den Worten von Thomas Thein, Leiter Fund Advisory bei der GRR Real Estate Management GmbH, dass viele institutionelle Investoren mit den steigenden Zinsen wieder Alternativen zu ihren Immobilieninvestments finden, die zudem risikolos sind.

Um hier mithalten zu können, müssen Fonds-Gesellschaften höhere Renditen bieten. Das gelingt nach Theins Worten aber nur, wenn die Preise runter gehen. Auch Florian Lauerbach, Geschäftsführer der ILG-Gruppe ist überzeugt: „Es muss etwas passieren. Entweder müssen die Preise oder die Marktzinsen sinken.“ Die Renditen seien noch nicht dort, wo sie hingehören, findet auch Roman Müller, Senior Investment Manager bei Union Investment, der bei den Verkäufern eine sehr abwartende Haltung sieht. Es sei schwer, im Fachmarktimmobilienmarkt an Produkte zu kommen.

In diesem Spannungsfeld aus zu hohen Zinsen und zu hohen Kaufpreisen geht Thein davon aus, dass die Verkäufer wohl schneller reagieren müssen. Denn dass die Zinsen in der nächsten Zeit schnell sinken, glaubt kaum jemand im Markt, da die Inflation noch geraume Zeit hoch bleiben wird. Ein großer Teil der Erhöhungen bei den Erzeugerpreisen wurde noch nicht an die Verbraucher weitergegeben. Mittelfristig könnten sich die Zinsen zwischen 3,0 und 3,5% einpendeln.

Wie der Einzelhandel in diesem Krisenszenario reagiert, zeigten beispielhaft Martin Konradi, Bereichsleiter Expansion bei der Drogerie-Kette dm und Florian Riehn, Regionalleiter Expansion beim Discounter Netto, die beide von der Pandemie profitierten und ihr Filialnetz vor allem in den großen Städten verdichten wollen. Nonfood-Händler, die von Zwangsschließungen betroffen waren, sind da weniger expansiv.

Netto und dm setzen auf langfristige Mietverträge

Netto sucht laut Riehn Flächen in der Größenordnung von 500 bis 1 200 qm, wobei sich das Unternehmen in den Innenstadt-Lagen meist mit kleineren Flächen begnügen muss. Attraktiv für Vermieter: Der Lebensmittel-Discounter schließt an allen Standorten Mietverträge für 10 bis 15 Jahre ab. Bei dm sind laut Konradi zehn Jahre Standard. Mit Blick auf die Bindung vieler Verträge an die Inflationsrate beklagt der Regionalleiter jedoch, dass das Unternehmen bereits zwei Mietanpassungen hinnehmen musste. In Verbindung mit den steigenden Preisen für Energie muss die Branche deshalb darauf achten, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.

Das gilt – angesichts der explodierenden Materialkosten – auch bei Neubauten, bei denen laut Riehn genau geprüft werden muss, ob sie noch wirtschaftlich sind. Um die Nebenkosten im Griff zu behalten, setzt Netto vermehrt auf Wärmepumpen. Und bei den neuen Filialen, die heute ein viel ansprechenderes Aussehen haben als traditionelle Märkte, kommt – im Interesse der ESG-Kriterien – nur noch Holz zum Einsatz.

Dass die Immobilienwirtschaft und der Einzelhandel kaum noch eine Chance haben, das Thema Nachhaltigkeit auszuklammern und die Branche bei der Neuausrichtung des Bestands vor einer riesigen Aufgabe steht, liegt auch an den Investoren, bei denen der Druck nach Beobachtung von Thomas Thein inzwischen sehr groß ist. Die Angst vor „Stranded Assets“ wächst.

Deshalb geht es laut Christian Schröder, COO der MEC Metro ECE Centermanagement, bei Handelsimmobilien auch nicht mehr um „Manage to Core“, sondern um „Manage to Future“, denn zwei Drittel der Immobilien, die 2050 laut EU-Taxonomie Verordnung „klimaneutral“ sein sollen, sind heute schon gebaut. Union Investment hat laut Müller für die Anpassung der Bestandsimmobilien an ESG-Kriterien ein ganzes Team gebildet. Ein Problem ist dabei, da war sich die Diskussionsrunde einig, dass es noch kein klares Bild davon gibt, wie die Umsetzung gelebt werden soll. Zwar sehen laut Burghardt viele Businesspläne schon die Umrüstung etwa von Heizungen auf grüne Energie vor, doch ist es laut Schröder nicht immer ganz einfach, solche Pläne zeitlich vorzuziehen, wenn die Kosten wie jetzt durch die hohen Zinsen und die hohen Preise für Material einfach aus dem Ruder laufen würden.

Investoren machen bei ESG viel Druck

Mit Blick auf das viel diskutierte Thema Mischnutzung  und Nachverdichtung ist es nach den Worten von Pepijn Morshuis, CEO der Trei Real Estate, nicht möglich, etwa die bestehenden Fachmarktimmobilien oder Fachmarktzentren mit Wohnungen zu überbauen.  Das sei auf Grund der Statik nicht möglich.

Das geht dann nur durch Neubau, wie beispielsweise das Projekt der Rewe Group in der Bergstraße in Dresden zeigt. Nach den Worten von Christian Schneider, Head of Expansion bei Rewe, hat das Unternehmen das Grundstück 2005 erworben. Am Ende entstand hier ein Lebensmittelmarkt mit 2 700 qm und darüber auf fünf Etagen Raum für die TU Dresden. Gemessen am Bau eines Lebensmittelmarkts war das Projekt laut Schneider sehr anspruchsvoll etwa beim Brandschutz und bei der Statik. Doch es sei heute notwendig, diesen Weg zu gehen.

Mit ihren Supermärkten nach dem Green-Building Konzept hatte sich die Rewe Group schon vor Jahren auf den grünen Weg gemacht. Mit dem neuen Green-Farming-Markt in Wiesbaden Erbenheim mit viel Ambiente in Holz und der Zucht von Basilikum und Barschen auf dem Dach, frisch für den Verkauf, hat das Unternehmen ein weiteres Zeichen gesetzt. Auch mit diesem Konzept will Rewe weiter expandieren.

Jenseits von Green Building und ESG gehört zum Lebensmittelkauf der Zukunft auch der Einsatz von neuen Technologien wie beim Rewe-Konzept Pick & Go, bei dem die Waren, die die Kunden täglich und rund um die Uhr hier einkaufen können, automatisch erfasst und abrechnet, ganz ohne Personal. Den Pilot-Laden in Köln hätten die Rewe Vorstände immer wieder besucht und versucht, Ware zu verstellen und das System auszutricksen. Nachdem Schwachstellen so aufgedeckt werden konnte, lässt sich das System laut Schneider nun nicht mehr austricksen. Beim Bezahlen bestehe über 99% Genauigkeit.