Insolvenzwelle im Textil- und Schuhhandel

Die Politik trägt einen großen Teil der Verantwortung für die Fehlentwicklung

Im Zuge der Insolvenz hat Görtz seine Top-Filiale in Düsseldorf geschlossen. Foto: Görtz

HIR DÜSSELDORF:Die aktuelle Welle spektakulärer Insolvenzen im Mode- und Schuhhandel – von Peek & Cloppenburg über Gerry Weber und Reno bis hin zu Görtz – sorgt nicht nur die Vermieter, Städte und Konsumenten. Sie sorgt nach Feststellung des Handelsverbands Textil, Schuhe, Lederwaren (BTE) auch für viel Diskussionsstoff in der Modebranche selbst.

Grund für die Verärgerung unter etlichen Einzelhändlern aus der Mode-Branche ist laut Spitzenverband die Befürchtung, dass sich das eine oder andere Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, das etwa bei Miet- und Arbeitsverträgen Sonderkündigungsrechte ermöglicht und die Zahlung der Löhne für drei Monate durch die Agentur für Arbeit übernommen wird, „zum Schaden Dritter“ sanieren möchte. Dadurch werde auch die Wettbewerbsposition gesunder Mitbewerber auf Kosten der Allgemeinheit beeinträchtigt, so die Sorge von so manchen Branchenvertretern.

Nach Feststellung des Handelsverbands Textil, Schuhe, Lederwaren (BTE) sehen vor allem die Mittelständler in der Schuh- und Textilbranche, die mit ihrem Vermögen für ihr wirtschaftliches Handeln haften, eine Ungleichbehandlung und befürchten, „dass Unternehmen mit einem nicht rentablen Geschäftsmodell durch die Entschuldung per Insolvenz künstlich am Leben gehalten und damit notwendige Marktbereinigungen verhindert werden“.

Hinzu kommt aus Sicht der Kritiker, dass die aktuellen Insolvenzen die Reputation und das Image der gesamten Textil- und Schuhbranche schädigen: „Das hat merkliche Auswirkungen auf alle Unternehmen - vom Banken-Rating bis zum Recruiting guter Mitarbeiter und Auszubildender im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftszweigen“, schreibt der BTE: Problematisch sei vor allem das Risiko, dass für die Branche wichtige Lieferanten durch Forderungsausfälle in die Insolvenz getrieben würden.

Trotz dieser nachvollziehbaren Kritikpunkte gibt der Verband andererseits aber auch zu bedenken, dass zum einen gesetzlich klar geregelt ist, wann eine Insolvenz angemeldet werden muss. Es gibt klare Vorgaben und Fristen und vergleichsweise wenigBewertungsspielraum. Gleichzeitig machen sich die Verantwortlichen der betroffenen Unternehmen strafbar(!), wenn sie einen Insolvenzantrag auch nur verschleppen. Zum andern ist es laut BTE kaum möglich, willkürlich eine Insolvenz kurzfristig herbeizuführen. Denn der Insolvenzverwalter prüft alle Vorgänge der letzten drei Jahre und kann für das Unternehmen nachteilige Verträge oder Vorgänge anfechten.

Zudem gibt der Verband zu bedenken, dass gerade Großbetriebe in teuren Frequenzlagen überdurchschnittlich unter den Corona-Beschränkungen gelitten haben und viele von ihnen noch nicht das Umsatzniveau von 2019 erreichen. Hinzu kommt, dass die Branchenriesen anfangs keine Überbrückungshilfe beantragen durften und auf KfW-Kredite ausweichen mussten, die nun zur Rückzahlung anstehen. Zum Ende der Pandemie waren die umsatzstarken Ketten zwar ebenfalls antragsberechtigt, wegen der Deckelung der Hilfszahlungen wurde aber oft nur ein Bruchteil der angefallenen Verluste (z.B. hohe City-Mieten) ausgeglichen. Viele Mittelständler erhielten dagegen Überbrückungshilfen im zweistelligen Prozentbereich vom Umsatz.

Insofern muss sich die Politik laut BTE einen großen Teil der Schuld an der aktuellen Insolvenzwelle anrechnen lassen, deren – erwiesenermaßen ungerechtfertigten – Verkaufsbeschränkungen nicht ausreichend kompensiert wurden und jetzt mit einem Timelag die gesamte Branche schädigen! Angesichts dieser – sachlich nicht nachvollziehbaren – politischen Benachteiligung der Großbetriebe war eine Schieflage mancher Filialisten laut BTE bereits im Vorfeld zu befürchten. Denn drei Krisen-Jahre in Folge gefährden selbst die Existenz gesunder Unternehmen.