Hansestadt Hamburg

Die Mönckebergstraße stellt sich neu auf

Die ehemalige Kaufhof-Filiale steht derzeit leer. Foto: Kaufhof

Die Probleme in den deutschen Innenstädten sind sattsam bekannt. Hamburgs wichtigste Einkaufsmeile, die Mönckebergstraße, steht vor einem besonders großen Umbruch. Hier bleibt buchstäblich kaum ein Stein auf dem anderen.

Während es in anderen Teilen der City langsam aufwärts geht, liegen die Besucherzahlen im nördlichen Teil der Mönckebergstraße weit unter der Vor-Corona-Zeit. Allerdings war der Umbruch im Einzelhandel hier schon vorher zu spüren; zwischen Rathaus und Hauptbahnhof gab es immer wieder Geschäftsschließungen.

Verschwunden sind Stadium, Salamander und Esprit. Nur teilweise sind die Flächen neu vermietet. Neu gekommen sind die Schuhmarke Doc Martens und Candy World mit internationalen Süßigkeiten. Im Herbst ziehen die dänische Bäckereikette Copenhagen Coffee-Lab und der Computer- und Multimedia-Händler Cyberport ein, der zuvor Untermieter im Kaufhof war. Auch der Maßschneider Mond of Copenhagen lässt sich hier nieder. Namen mit Strahlkraft sind nicht dabei.

Vor allem die U-Bahn-Baustelle an der Mönckebergstraße beeinträchtigt den Einzelhandel im oberen, höchstfrequentierten Abschnitt. Zwischen Barkhof und Lange Mühren stehen vor der gesamten Front hohe Bauzäune, betroffen ist auch das Levantehaus mit über 40 Läden, Gastronomiebetrieben und dem Park Hyatt Hotel.

Die Erneuerung eines Tunnels und die Umrüstung auf barrierefreie Zugänge wird bis zum Frühjahr 2022 dauern. Und die nächste Großbaustelle – quasi nebenan – steht schon fest. Mitte 2022 wird das ehemalige C&A-Gebäude abgerissen. Hier entsteht ein Neubau im Stil der Hamburger Kontorhäuser, die Bauzeit ist auf drei Jahre veranschlagt. Auch das Einkaufszentrum Perle gegenüber vom Gerhard-Hauptmann-Platz, das erst vor wenigen Jahren aufwändig modernisiert worden ist, steht nach dem Verkauf der ehemaligen Landesbank-Passage vor einem Umbruch. Die Verträge der Mieter laufen nur noch bis 2026.

Mieter verloren hat auch das Levantehaus, das sich wie der gesamte Häuserblock im Eigentum der Familie Bach befindet. Gegangen ist u.a. die türkische Modekette Yargici, die sich vom deutschen Markt zurückgezogen hat, und die Zara-Schwester Massimo Dutti. Allerdings sind die meisten Flächen neu besetzt. So sind das Bürstenhaus Carl Töddensen und die Modekette Scotch & Soda neu eingezogen. Auch der Stiftehersteller Faber-Castell, bereits am Neuen Wall vertreten, eröffnet eine weitere Filiale im Levantehaus. Von dem bevorstehenden Abriss des 1965 erbauten C&A-Gebäudes wird das Levantehaus als Nachbar aber stark betroffen sein.

Hier, an der Mönckebergstraße 9, könnte aber die notwendige Erneuerung der Straße beginnen. Der Eigentümer Redevco Services Deutschland GmbH will bei seinem Neubau auf einen Branchenmix setzen, der zur Belebung der Innenstadt beitragen dürfte. Der Entwurf des Londoner Architektenbüros Sergison Bates Architects, Sieger im Architekturwettbewerb, sieht auf drei Geschossen (UG, EG plus 1. OG) Einzelhandel vor. Namen der Mieter sind noch nicht bekannt.

Neuentwicklung in der Mönckebergstraße 9

Der größte Teil des Backsteinbaus mit 15 000 qm Nutzfläche auf zehn Etagen soll ab der 2. Etage zwei Hotels beherbergen, ein Hyatt Boutique Hotel mit 185 Zimmern und eine Art Boarding House der SV-Hotel-Group mit 85 Studios. Dazu sind Gastronomie mit Außenflächen geplant. Spektakulär soll die oberste Etage werden, die samt Dachterrasse für Gastronomie reserviert wird.

Auch dem Karstadt-Haus auf der gegenüberliegenden Seite, der Mönckebergstraße 16, könnte ein Umbau bevorstehen. Um die Corona-Folgen zu bewältigen will sich der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof neu aufstellen. Fast die Hälfte der 131 Häuser soll umgebaut werden, wie CEO Miguel Müllenbach dem Handelsblatt sagte. Angedacht sei, mit den Konzepten „Weltstadthaus“, „Regionaler Markt“ und „lokales Forum“ drei Typen von Warenhäusern zu konfigurieren, orientiert an der Größe und den Gegebenheiten der jeweiligen Stadt. Im Oktober will der Konzern das neue Konzept mit drei umgebauten Pilotfilialen in Frankfurt, Kassel und Kleve und seinem neuen Onlineauftritt vorstellen. Hamburg ist also nicht dabei. In einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt hatte Müllenbach aber gesagt, dass der Standort Mönckebergstraße in die Kategorie „Weltstadthäuser“ fallen werde. Was mit der leer stehenden Karstadt-Sports-Filiale an der Mönckebergstraße 2-4 wird, ist noch unklar. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz, gilt aber als schwer teil- und damit vermietbar. Eigentümer des Gebäudes ist die R&V-Versicherung.

Es halten sich Gerüchte, dass C&A interimsweise in die Immobilie einziehen könnte, auch die Namen von Primark und Decatlon werden gehandelt. „Das könnte passen und sei auch plausibel“, meint Olaf Petersen, Geschäftsführer der Comfort Research & Consulting GmbH. Bisher seien das aber nur Spekulationen, möglicherweise sei auch das Delta bei der Miete noch zu hoch. Unklar scheint auch die Zukunft des auf der gegenüberliegenden Seite stehenden Kaufhof-Gebäudes. Das denkmalgeschützte Backsteingebäude im Eigentum der Wüstenrot & Württembergische AG ist offensichtlich sanierungsbedürftig. Die klassische Kontorhausfassade ist mit Netzen bespannt, weil sich Steine zu lösen drohten. Die Schließung des Kaufhofs (Foto: Kaufhof) - und von Karstadt Sports - am Anfang der Mönckebergstraße sind eine besondere Belastung, da damit das Entrée in die City fehlt. In den Kaufhof-Eingängen haben sich schon Obdachlose niedergelassen.

Viele Ideen für den früheren Kaufhof

In den vergangenen Monaten gab es Gespräche mit Stadt und Bezirk, viele Bürger äußerten in Stadtwerkstätten ihre Meinung. Ideen gibt es viele, unter anderem wird das frühere Kaufhaus als Standort für ein Haus der digitalen Welt oder für das in Planung befindliche Naturkundemuseum gehandelt.

„Das könnte grundsätzlich eine gute Lösung sein“, so Petersen. Auf Grund der gut erreichbaren Lage sei der Standort mit dem schönen Anschluss an das Kontor-Hausviertel für Touristen und für Bürger aus dem Großraum Hamburg attraktiv. Wirtschaftlich funktioniere das aber nur, wenn sich die öffentliche Hand mit engagiere. Ähnliches gelte für Nutzungen aus den Bereichen Dienstleistung, Gesundheit, Bildung und Kultur. Übergangsweise sind die Mö-City-Apotheke, Dat Backhus, ein dm und die BG Klinik hier eingezogen. Auch das Parkhaus hat wieder geöffnet.

Grundsätzliche Umgestaltungen sind laut Petersen sicherlich eine Chance, um mehr Vielfalt und innovative Ansätze in die Straße zu bringen: „In fünf Jahren wird Hamburgs wichtigste Einkaufsstraße völlig anders aussehen“, ist er überzeugt. Der Einzelhandel bleibe wichtiger Bestandteil, werde aber nicht mehr die bisherige Dominanz haben, auch Mode werde schwächer sein. Hier gibt es schon länger Probleme: „Die Hälfte der Betriebe im Bereich Mode/Bekleidung sieht ihre unternehmerische Existenz in akuter Gefahr“, sagt Brigitte Nolte vom Handelsverband Nord. Die Insolvenzen von Tally Weijl, Esprit, Adler oder Hallhuber zeigen die Probleme.

Sinkende Mieten und der Trend zu kleineren Flächen geben anderen Branchen wie Gastronomie, Lebensmittel, Drogerieartikel, aber auch Einrichtungs- oder Sportkonzepten die Chance nachzurücken. Damit könne sich ein lebendigerer und abwechslungsreicher Mix etablieren, so Petersen.

Um die Stadt schnell wieder zu beleben, hat der Senat einen Fonds mit 9 Mio. Euro für kreative Zwischennutzungen von leerstehenden Ladenflächen beschlossen. Und Hamburg investiert 29 Mio. Euro in die Neugestaltung des öffentlichen Raumes, Plätze wie der Gerhard-Hauptmann-Platz an der Mönckebergstraße zählen ausdrücklich dazu. Diese Mittel wurden in den Doppelhaushalt für 2021/22 eingestellt. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll der Betrag auf 50 Mio. Euro wachsen. Auch die Handelskammer und sechs Verbände (City Management Hamburg, DEHOGA Hamburg Hotel- und Gaststättenverband e.V., Handelsverband Nord e.V., Tourismusverband Hamburg e.V., Trägerverbund Projekt Innenstadt e.V., Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V.) hatten sich zu einem „Bündnis für die Innenstadt“ zusammengeschlossen und Konzepte entwickelt.

Ein Manko der Mönckebergstraße ist der Busverkehr, der laut Petersen gerade den  belebtesten Teil belastet. Wie viele andere aus der Branche hofft auch er, dass der Busverkehr auch nach den Baumaßnahmen während einer längeren Testphase in der parallel verlaufenden Steinstraße verbleibt.