HIR DÜSSELDORF: Die Unterschiede in Europa sind seit dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 immer noch sehr beachtlich. Das zeigt auch der Vergleich der Einzelhandelskaufkraft in den 25 von der GfK untersuchten Ländern Europas, die jüngst veröffentlicht wurde. Dabei ist die Liste der betrachteten Länder nicht identisch mit den Ländern der Europäischen Union (EU).
In absoluten Zahlen summiert sich die Einzelhandelskaufkraft laut GfK auf 3,4 Bio. Euro. Im Durchschnitt betrachtet können die Bürger in den 25 europäischen Ländern damit zwar 6 517 Euro pro Kopf und Jahr im Einzelhandel ausgeben, doch nimmt man die Länder einzeln unter die Lupe, dann reicht die Bandbreite von durchschnittlich 12 067 Euro pro Kopf im EU-Land Luxemburg am oberen Ende und dem Nicht-EU-Land Schweiz mit 11 617 Euro auf Platz zwei bis hin zu den 2 986 Euro, die die Rumänen am unteren Ende der Rangliste für Güter des Einzelhandels ausgeben können. Die Bulgaren liegen mit 3 808 Euro pro Kopf auf dem vorletzten Platz. Die Einzelhandelskaufkraft bezeichnet laut GfK den Teil des verfügbaren Nettoeinkommens, das für Einkäufe im Einzelhandel ausgegeben wird.
Fast noch anschaulicher ist die Betrachtung des prozentualen Anteils der einzelnen Länder am europäischen Durchschnittswert. Denn während die Rumänen mit 45,8% noch nicht einmal die Hälfte des Durchschnittswerts erreichen, liegen die Luxemburger mit einem Wert von 185,2% fast doppelt so hoch. In dieser Rangliste liegen die Deutschen mit ihren 6 667 Euro pro Kopf und einem Anteil von 102,3% im Mittelfeld und nur knapp über dem Durchschnittswert. Höher liegen die Ausgaben im Einzelhandel etwa im Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Irland, Frankreich, Finnland und Dänemark.
Laut Filip Vojtech, Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing von GfK, liegen die Deutschen im europäischen Ländervergleich mit ihren Einzelhandelsausgaben zwar im Mittelfeld, doch wenn man die Einzelhandelskaufkraft in Relation zur allgemeinen Kaufkraft setze, dann würden die deutschen Verbraucher nur einen verhältnismäßig geringen Anteil ihres Nettoeinkommens in den Einzelhandel tragen – ähnlich wie die Schweizer.
Dagegen fließt in vielen osteuropäischen Ländern laut Vojtech „ein deutlich höherer Teil des Nettoeinkommens in den Einzelhandel, in Ungarn ist es sogar mehr als die Hälfte“. Das liege allerdings auch daran, dass die Einkommen der Menschen in Osteuropa deutlich niedriger sind als etwa in den westeuropäischen Ländern. Dann muss ein größerer Teil des verfügbaren Einkommens zur Deckung des Grundbedarfs wie Lebensmittel, Bekleidung und Sonstiges ausgegeben werden.
Insgesamt weisen 13 der 25 von GfK betrachteten Länder eine überdurchschnittliche Einzelhandelskaufkraft pro Kopf auf. Dem stehen mit 12 fast genauso viele Länder gegenüber, deren einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft unterdurchschnittlich ist.
Dass es auch innerhalb der europäischen Länder deutliche Unterschiede bei den potenziellen Retail-Ausgaben gibt, zeigt ein Blick auf die regionale Verteilung im Vereinigten Königreich. So ist beispielsweise im westlichen Teil Londons die Einzelhandelskaufkraft doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt und umfasst das 2,6-Fache der letztplatzierten Region Sunderland. Ganz generell ist laut GfK zu beobachten, dass die Regionen in und um europäische Hauptstädte meist eine überdurchschnittlich hohe Einzelhandelskaufkraft aufweisen. Neben dem Vereinigten Königreich ist dies beispielsweise auch in Frankreich, Ungarn und den skandinavischen Ländern der Fall. Eine Ausnahme bildet allerdings Berlin, wo die Pro-Kopf-Kaufkraft auch Jahre nach der Vereinigung unter dem Bundesdurchschnitt liegt – als Folge der langen Teilung Deutschlands und der Stadt.