EY Kreditmarktstudie

Die Kreditbedingungen werden strenger

Foto: Deutsche Bundesbank

rv DÜSSELDORF.Hatte sich die Sorge in der Banken-Szene vor Kreditausfällen als Folge der Corona-Pandemie im Jahresverlauf 2022 noch spürbar abgeschwächt, steuert der deutsche Kreditmarkt im Jahr 2023 auf eine Trendwende zu, wie es in der aktuellen „Kreditmarktstudie“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY heißt. Konkret halten 86% der 120 für die Studie befragten Bankmanager Kreditausfälle wegen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingung wie den starken Anstieg der Marktzinsen und die Rekordinflation für durchaus wahrscheinlich.

So geht das Gros der befragten Bankmanager davon aus, dass die wirtschaftliche Lage der Kreditnehmer und ihre Kapitaldienstfähigkeit sowie ihre Sicherheiten und ihre Refinanzierungsmöglichkeiten durch die schwierigen Rahmenbedingungen und die hohen Energiepreise unmittelbar beeinträchtigt werden. Hinzu kommt, dass die ersten Corona-Hilfen auslaufen und diese Darlehen getilgt werden müssen. Und das in einem wirtschaftlichen Umfeld in Deutschland, das 59% der befragten Bankmanager als „schlecht“ bis „sehr schlecht“ beurteilen.

Und beim Blick auf das Kreditgeschäft im weiteren Jahresverlauf geht die Mehrzahl der Bankmanager davon aus, dass sich die Nachfrage von Unternehmen und Verbrauchern nach Darlehen und Finanzierungen 2023 deutlich abschwächen wird. Bis zur Zinswende im vergangenen Jahr hatte die lockere Geldpolitik der Zentralbanken das Kreditgeschäft hiesiger Banken stark beflügelt – allerdings auch bei sehr niedrigen Zinsen.

Damit bremsen laut „EY Kreditmarktstudie“ die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges und die sich spürbar eintrübende Konjunktur in Verbindung mit der Rekordinflation und der im Juli 2022 von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende das Kreditneugeschäft zunehmend aus. Die meisten Banken und Sparkassen sind demnach bei ihren Kreditzusagen zuletzt deutlich vorsichtiger geworden und haben aus Sorge vor einer bevorstehenden, tiefgreifenden Rezession und steigenden Finanzierungskosten ihre Kreditrichtlinien verschärft. 67% der Befragten wollen ihre Kreditzusagen zudem herunterfahren.

Für die Bankkunden – ob Unternehmen oder Verbraucher – bedeutet das laut Studie höhere Anforderungen, steigende Kosten und häufiger auch die Ablehnung von Kreditanträgen: So wollen mehr als zwei Drittel der Befragten (76%) in den nächsten zwölf Monaten höhere Anforderungen an Dokumentation und Sicherheiten bei Krediten stellen. Bei 64% der Banken werden für Neukunden die Kreditnebenkosten steigen, und 43% der Bankmanager rechnen mit mehr Ablehnungen von Kreditanträgen. Jede fünfte Bank (21%) will zudem keine neue Kreditlinien mehr gewähren.

Weil die hohe Inflation und die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten den finanziellen Spielraum vieler privater Kreditnehmer stark schrumpfen lassen, sind die Banken nach den Worten von Christoph Roessle,Partner Strategie- und Transaktionsberatung Finanzdienstleistungen bei EY, dazu übergegangen, bei der Kreditprüfung höhere Pauschalen für Lebenshaltungskosten zugrunde zu legen. Insgesamt wurden die Kreditrichtlinien deutlich restriktiver gestaltet.

Laut Roessle ist das Ergebnis dieser restriktiveren Haltung bereits auf dem Immobilienmarkt zu sehen: Der Traum vom Eigenheim rückt für viele Menschen in Deutschland in immer weitere Ferne. Nicht nur weil die Zinsen stark steigen, sondern auch weil höhere Anforderungen an die Finanzsituation der Kreditnehmer gestellt werden. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum die Banken gerade in der Phase als die Übertreibungen etwa auf dem Wohnimmobilienmarkt immer sichtbarer wurden, die Kreditvergabe nicht von sich aus restriktiver gehandhabt haben und warteten bis die Finanzaufsicht eingriff.

Nun aber bleibt den Banken nach den Worten des EY-Partners keine andere Wahl mehr, als bei der Kreditvergabe restriktiver vorzugehen. „Denn die deutsche Finanzaufsicht schreibt seit dem vergangenen Jahr vor, dass die Kreditinstitute als Vorsorge für mögliche Rückschläge etwa auf dem Immobilienmarkt zusätzliche Kapitalpuffer bilden müssen. Ziel der Regulierung ist es, die Resilienz des deutschen Bankensystems gegen Krisen zu erhöhen.“

Ein weiteres Thema bei der Kreditvergabe an Unternehmen ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Jede fünfte Bank gibt laut Studie an, dass ESG-Kriterien bereits Teil des Kreditvergabeprozesses sind, bei jeder vierten Bank werden die entsprechenden Prozesse gerade umgesetzt und bei 41% gibt es entsprechende Planungen.

„Der Druck auf die Banken, Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen, steigt deutlich“, sagt Roessle. „Sowohl die europäischen Regierungen als auch die Aufsichtsbehörden fordern von der Kreditwirtschaft, sich stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. In der Praxis erweist sich dieses Vorhaben angesichts der Vielfalt der regulatorischen Anforderungen und der noch ausstehenden Standardisierungen aber oftmals als große Herausforderung.“ Die meisten Institute stehen noch am Anfang.

So ist der Wille zwar da, aber die praktische Implementierung gestaltet sich schwierig – was auch an veralteten IT-Systemen liegt. Laut Roessle fehlt es bei vielen Instituten noch an den technologischen Infrastrukturen, um ESG-Kriterien im Kreditgeschäft voll berücksichtigen zu können. Nur 21% verfügen über die erforderlichen technischen Möglichkeiten.