Jahresausblick 2022

Die Inflation könnte sich verstetigen

Gedrückte Stimmung zum Jahreswechsel. Bild: Fotolia

Mit der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Irritationen in den Produktionsprozessen und Lieferketten, hat sich 2021 in Deutschland auch die Inflation mit zuletzt 5,2% und in der Eurozone mit 4,9% breit gemacht. Aus Sicht vieler Experten spricht einiges dafür, dass die Inflationsrate für längere Zeit auf einem höheren Niveau bleiben wird. Das dürfte auch Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben. Bei Handelsimmobilien geht der Umstrukturierungsprozess weiter.

Konstatierte der Immobiliendienstleister JLL bei seinem Jahresausblick für 2021 – inmitten der Corona-Winter-Welle des Vorjahres – dass eine Prognose selten so schwierig war wie für dieses Jahr, so ist die Lage zu Beginn des Jahres 2022 eindeutiger. Denn klar ist, dass Corona die Weltbevölkerung noch für geraume Zeit begleiten wird und es immer wieder neue Varianten wie Delta oder Omikron gibt.

Immer wieder aufflammende Infektionen auch in Asien und Shutdowns zur Eindämmung der Ausbrüche belasten deshalb die Produktionsprozesse und führen immer wieder zu Lieferengpässen, sodass steigende Preise die Inflation weiter antreiben. Dadurch hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft weiter verschlechtert, wie das Münchener Ifo Institut berichtet, denn die Unternehmen sind weniger zufrieden mit der aktuellen Lage und auch die Erwartungen sind pessimistischer.

Zwar spielen bei den aktuellen Preissteigerungen auch temporäre Effekte eine wichtige Rolle, wie Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe, einräumt, gleichwohl sei die Wahrscheinlichkeit einer für längere Zeit „überdurchschnittlich hohen Inflation“ sehr groß. Auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, rechnet 2022 nur mit einem vorübergehenden Absinken der Inflationsrate. Dann werde es ein langsames Hochdriften geben auf eine Inflationsrate von deutlich über 2%.

Deshalb empfiehlt Savills-CEO Lemli den Akteuren der Immobilienbranche, sich auf ein solches Szenario vorzubereiten: „Auf Ebene der Anlageklasse verfügen Immobilien nicht über einen eingebauten Inflationsschutz“. Das gehe nur mit individuellen Maßnahmen wie beispielsweise mit indexierten Mietverträgen

Und auch ein weiteres Thema, das für die Immobilienbranche immer wichtiger wird, die ESG-Regulierung als Beitrag der Immobilienwirtschaft zur Bekämpfung des Klimawandels, auf die Matthias Pink, Head of Research Germany bei Savills hinweist, wird zu einem weiteren Anstieg der Inflationsrate beitragen. „ESG ist ein Game Changer für die Immobilienbranche“, sagt Andreas Trumpp, Head of Research Europe bei Savills Investment Management: „Für die Verbesserung der ESG-Performance und der langfristigen Stabilität ihrer Investitionen gaben 93% der von uns befragten Investoren an, kurzfristig einen Renditeabschlag von im Durchschnitt mehr als 95 Basispunkten in Kauf zu nehmen.“ Laut Savills führt ESG zu einer höheren Nachfrage nach Neubauten und treibe damit deren Preise.

Verbraucherstimmung im Weihnachtsgeschäft abgestürzt

In diesem Umfeld lässt die verschärfte Pandemielage mit der jüngst eingeführten 2G-Regelung für den Nonfood-Einzelhandel die Verbraucherstimmung mitten im Weihnachtsgeschäft „abstürzen“, wie das Konsumbarometer des Handelsverbands Deutschland (HDE) Anfang Dezember zeigte. Das könnte den privaten Konsum in dieser wichtigen Verkaufssaison ausbremsen.

Konsequenz dieser Stimmungseintrübung ist, dass die Anschaffungsneigung der Verbraucher und damit die Bereitschaft, Geld auszugeben, in der Weihnachtssaison sinkt. Der Grund ist, dass die Bundesbürger wegen der nach unten korrigierten Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft auch negative Auswirkungen auf ihre persönlichen Einkommen erwarten. Denn auf Grund der hohen Inflationsrate besteht bei vielen laut HDE die Sorge vor dauerhaften Kaufkraftverlusten, sofern sich die Preisentwicklung nicht abschwächt.

Diese Eintrübung der Verbraucherstimmung spiegelt auch der bisherige Verlauf des Weihnachtsgeschäfts in der Adventszeit wider. Nach einer Trendumfrage des HDE unter 1 600 Handelsunternehmen sind die Umsätze im stationären Non-Food-Handel in der Woche vor dem zweiten Advent – gemessen an 2019 – um durchschnittlich 26% gesunken. Unter 2G-Bedingungen sei die Zahl der Besucher im Innenstadthandel im Schnitt um 41% zurückgegangen. Deshalb fordert der Handelsverband eine Anpassung der Wirtschaftshilfen, da er die Existenz vieler Handelsbetriebe bedroht sieht.

Mit Blick auf den Vermietungsmarkt, der schon länger schwächelt, erwartet Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany, bei den Spitzenmieten in den deutschen Shopping- Metropolen, den Big 10, im Schnitt einen Rückgang von 6% und eine aktuelle Verfügbarkeit von Ladenflächen von 14%. Einige Retailer hätten ihre Expansion auf Eis gelegt, sodass sich Chancen für andere Einzelhändler bieten, attraktive Standorte anzumieten. Dazu zählt er Discounter, Möbelanbieter und neue internationale Marken. „Das Damoklesschwert eines weiteren Lockdowns schwebt allerdings weiterhin über dem stationären Einzelhandel, zumindest regional“, so Scheubemann. Diese Unsicherheit halte auch von Ankaufsaktivitäten ab.

Lebensmittelmärkte bleiben attraktiv

In diesem Umfeld hat der nicht von den Zwangsmaßschließungen betroffene Lebensmittelhandel mit seinen bonitätsstarken deutschen Handelsunternehmen als Ankermieter den Investmentmarkt für Retail Assets beflügelt und dominiert. Für die ersten neun Monaten beziffern die Immobiliendienstleister das Transaktionsvolumen – trotz der Irritationen durch die lange Zwangsschließung zu Beginn des Jahres – in der Bandbreite von 5,9 Mrd. Euro gemäß JLL bis 7,3 Mrd. Euro laut CBRE.

Dabei entfiel auf Fachmärkte, Nahversorgungzentren und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung mit 4,1 Mrd. Euro oder 60% laut CBRE der größte Anteil. Allein für das dritte Quartal ermittelte BNP Paribas Real Estate für diese Anlageklasse einen Anteil von 74%. In absoluten Zahlen wurden laut Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, in den Sommermonaten Lebensmittelmärkte im Wert von gut 2 Mrd. Euro verkauft.

Wir erwarten auch 2022 eine zunehmende Investorennachfrage nach Objekten des Lebensmittelhandels und einen weiteren Kaufpreisanstieg in einem Marktumfeld mit hoher Wettbewerbsintensität“, prognostiziert Jörn Burghardt, Geschäftsführer der GPEP GmbH: „Entscheidend für den Erfolg wird daher ein exzellenter Zugang zu geeigneten Objekten sowie ein kompetentes Asset Management sein, das ganzheitliche ESG-Strategien entwickelt und umsetzt.“

Auch Savills Investment Management setzt bevorzugt auf Einzelhandelsformate für Waren des täglichen Bedarfs und Lebensmittel – wie Supermärkte und Lebensmitteldiscounter – sowie größere Fachmarktzentren mit Lebensmittelanbindung und Stadtteilzentren in städtischen Lagen. Für den Einzelhandelssektor insgesamt erwartet das Unternehmen eine mittelfristige Erholung. Für das Gesamtjahr 2021 prognostiziert Scheunemann ein Transaktionsvolumen von etwa 7,7 Mrd. Euro nach fast 9 Mrd. Euro 2020.  Jan Dirk Poppinga,Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, hält nach einer Jahresendrallye ein Volumen von über 10 Mrd. Euro für möglich.

Die Folgen der Zwangsschließungen im Nonfood-Handel wie Mode oder Unterhaltungselektronik bekamen während der Pandemie dagegen die Shopping-Center und große Fachmarktzentren mit einem erheblichen Textil-Anteil, zu spüren. Ablesen lässt sich das laut Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, am Anstieg der Spitzenrenditen für Einkaufszentren auf 5%, CBRE sieht die Renditen für Center in B-Lagen schon bei 6%. Insgesamt sind die aktuellen Kaufpreise mangels größerer Transaktionen aber schwer einzuschätzen. Gleichwohl rechnet CBRE-Co-Head of Retail Investment Schönherr 2022 mit einer Marktbelebung bei Shopping-Centern, nachdem viele – bedingt durch die Zwangsschließungen – die notwendigen Neu- und Nachverhandlungen mit ihren Mietern abgeschlossen hätten. Dann seien die Objekte langfristig stabil aufgestellt, so dass das Risiko-Rendite-Verhältnis wieder attraktiv sei.

Spitzenrenditen für Shopping-Center gestiegen

Auch Marcus Eggers, Geschäftsführer bei der IPH Centermanagement schaut mit vorsichtigem Optimismus auf das Jahr 2022, nachdem der Einzelhandel und auch die Shopping-Center nach seinen Worten besser als befürchtet durch diese Ausnahmesituation gekommen seien – auch wenn sich wegen der Pandemie für die gesamte Branche die Vorhersagen gegenwärtig schwierig gestalten. Doch bietet das Jahr 2022 die Gelegenheit, strukturelle Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Schließlich stehen Einzelhandel schon durch die Digitalisierung vor einem Strukturwandel, der durch die Pandemie beschleunigt wird.

„Ein Beispiel sind neue Vermietungskonzepte, die die Flächen des klassischen Retail substituieren“, zählt Eggers auf: „Das Nonfood-Segment verliert weiter Umsatzanteile an den Onlinehandel und wird deswegen tendenziell weniger Flächen benötigen.“ Neue Mieter für diese Flächen sind etwa Autohersteller wie eGo, Polestar oder Lynk&Co. Und auch die Konsumgüterindustrie wie Oreo, M&M und Dyson nutzt die Gunst der Stunde und pickt sich verstärkt gute Flächen heraus.

Beim Thema Nutzungsmischung und Quartierentwicklungen, die mit Blick auf die Probleme in vielen Innenstädten allenthalben die Diskussionen dominieren, stellt der Geschäftsführer heraus, dass es wichtig ist, einen Mix zu konzipieren, der Kopplungseffekte berücksichtigt. Es geht also darum, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche alternativen Nutzungskonzepte den verbleibenden stationären Einzelhandel unterstützen. Das sind laut Eggers die Gastronomie, Ärzte, Büros, Fitnessstudios, Öffentliche Einrichtungen, Wohnungen, Freizeit- und Bildungseinrichtungen, Hotel, Kino, Coworking sowie Post und sonstige Abholstationen.

„Bei den Frequenzen und Mieten erwarte ich langfristig keine Rückkehr zu den Zahlen der Vor-Corona-Zeit – in allen Bereichen und allen Lagen“, lautet seine nüchterne Prognose: „Während Mieten in Fachmarktlagen und A-Centern eher moderat sinken, trifft es Center in periphereren Lagen mehr.“ Insgesamt gehe der Trend im Nonfood-Handel zu kürzeren Mietvertragslaufzeiten mit höheren Umsatzanteilen bei den Mieten. Das biete aber auch Chancen für Vermieter! Der magische Dreiklang für den Handel besteht laut Eggers darin, sämtliche Kanäle zu verzahnen, stationäre Erlebnisse zu schaffen sowie die Capture- und Conversionrate zu erhöhen.