Zukunft der Nahversorgung

Die Herausforderung kommt nach der Pandemie

Lebensmittelhandel profitiert in der Pandemie. Foto: Rewe

Während sich Politiker mit immer neuen Ideen von weiteren Verschärfungen profilieren wollen, hat sich der Habona Report mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Handelsimmobilien-Szene aussehen wird, wenn sich die Lage nach Abklingen der Pandemie wieder normalisiert hat. An der Frequenz in den diversen Lagen ließ sich bereits im Vorjahr ablesen, wie die Chancen verteilt sind.

„Der Handel überrascht doch immer wieder“, schreibt Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany in seinem Gastbeitrag im Habona Report 2021: „Auf der einen Seite in Teilsegmenten extrem leidend unter der anhaltenden Pandemie und des daraus resultierenden Lockdowns. Auf der anderen Seite ein nach wie vor hohes Investoreninteresse, das mit einem Transaktionsvolumen von 10,44 Mrd. Euro im Jahr 2020 lediglich 5% niedriger als 2019 war.“

Das hat seinen Grund: Denn laut Thomas Steiner aus dem Bereich GfK Consumer Panels, Retail & Liefstyle, profitierte der Lebensmittelhandel (Foto: Rewe) – und damit Fachmärkte, Fachmarkt- und Nahversorgungszentren – als systemrelevante Anbieter davon, dass sich der Außer-Haus-Konsum beim ersten Shutdown durch die Schließung der Restaurants, Cafés, Kantinen und die Versetzung vieler Arbeitnehmer ins Homeoffice stark reduziert hatte. Ablesen ließ sich das im Vorjahr an dem Umsatzwachstum von 11,3% im Lebensmittelhandel. Jedoch: „Die Pandemie wird (irgendwann) vorbei sein und dann ist die besondere Stellung vorbei“, heißt es dazu im Habona Report.

Klar ist aber auch, dass „nach Corona“ vieles nicht mehr so sein werde, wie vorher, heißt es im Beitrag „Reaktion der Immobilienmärkte“, einer Analyse von Jones Lang LaSalle Germany. Die Betreiber von Supermärkten, Discounter, Verbrauchermärkten und SB-Warenhäuser dürfen sich nicht darauf ausruhen, dass sie derzeit als einzige ungehindert öffnen dürfen. Laut Report sollten heute schon die Weichen gestellt werden „für mehr Kundenbindung und Innovationen“, damit die entsprechende Anlage-Klasse auch in Zukunft für Investoren eine attraktive Anlage bleiben.

Hier blicken die Experten von Jones Lang LaSalle allerdings zuversichtlich in die Zukunft, wenn sie schreiben: Die Bedeutung der Nahversorger als Frequenzbringer und als Core Assets blieben erhalten und damit auch auf dem Radar der Immobilien-Investoren, wie der hohe Anteil von Fachmarktimmobilien am Transaktionsvolumen des Jahres 2020 zeigt. Denn dass das Segment „Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs“ Krisen-resistent ist, haben die Lebensmittelmärkte währen der Finanzmarktkrise 2008/09 und auch jetzt wieder bewiesen.

Mit der „hoffentlich im Laufe dieses Jahres einsetzenden Rückkehr zu mehr Normalität“ werden laut JLL dann auch wieder andere Assetklassen in den Fokus der Anleger rücken, so dass der Anteil der Nahversorger am Transaktionsvolumen etwas sinken könnte, gleichwohl werde die Nachfrage nach Fachmarktimmobilien mit Schwerpunkt Lebensmittel hoch bleiben. Damit das so bleibt, muss sich die Branche aber Themen wie ESG (Environment resp. Umweltverschmutzung, Social für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie Governance für nachhaltige Unternehmensführung) stellen. Beim Thema Nachhaltigkeit ist bei dieser Anlage-Klasse noch Luft nach oben, was aber auch noch viel Wertsteigerungspotenzial in diesem Markt eröffnet.

Die Branche muss sich dem Thema ESG stellen

Kriterien für die Berücksichtigung von ESG könnte laut JLL die Einbettung von Nahversorgern in Quartiersentwicklungen, in einem sozialverträglichen Mix mit anderen Nutzungsarten sein. Ein anderer Ansatz ist, wenn die Händler selbst Nachhaltigkeit im Sortiment durch Frische, Bio und Regionalität abbilden. Das werde sich – gemessen an nicht nachhaltigen Immobilien ­– auch in der Wertstabilität positiv niederschlagen.

Des Weiteren lässt sich die Affinität der Investoren für die Anlage-Klasse Nahversorgung auch an den Spitzenrenditen ablesen, die für Discounter im vierten Quartal – gemessen am Vorquartal – laut JLL um 20 Basispunkte auf 4,60% nachgaben. Bei den noch erfolgreicheren Supermärkten liegt die Spitzenrendite inzwischen bei 4,00% und bei Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung sogar nur noch bei 3,9%. Im Gegenzug ist die durchschnittliche Spitzenrendite bei Shopping-Centern, deren Betrieb unter dem seit Monaten mehr oder weniger stark ausgeprägten Lockdown leidet, deutlich gestiegen.

Von Seiten der Konsumenten wird der aktuelle Boom bei Lebensmitteln durch das Bedürfnis getragen, sich in diesen schwierigen Zeiten zumindest mit gutem Essen und guten Getränken zu verwöhnen. Dieser Trend war auch während der Finanzmarktkrise 2008/09 beobachtet worden. Allerdings profitieren die unterschiedlichen Vertriebsschienen auch unterschiedlich stark von der aktuellen Sondersituation.

Gemäß dem allgemeinen Trend zur Online-Bestellung konnte der eCommerce mit Lebensmitteln mit einem Plus von 43% sehr stark profitieren – allerdings auch von einer niedrigen Basis aus. Laut Thomas Steiner profitierten auch die Vollsortimenter mit einem Umsatzplus von 17% - allerdings von einer sehr hohen Basis aus.

Bei Discountern, die mit 35,3% allerdings auch den größten Marktanteil haben, lag die Wachstumsrate mit 9% und bei SB-Warenhäusern mit 10% um einiges niedriger. Nach Beobachtung der GfK gehen die Marktanteilsgewinne der Vollsortimenter von 28,1 auf 29,2% zulasten der Discounter.

Die Ausrichtung auf die lokalen Märkte wächst

Die Zwangsschließungen und die zwangsläufige Rückbesinnung der Bundesbürger auf ihr Wohnquartier haben laut Steiner auch die Ausrichtung der Konsumenten auf die regionalen Märkte steigen lassen. Jedenfalls habe auch der örtliche Fachhandel, der in den vergangenen Jahren stark zu kämpfen hatte, in Corona-Zeiten profitiert. Sein Marktanteil erhöhte sich zwischen 2019 auf 2020 laut GfK von 14,1% auf 14,5%.

Nachdem die Kunden mitbekommen hätten, wie die lokalen Händler und Hersteller unter den Restriktionen zu leiden haben, hätten sie ihre Solidarität zeigen wollen, schreibt Steiner. Das hat dazu geführt, dass in Klein- und Mittelstädten (noch) nicht so viele Geschäfte geschlossen wurden, wie bislang befürchtet.

Untersucht hat GfK auch die Frequenzen in den verschiedenen Einzelhandels-Lagen, die im ersten Lockdown generell gesunken sind. Wie an der Zusammensetzung der Einzelhandelsbranchen in den Cities und Shopping-Centern mit Schwerpunkt Mode und Nonfood-Handel zu erkennen ist, war hier der Besucherrückgang besonders stark. Fachmarktzentren und Supermärkte haben aber auch etwas verloren. Dafür gibt es laut GfK zwei Gründe. Zum einen mussten in den Fachmarktzentren Nonfood-Anbieter wie Schuhgeschäfte oder Textildiscounter auch schließen. Zum andern gingen wegen des Ansteckungsrisikos auch weniger Konsumenten persönlich einkaufen. Das ist auch am starken Wachstum der Online-Anbieter zu erkennen.

„Im weiteren Verlauf des Jahres hat sich eine weitestgehende Regenration der Besucherfrequenzen im Einzelhandel gezeigt, unterbrochen von kleineren Einbrüchen (zum Teil in Wochen mit Feiertagen) und Ferieneffekten (insbesondere Sommerferienzeit)“, schreibt Steiner. Doch im Herbst/Winter kam zum 16. Dezember der zweite Shutdown und damit auch der deutliche Rückgang der Frequenz.

Der Vergleich zwischen der 4. Kalenderwoche und der 28. Kalenderwoche im Juli 2020 ergibt laut GfK ein eindeutiges Bild: „Mit Ausnahme von Dresden ist festzustellen, dass sich die Besucherfrequenzen mit zunehmender Größe der Städte deutlich schlechter regenerieren.“ Die Großstädte leiden stärker unter den Folgen der Pandemie. Denn viele Beschäftigte arbeiten im Homeoffice und kaufen abends nicht mehr in der Stadt ein, sondern an ihrem Wohnort. Und auch die Touristen aus dem Umland und dem Ausland fehlen. Aus Sicht von GfK ist anzunehmen, dass auch nach der Pandemie mehr Beschäftigte vom Home-Office aus arbeiten werden. Deshalb dürften sich die „kleinen und mittelgroßen Städte deutlich schneller und besser von der Pandemie erholen als die Innenstädte“, schreibt Steiner