Bilanz für die erste Novemberwoche

Die Frequenz ist drastisch eingebrochen

Weniger Frequenz. Foto: Comfort

Im November beginnt das für den Einzelhandel so wichtige Weihnachtsgeschäft. Branchen wie der Mode-Handel, Parfümerien, Uhren- und Schmuckhändler, Spielwarenanbieter und Warenhäuser erzielen in den letzten beiden Monaten etwa ein Fünftel ihres Jahresumsatzes. Doch auch der „Lockdown light“, der den Handel nicht direkt betrifft, belastet offenbar die Kauflaune, jedenfalls wissen die Betreiber vieler stationärer Geschäfte davon zu berichten. So fiel der Start in den November erst einmal moderat aus. Der Online-Handel dürfte dagegen profitieren.

Nach den ersten Berechnungen des BTE (Bundesverband des Textileinzelhandels) blieben die Umsätze des Modehandels in der ersten Novemberwoche unter Lockdown-Bedingungen branchenweit etwa um 40% unter dem Vorjahresniveau zurück. „In etlichen Fällen kamen Modehändler nicht mal auf die Hälfte ihrer üblichen Umsätze“, berichtet BTE-Präsident Steffen Jost (links, Foto: Juan Müller) Der Appell der Politiker an die Bundesbürger, angesichts steigender Infektionszahlen doch lieber zu Hause zu bleiben, zeigt offenbar Wirkung, wie auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth (Foto rechts), bei der Pressekonferenz zum Weihnachtsgeschäft kritisierte.

Bis Ende September verzeichnete der Handel mit Bekleidung, Schuhen, Accessoires und Lederwaren nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes einen Umsatzrückgang von real -23,5% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Betriebswirtschaftlich ist das Jahr ohnehin nicht mehr zu retten“, so der Verband der Modehändler ernüchtert. „Bis auf wenige glückliche Ausnahmen dürften 2020 so gut wie alle Textil- und Schuhgeschäfte tief in den roten Zahlen landen.“ Laut Jost decken die in der ersten November-Woche erzielten Umsätze nicht einmal die anfallenden Kosten, so dass die meisten Geschäfte jeden Tag Verluste einfahren.

Wie auch HDE-Hauptgeschäftsführer Genth beklagt, darf der Einzelhandel in den Innenstädten zwar öffnen, doch da die Politik gleichzeitig an die Kunden appelliert, zuhause zu bleiben, dem viele auch offenbar folgen, „können die Geschäfte auf Grund der extrem sinkenden Kundenfrequenzen vielerorts wirtschaftlich nicht mehr überleben“. Zudem fehlt in den Cities offenbar auch die Zugkraft der Gastronomie. Deshalb fordert der Spitzenverband des Einzelhandels die Bundesregierung auf, ihr Nothilfeprogramm für die wegen der Pandemie geschlossenen Betriebe auch für diese indirekt betroffenen Einzelhändler zu öffnen.

Dass der HDE beim Blick auf das Weihnachtsgeschäft 2020 für die Branche im Allgemeinen dennoch ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 1,2% auf knapp 104 Mrd. Euro prognostiziert, liegt an den Wachstumstreibern, die nicht im stationären Modehandel zu finden sind. Vielmehr wird befürchtet, dass die Bundesbürger, die schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr stärker auf den Geschmack des Online-Einkaufens gekommen waren, in diesem Jahr Geschenke vermehrt im Internet kaufen. Deshalb erwartet der HDE im Online-Handel ein Plus von 19% auf 17 Mrd. Euro. Genth: „Die Kunden kaufen auch in der Corona-Krise Geschenke, sie shoppen aber deutlich mehr online und gehen seltener in die Innenstädte.“

Weihnachtseinkäufe werden verstärkt online erledigt

Das ergaben auch die Daten des HDE-Konsumbarometers, wonach 44% der Verbraucher ihre Weihnachtseinkäufe verstärkt online erledigen wollen. Das beliebteste Geschenk wird auch in diesem Jahr wieder der Gutschein sein. Das war auch schon in früheren Jahren so. Es folgen dann Spielwaren für die Kinder, Bücher und Schreibwaren.

Wie dramatisch sich derweil die Lage vieler mittelständischer Modehändler in diesem Jahr entwickelt hat, erläutert BTE-Präsident Jost in seiner Bilanz für die erste Novemberwoche. Nach seinen Worten werden diese Geschäfte nur überleben, „wenn sie auf Reserven und Gespartes zurückgreifen können“. Das sei bei vielen Unternehmen aber gleichbedeutend mit dem Verzehr oder dem kompletten Verlust ihrer Altersversorgung. Der Ausweg, sich über ein Schutzschirm- oder ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu entschulden, den etwa Galeria Karstadt Kaufhof oder namhafte Mode-Ketten beschritten haben, steht den meisten Mittelständlern laut Jost dagegen nicht zur Verfügung, da sie in der Regel persönlich haften.

Vor diesem Hintergrund befürchtet der BTE-Präsident, dass im kommenden Jahr viele Mode- und Schuhgeschäfte für immer schließen werden, „weil sie die neue Ware und die Miete nicht mehr bezahlen können“. Damit verlieren aber die Einkaufsstraßen in größeren Städten die Facheinzelhändler, die die Gleichförmigkeit der Filialisten durchbrechen und kleinere Städte werden durch das Ladensterben zu regelrechten Geisterstädten. Doch auch in den Lauflagen der Großstädte werden nach Einschätzung des BTE-Präsidenten „viele Lichter für immer ausgehen“. Für die Innenstädte dürften das dramatisch werden.

Wie HDE-Hauptgeschäftsführer Genth appelliert auch Jost deshalb an die Politik, dass die betroffenen Händler massive direkte Hilfen benötigen, damit das Ladensterben in den Cities verhindert wird. Als Mann der Praxis, der selbst eine Kette von Modegeschäften betreibt, gibt Jost mit Blick auf die lebhafte Diskussion über Omnichannel-Strategien zu bedenken, dass Digitalisierung und Online-Verkauf in der aktuellen Situation keine Allheilmittel sind, da der Verkauf über Online-Plattformen wie Amazon oder Zalando einen Einzelhändler etwa 20% vom Umsatz kostet.

Bei einer durchschnittlichen Umsatzrendite im mittelständischen Modehandel von rund 3% vom Umsatz ist das nach den Worten des BTE-Präsidenten „für stationäre Multilabel-Händler keine wirkliche Option“. Es sei bei insgesamt sinkenden Umsätzen nicht möglich, „gleichzeitig die Kosten für den Betrieb eines stationären Geschäfts und die eines Online-Händlers zu stemmen“.

Funktionieren würde das aus Sicht des BTE-Präsidenten nur, wenn die Mieten für die Ladenflächen und die Plattform-Gebühren massiv gesenkt würden. Hier müssten Vermieter und Plattform-Betreiber dem Mittelstand entgegenkommen. Ein Positivbeispiel ist für ihn die Ankündigung von Zalando, „zumindest bis zum ersten Quartal im Händler-Programm auf die Partner-Provision zu verzichten“. Das sei ein richtiger Schritt.