Kauf- und Warenhäuser

Die Flaggschiffe müssen ihr Potenzial besser nutzen

Warenhaus mit Profil und noblen Marken: Das KaDeWe. Foto: Signa

Ab Mitte Oktober wurden die meisten Karstadt- und Kaufhof-Filialen, die auf der Schließungsliste standen, geschlossen, für 37 war bis Ende des Monats Schluss, für weitere sechs Häuser läuft die Frist Ende Januar 2021 ab. Auf der Liste finden sich Warenhäuser in den Top-Lagen großer deutscher Städte genauso wie Filialen in kleinen Städten wie Fulda. Der Niedergang der Flaggschiffe des Einzelhandels war aber schon seit Jahren zu beobachten, wie das Statistische Bundesamt aufzeigt.

Wie sehr die Covid-19-Pandemie das Warenhausgeschäft in der Zeit der Zwangsschließungen belastet hat und wie langwierig sich der Erholungsprozess nach der Lockerung im Sommer gestaltet, zeigen die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamt (Destatis) anschaulich. Demnach lagen die Erlöse im August 2020 noch um durchschnittlich 2,4% unter dem Umsatzniveau des Vorjahresmonats. Und gemessen am Februar 2020, dem letzten Monat vor den Corona-bedingten Beschränkungen, liegt der kalender- und saisonbereinigte Umsatz um -1,2% zurück. Im zweiten Quartal, das von den Zwangsschließungen im April und Teilen des Monats Mai besonders hart betroffen war, verzeichnete Destatis für die Warenhäuser - gegenüber dem Vorjahreszeitraum - einen Umsatzverlust von 21,3%.

„Eine Ursache für die rückläufigen Umsätze der großen Warenhausketten dürfte deren Sortiment sein“, schreibt Destatisin seiner Analyse, „das letztlich nicht mit der Vielfalt und den Preisen der Angebote im Internet mithalten kann“. Dabei konnten die großflächigen Häuser in ihren besten Zeiten gerade von dem vielfältigen Angebot unter ihren großen Dächern profitieren. Das spiegelte der Werbeslogan der Branche: „Wir bieten tausendfach alles unter einem Dach“, wider.

Doch mit den stark wachsenden Sortimenten in allen Konsumgüterbereichen konnten die Warenhausflächen nicht mitwachsen und nicht mehr die Breite und Tiefe bieten, die Fachmärkte und großflächige Möbelhäuser in den 1980er-Jahren auf der grünen Wiese bieten konnten. Hinzu kam die Konkurrenz durch die Shopping-Center – anfangs vor allem auf der grünen Wiese – die nicht selten eine ganze Innenstadt einschließlich Gastronomie und Cafés anbieten.

In diesem Umfeld mussten sich die Warenhäuser neu aufstellen und auf ausgewählte Sortimente konzentrieren, um hier mit Breite und Tiefe punkten zu können. Ein Problemfeld ist dabei der Preis. Denn das durchschnittliche deutsche Warenhaus setzte  auf Angebote für die breite Bevölkerung und relativ günstige Preise, konnte an seinen teuren innerstädtischen Standorten mit der kostengünstigen grünen Wiese aber nicht mithalten. Dagegen können sich Nobel-Kaufhäuser wie das KaDeWe an der Berliner Tauentzienstraße mit gehobenen Marken, die niemals in ein normales Shopping-Center gehen würden, auch heute noch gut behaupten.

Die durchschnittlichen Kaufhäuser machen dagegen einen Großteil ihres Geschäfts laut Destatis mit Mode und Kosmetik, arrondiert von einer Auswahl an Haushaltswaren und Spielwaren und in gut sortierten Häusern auch noch mit einer Lebensmittelabteilung, die für Frequenz sorgen soll. Eben diese Nonfood-Produkte würden von einer wachsenden Zahl von Verbrauchern auch im Internet gekauft. Im vergangenen Jahr bestellten 68% der Online-Käufer gerade Bekleidung, Sportartikel und Schuhe übers Internet. „Das waren 19 Prozentpunkte mehr als noch 2006“, schreiben die Forscher: „Diese Warengruppe war 2019 das beliebteste Onlineprodukt.

Aber auch andere private Gebrauchsgüter, die zum klassischen Angebot der Warenhäuser gehören, wie Geschirr, Waschmaschinen, Stoffe, Bastelmaterial und Spielzeug wurden laut Destatis im Vorjahr von 53% der Online-Käufer im Internet bestellt. In dieser Produktgruppe stieg der Anteil der Online-Käufe zwischen 2006 und 2019 um vier Prozentpunkte. Und noch eine andere Zahl ist relevant: Die Zahl der Internet-Nutzer wuchs im Betrachtungszeitraum von 35 Mio. auf 55 Mio., wobei für die Kaufhäuser relevant ist, dass vor allem der Anteil der Älteren in den vergangenen Jahren stark zugelegt hat – ihre klassische Kundschaft.

Dass diese Gewohnheit vieler Bundesbürger die klassischen Warenhäuser stärker traf als den stationären Einzelhandel generell, zeigen folgende Destatis-Zahlen: Während der Online-Handel seine Erlöse zwischen 1999 und 2019 – allerdings von einer niedrigen Basis aus – um 120,3% erhöhen konnte und der stationäre Einzelhandel – von einer deutlich höheren Basis aus - seine realen Umsätze noch um 11,2% steigerte, gingen die Erlöse der Warenhäuser in diesem Zeitraum – allerdings bereits von einer geschrumpften Basis aus - real um 42,1% zurück. Daraus schlussfolgern die Forscher, dass der Online-Boom mit dem Niedergang der Kaufhäuser einherging.

Zumal die Corona-Krise den Online- und Versandhandel weiter beflügelt. So stiegen die online generierten Erlöse im August gegenüber dem Vorjahresmonat um 22,9%, nachdem sie im zweiten Quartal schon um 32% gewachsen waren. Und gemessen am Vor-Krisen-Monat Februar 2020 lag das Plus im August kalender- und saisonbereinigt bei 19,6%. Darin sind zweifellos auch die Zahlen von stationären Einzelhändlern mit Multi- und Omnichannel-Strategie enthalten.

Dies ist ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig eine Multi- resp. Omnichannel-Strategie für den stationären Einzelhandel ist. Beim letzten Warenhaus-Betreiber Galeria Karstadt Kaufhof steht das Thema Digitalisierung zwar ganz oben auf der Agenda und es gibt einen eigenen Online-Shops und eine Präsenz auf Online-Marktplätzen, doch  ist nicht bekannt, in welchem Umfang das Unternehmen während des Shutdowns von der Internet-Präsenz profitieren konnte.

Das Problem der Flaggschiffe des Einzelhandels, die sich zu großen, schwerfälligen Tankern mit zentraler Steuerung entwickelt haben, schöpfen ihr Potenzial an den Standorten offenbar zu wenig aus. Dass sie vom Online-Handel stark angegriffen werden, ist ein Beleg dafür, dass viele Filialen vor Ort zu wenig Profil haben. Dabei eröffnet das Sterben des Fachhandels gerade den Warenhäusern die Chance, diese Lücke zu schließen. Aber auch der Erfolg der Premium-Häuser KaDeWe oder Alsterhaus belegt, dass die Vertriebsform Warenhaus mit dem richtigen Konzept eine Zukunft hat. Die Filialen brauchen aber Profil und müssen mit den Kunden reden.