Westfield Hamburg-Überseequartier

Die Eröffnung lässt noch auf sich warten

Spaß und Kultur in einmaliger Lage am Wasser. Foto: Kreaction/URW

Aus der geplanten großen Eröffnungsfeier für das „Westfield Hamburg-Überseequartier“ in der Hamburger HafenCity wird erst einmal nichts: Eigentlich sollte das neue Quartier, wie bei der Grundsteinlegung bekannt gegeben wurde, bereits Ende 2021 eröffnen. Dann war die Eröffnung auf 2022 verschoben worden. Jetzt peilt Unibail-Rodamco-Westfield die Eröffnung für 2023 an. Die Übergabe der Gebäude an die Partner soll schrittweise in der ersten Jahreshälfte erfolgen. Bisher sind die Bauarbeiten nicht über die Erdoberfläche hinausgekommen. Es entsteht neben Parkplätzen auch ein Busterminal.

Die Verschiebung wird laut Pressemitteilung hauptsächlich mit der Corona-Pandemie begründet, der damit einhergehenden Schließung von Grenzen, Hygienemaßnahmen wie Sicherheitsabstände, Kontaktregeln, geschichtete Arbeitszeiten sowie Homeoffice Vereinbarungen. Die hohe Komplexität des Bauvorhabens mit 14 Gebäuden, übereinander geplanten Nutzungen und 419 000 qm Gesamtfläche führe dazu, dass schon leichte Verzögerungen im Entwicklungsprozess in exponentiell anwachsenden Folgewirkungen und zusätzlichen Verzögerungen resultierten würden, heißt es.

„Bei solch einem komplexen Projekt muss jedes Zahnrad ins nächste greifen. Wenn es an einer Stelle hakt, hakt das gesamte Gebilde und es bedarf einer längeren Anlaufzeit, um den ursprünglichen Takt und die gewohnte Geschwindigkeit wiederherzustellen“, erklärt Andreas Hohlmann, Managing Director Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield (URW)

Dafür gibt es aber auch neue Nachrichten: Ab 2023 soll in der Hamburger HafenCity ein Legoland Discovery Center entstehen, womit vor allem Familien angesprochen werden sollen. Das Lego-Erlebnisland ist als Baustein des Freizeitkonzepts für das Quartier geplant, wie im Geschäftsbericht von URW zu lesen war. Ein entsprechender Vertrag sei kürzlich unterzeichnet worden.

Betreiber der Attraktion ist der globale Eventkonzern Merlin Entertainment. Die von den Briten betriebenenFreizeitparks verzeichneten 2019 immerhin 67 Mio. Besucher. Die Indoor-Attraktion gibt es hierzulande bislang in Berlin und Oberhausen. Zwei weitere stehen in Großbritannien und eines in Istanbul. Das Lego-Angebot soll in einer Zeit, in der weite Teile des Einzelhandels über geringere Frequenzen und niedrige Umsätze klagen, Publikum in das Einkaufszentrum locken. Allerdings leiden derzeit auch die Publikumsmagneten wie die Modelleisenbahn in der HafenCity unter den Folgen der Corona-Krise und sind kaum mehr profitabel.

Auch URW selbst ist von Corona getroffen. Die Mieteinnahmen sanken konzernweit im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 15,1% auf 1,07 Mrd. Euro, in Deutschland betrug das Minus 9,4%. Vor allem in Großbritannien und Österreich war der Rückgang stark. Im zweiten Quartal gingen nur 38% aller fälligen Mieten ein, 3% der Mieten wurden erlassen, weitere 20% gestundet, die übrigen 39% sind überfällig. Für Juli wurden bislang 50% der fälligen Mieten eingesammelt. Die Verhandlungen mit Mietern über Covid-19-Unterstützung dauern noch an.

Tiefe Bremsspuren bei den Mieteinnahmen

Gemäß Halbjahreszahlen brach das Nettoergebnis um 27,2% auf 667 Mio. Euro ein. Das Shopping-Center-Portfolio wurde um 5,1% abgewertet, die Projektpipeline wurde um ein Viertel auf 6,2 Mrd. Euro zusammengestrichen. Die Passantenfrequenzen haben sich nach Unternehmensangaben zwar inzwischen erholt und liegen bei 80 bis 90% des Vorjahreswerts. Anlässlich der unsicheren Lage sieht das Unternehmen von einer Prognose für das Gesamtjahr 2020 aber ab. Konzernchef Christophe Cuvillier betonte, der Konzern habe seine Liquidität erfolgreich geschont und werde Schulden abbauen. URW entwickelt daher weniger als geplant. Das betrifft jedoch nicht das Hamburger Großprojekt.

Die Verzögerung um ein Jahr gibt Hamburg Zeit, den tiefgreifenden Strukturwandel in der Innenstadt fortzuführen und sich auf die neue Konkurrenz einzustellen. Dem City-Einzelhandel, der durch die geplanten Schließungen von Karstadt Kaufhof herbe Schläge verkraften muss, geht es schon länger nicht gut. Der Bereich zwischen Hauptbahnhof und Rathausmarkt weist Leerstände auf. Und Nachmieter stehen nicht mehr Schlange. Große Flächen lassen sich kaum vermieten, viele Einzelhändler haben Flächen verkleinert, Obergeschosse gelten als problematisch.

Gleichzeitig ist in der Innenstadt vieles in Bewegung. Grundeigentümer schließen sich zusammen und nehmen Geld in die Hand, um ihr Quartier zu verschönern und zu beleben. Auch die Stadt investiert in die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums, die ersten autofreien Projekte laufen. Inzwischen wurde angekündigt, dass der Prachtboulevard Jungfernstieg für den Individualverkehr gesperrt werden soll.

Unibail-Rodamco-Westfield betont in diesem Kontext zwar immer wieder, dass inzwischen ein gutes Einvernehmen zwischen dem Einzelhandel in der Stadt und dem Konzern besteht. Dennoch lehrt das Mammut-Projekt mit seinen geplanten 200 Einzelhandelsläden, drei Hotels, 650 Wohnungen, 48 000 qm Büroflächen und einem Kreuzfahrtterminal die alte City das Fürchten. Denn per Saldo ist das neue Shopping-Centereine Verbindung aus Freizeit, Shoppen, Wohnen und Arbeiten mit innovativen Services und Angeboten.

Geplant sind mehr als 40 Gastronomie-Konzepte, von Sportbars über bekannte Ketten bis zum Sterne-Restaurant (Foto). Dazu Kulturangebote, ein Kino und regelmäßige Events. Für Erreichbarkeit werden eine U-Bahn-Station, diverse Mobilitätsservices, 2 500 Parkplätze und 3 500 Fahrradstellplätze sorgen - also alles, was als Erfolgsrezept nicht mehr nur für Einkaufszentren gilt: Authentizität, Aufenthaltsqualität und Erlebnis – also genau das, was der Hamburger City fehlt.

Auch in der Innenstadt ist viel in Bewegung

Der Trägerverbund Projekt Innenstadt eV., in dem sich die Gewerbetreibenden und Grundeigentümer aus Hamburgs Innenstadt organisieren, befürchtet einen Umsatzrückgang von 9 bis 15%, wenn das Einkaufsquartier öffnet. Er stützt sich dabei auf Studien von GfK und Bulwiengesa. „Hier entsteht eine Stadt in der Stadt, in der das Einkaufen nicht mehr im Vordergrund steht“, sagt Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbandes Nord, „sondern Spaß, Kultur, Genuss, öffentliche Wahrnehmung - und dieses in einer einmaligen Lage am Wasser“. Brigitte Engler, Citymanagerin und Vorstandsmitglied im Tourismusverband ist überzeugt, dass „das neue Einkaufszentrum in der geplanten Größenordnung ein autarkes Center wird, das keine Anbindung an die Kern-City mehr benötigt“.

URW gibt in seinem Pressestatement an, dass die Vermietungsaktivitäten sehr gut laufen. Das Interesse sei nach wie vor hoch. Wegen Corona habe man allerdings in allen Bereichen das Tempo etwas rausnehmen müssen, so Dirk Hünerbein, Entwicklungschef von Unibail-Rodamco-Westfield Germany. „Aber wir sind da entspannt und machen uns keine Sorgen. Wir werden mit vollen Mietflächen eröffnen“. In den drei Jahren bis zur Eröffnung würden sich Einzelhändler wie Gastronomieanbieter ohnehin neu erfinden und Konzepte weiterentwickeln. „Wir müssen auf das Timing achten. Konzepte, die jetzt angesagt sind, können in drei Jahren veraltet sein. Wir setzen da auf die Innovationskraft unserer Mietpartner“, so Hünerbein.

Geplant ist ein Mix aus lokalen, nationalen und internationalen Marken. An exponierter Stelle soll ein renommierter Department Store angesiedelt werden. Mit mehreren attraktiven Partnern werde verhandelt, heißt es. In Presseberichten werden immer wieder die Kaufhauskette Breuninger, die französische Nobelmarke Galeries Lafayette sowie die Kaufhauskette John Lewis & Partners gehandelt.

Davon sei in der Branche aber bisher nichts zu hören, merkt ein Branchenkenner an. Auch für Giganten wie URW dürften derzeit Vermietungen im Textilbereich schwierig sein. Selbst die Großen könnte der Mut verlassen haben, neu einzusteigen. Hin und wieder wird auch darüber spekuliert, ob das Center in der geplanten Größe überhaupt kommen wird oder ob zu mehr Wohnen und Büro umgeplant wird.

„Wir sehen keine Veranlassung, am Nutzungsmix etwas zu ändern“, gibt sich Entwicklungschef Hünerbein dagegen optimistisch: „Wir bleiben bei unseren Plänen. Hier zeigt sich doch gerade die Vielseitigkeit, Attraktivität und Zukunftsfähigkeit von Mixed-use-Projekten.“