RICS Global Commercial Property Monitor

Die Erholung der Immobilienmärkte könnte mehr Zeit benötigen, als erwartet

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War die Stimmung in der globalen Immobilienwirtschaft im ersten Quartal 2023 etwas weniger schlecht als im Quartal zuvor, ging es mit der Stimmung – gemessen im RICS Global Commercial Property Monitor (GCPM) – im zweiten Quartal infolge schlechter Nachrichten wieder deutlich nach unten. So gab der Commercial Property Sentiment Index (CPSI) von -11 auf -14 nach und verzeichnete seit fünf Quartalen in Folge ein negatives Ergebnis. In Deutschland sank der Index sogar von -28 auf -34 und auch in ganz Europa war er negativ. Der RICS-Bericht basiert auf der Befragung von weltweit 3 000 Immobilienexperten.

Wie Susanne Eickermann-Riepe FRICSVorsitzende des RICS European World Regional Board (EWRB), bei Vorlage der Quartalszahlen darlegte, wurden Immobilien zuletzt als risikoreiche Anlage eingestuft, was dazu führte, dass bei den als risikoreicher angesehenen Assets die Kreditvergabe vielfach überdacht wurde. In diesem Szenario gilt vor allem Europa als weltweit schwierigste Region. Fünf Länder, darunter DeutschlandFrankreich und die Niederlande, haben besonders zu kämpfen. Eine Ausnahme  in Europa bildet Griechenland.

Hinzu kommt, dass die weltweite Wirtschaftsentwicklung nicht sonderlich gut läuft und die Nachrichten vom schwergewichtigen chinesischen Immobilienmarkt beunruhigend sind. Und auf globaler Ebene stieg der Nettosaldo der Befragten, die angaben, dass das Kreditumfeld restriktiver wird, von -29% im ersten Quartal auf -33% im zweiten. Vor diesem Hintergrund schätzt Eickermann-Riepe, dass die Erholung auf den globalen Immobilienmärkten und in Europa wahrscheinlich mehr Zeit benötigen wird als zunächst erwartet. Ablesen lässt sich das an der schwierigen Lage bei den Projektentwicklern und dem sichtbaren Kampf der Investmentmärkte mit den verschärften Finanzierungsbedingungen. Der Einbruch bei den Transaktionsvolumina in den vergangenen Quartalen seit Anhebung der Leitzinsen durch die Notenbanken ist ein Beleg dafür – genauso wie die Tatsache, dass seit der Wende auf den globalen Immobilienmärkten die Stimmung unter den Investoren deutlich negativer ausfällt als bei den Mietern. Vor der Wende war es genau umgekehrt.

In diesem schwierigen Umfeld hat auch der deutsche Immobilienmarkt seinen Nimbus als sicherer Hafen für Immobilieninvestments eingebüßt, wie Jens Böhnlein MRICSVorstandsvorsitzender der RICS Deutschland, bei Vorlage der Zahlen darlegte: Der Standort werde immer noch als „teuer“ beurteilt, zitiert er die Einschätzung von 72% der Befragten. Deshalb werden die Kapitalwerte hierzulande nach seinen Worten noch weiter nachgeben – auch in den Prime-Lagen. Das sei aber noch nicht überall angekommen, mahnt er mit Blick auf die Tatsache, dass es immer noch Marktakteure gibt, die auf eine baldige Wende zum Besseren hoffen.

Kapitalwerte könnten weiter sinken

Gemäß der jüngsten RICS-Umfrage sehen 80% der Befragten den deutschen Immobilien-Markt im aktuellen Zyklus in der Phase des Abschwungs, die Investorenstimmung (ISI) ist von -38 auf -43 gesunken und verharrt damit zum fünften Mal in Folge im negativen Bereich. Die Stimmung der Mieter – gemessen im Occuppier Sentiment Index (OSI) – ging von -19 auf -25 zurück. Komplettiert wird das Bild durch die Tatsache, dass die Investorennachfrage über alle Asset-Klassen hinweg von -49 auf -53 gesunken ist. Im schwachen europäischen Umfeld steht Deutschland damit noch etwas schlechter da.

„Nach einer sehr langen Phase des Wachstums (Mieten, Kapitalwerte und Wirtschaft) hat nun der Abschwung begonnen und wird einige Zeit brauchen, um sich zu erholen“, fasst ein Marktakteur aus Berlin laut RICS-Studie die Lage auf dem hiesigen Immobilienmarkt zusammen: „Die Marktwerte werden im Allgemeinen durch eine Kombination aus hoher Inflationsrate, höheren Fremdkapitalkosten, viel weniger Entwicklungen beeinflusst und könnten in den innerstädtischen Top Tier Lagen zu einer Senkung der Mieten um 20% und einem geringeren Flächenumsatz der Leasingmärkte führen.“ Eine Erholung des Marktes sieht er nicht innerhalb der nächsten beiden Jahre (2025)

In diesem Umfeld verschlechterte sich laut RICS-Umfrage bei der Bewertung deutscher Büroimmobilien der Nettosaldo von -65% auf -67%, bei Industrieimmobilien von -26% auf -31% und bei Einzelhandelsimmobilien von -57% auf -62%, nachdem er sich hier vom vierten Quartal 2022 auf das erste Quartal 2023 zunächst verbessert hatte. Allerdings muss man bei Handelsimmobilien beachten, dass es hier große Unterschiede gibt. So haben sich Objekte, die der Nahversorgung dienen, in den Krisenzeiten als sehr resilient erwiesen.

Etwas anders stellt sich das Bild bei den Kapitalwerterwartungen für die einzelnen Anlage-Klassen in den nächsten zwölf Monaten dar. „Auch hier verschlechterten sich Büroimmobilien, wobei der Nettosaldo von -58% auf -67% fiel“, wie die RICS-Umfrage ergab. Dagegen sind die Aussichten bei den Kapitalwerten von Industrieimmobilien von -39% auf -34% gestiegen und bei Einzelhandelsimmobilien ganz leicht von -74% auf -73%. Per Saldo verschlechterten sich die Kapitalwerterwartungen über alle Asset-Klassen hinweg damit aber leicht von -57% auf -58%.

Mieterwartungen der Marktakteure haben sich eingetrübt

Auch bei den Mieterwartungen der Marktakteure für die nächsten zwölf Monate hat sich im zweiten Quartal die Einschätzung der Befragten eingetrübt: Die Mieterwartungen drehten von +2% ins Negative auf -14% über alle Assetklassen hinweg. Deutlich war die Wende bei Büroimmobilien von +11% auf -8%. Bei Industrieimmobilien blieb der Wert mit +21% immerhin deutlich im positiven Bereich, auch wenn der Rückgang von 23 Prozentpunkten deutlich ausfiel. Bei Einzelhandelsimmobilien, die durch den Online-Handel und die Corona-Restriktionen schon einen langen Strukturwandel durchlaufen, gingen die Mietaussichten von -51% auf -53% zurück.

In diesem Umfeld sieht Jens Böhnlein im deutschen Markt positive Signale zumindest im Bereich Einzelhandel und Hotels, während er Büroimmobilien vor der Herausforderung sieht, in Zeiten der Flexibilisierung der Arbeit ihre „Resilienz in einem sich nachhaltig veränderten Marktumfeld unter Beweis zu stellen“.

Ein Marktakteur aus Paris fasst die aktuelle Lage auf den europäischen Immobilienmärkten so zusammen: „Was als lang erwartete zyklische Marktkorrektur begann, ist nun eingetroffen: Eine vollständige Neubewertung der Büro-, Vorstadt und Regionalmärkte in Verbindung mit einer Kreditklemme im Bankensektor und dem Aufkommen von Kreditportfolios vor dem Hintergrund steigender Zinsen.“