Kaufkraft für Bekleidung und Schuhe

Die Deutschen sind die Modemuffel unter den Europäern

rv DÜSSELDORF. Weite Teile des deutschen Mode-Handels kämpfen auch drei Jahre nach Abflauen der Corona-Pandemie immer noch mit den Folgen der Verkaufsbeschränkungen. Beim Umsatz wurde das Vor-Corona-Niveau von 2019 noch nicht wieder erreicht und in den ersten vier Monaten 2025 waren die Erlöse rückläufig. Interessant ist in diesem Kontext, dass die Bundesbürger im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich viel Geld für Bekleidung und Schuhe ausgeben, wie eine Studie von NIQ-GfK zeigt.

So belegen die Ergebnisse der jüngsten Studie von NIQ-GfK zur Sortimentskaufkraft in Europa, dass die Deutschen eher weniger Wert auf Mode legen und entsprechend weniger Geld dafür ausgeben, wie Filip Vojtech, Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing von NIQ-GfK, feststellt. Für die Studie wurde die Pro-Kopf-Kaufkraft in 25 europäischen Ländern untersucht. Und um es gleich vorwegzunehmen: In der Länder-Liste findet sich Deutschland nur auf Platz 18. Mit Ausgaben von durchschnittlich 547 Euro pro Kopf und einem Indexwert von 70,9 im Jahr 2024 liegen die Deutschen auch sehr deutlich unter den europäischen Durchschnittsausgaben von 772 Euro pro Kopf und dem Gleichgewichtswert von 100.

Wie Filip Vojtech weiter ausführt, stehen die Deutschen beim Anteil ihrer Modeausgaben an den gesamten Einzelhandelsausgaben mit 8,1% in der Rangliste sogar auf dem vorletzten Platz – nur noch unterboten von den Finnen, bei denen nur 5% der Einzelhandelsausgaben in den Kauf von Bekleidung und Schuhen fließen. Dagegen fließen im Durchschnitt der 25 untersuchten europäischen Länder 11,1% der verfügbaren Einzelhandelskaufkraft in den Modeeinzelhandel, berichtet der Experte weiter: „Spitzenreiter ist Spanien mit einem Anteil von 14,8%.“

Ins Bild, dass die Deutschen Modemuffel sind, wie NIQ-GfK die Studie über die Sortimentskaufkraft in Europa überschreiben, passt auch, dass die Menschen gemäß BBE Handelsberatung etwa Schuhe hierzulande deutlich häufiger zu Discountpreisen kaufen und sich dieser Trend auch noch verstärken dürfte. Und auch der Erfolg der preiswerten Fast Fashion in Deutschland bestätigt den Eindruck, dass viele Bundesbürgerinnen und Bürger weniger Wert auf Qualität und Mode legen und hier sparen. Das dürfte auch dem deutschen Modehandel das Leben nicht leichter machen.

Gleichzeitig wirft diese Entwicklung aber auch die Frage auf, ob der deutsche Modehandel sein mögliches Potenzial bislang ausschöpft – oder ob es ihm viel zu wenig gelingt, Kaufanreize zu setzen, so dass die Kunden Bekleidung und Schuhe zunehmend bedarfsorientiert einkaufen. Erschwert wird das Geschäft auch dadurch, dass sich die Verbraucher angesichts der stagnierenden Wirtschaft laut BBE zweimal überlegen, was sie brauchen und wofür sie Geld ausgeben.

Dass sich die Einstellung zu Bekleidung und Schuhen in weiten Teilen Europas von der in Deutschland deutlich unterscheidet, lässt sich daran ablesen, dass laut NIQ-GfK die Pro-Kopf-Kaufkraft für Bekleidung und Schuhe in 14 der 25 untersuchten Länder überdurchschnittlich hoch ist. Mit weitem Abstand an der Spitze steht das Kaufkraft-stärkste Land in der EU, Luxemburg, mit 1 777 Euro pro Kopf und einem Indexwert gegenüber dem Gleichgewichtswert von 230,3. Mit deutlichem Abstand folgen auf Platz zwei die kaufkräftigen Schweizer mit 1 096 Euro und einem Indexwert von 142,1 sowie die Norweger mit 1 034 Euro.

Deutliche Unterschiede in den einzelnen Ländern

Auch den Briten, mit 991 Euro auf Platz vier, ist ihr äußeres Erscheinungsbild in punkto Bekleidung deutlich mehr wert als den Deutschen – genauso wie den Franzosen (954 Euro) und den Spaniern (921 Euro), den Iren (912 Euro), den Dänen (911 Euro), den Niederländern (883 Euro) oder den Österreichern (862) – obwohl diese Länder keine höhere Kaufkraft haben als die Deutschen.

Neben den Deutschen gibt es zehn weitere europäische Länder, die laut NIQ-GfK nur über eine unterdurchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft für Bekleidung und Schuhe verfügen. Außer Schweden mit 757 Euro knapp unter dem europäischen Durchschnitt auf Platz 15 und Finnland (460 Euro) finden sich in dieser Gruppe vornehmlich die kaufkraftschwächeren Länder Osteuropas wie Polen (572 Euro), Ungarn (496 Euro), Tschechien (490 Euro) oder die Slowakei (423 Euro). Mit einer Kaufkraft von 375 Euro bildet Rumänien im Durchschnitt betrachtet das Schlusslicht unter den 25 Ländern.

Aber auch in Rumänien gibt es deutliche regionale Unterschiede. So geben die Einwohner der Hauptstadt Bukarest laut Studie fast dreimal so viel Geld für Mode aus wie ihre Landsleute im Kreis Giurgiu, der südlich von Bukarest an Bulgarien grenzt. Ganz generell gilt – genauso wie bei der Pro-Kopf-Kaufkraft – dass die Menschen in den Regionen in und um die meisten europäischen Hauptstädte eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft für Mode haben – beispielsweise auch in Frankreich, Portugal, Großbritannien und den skandinavischen Ländern.

Zu den Ausnahmen gehört Italien, das mit einem Durchschnittswert von 836 Euro pro Kopf auf dem zwölften Platz steht. Zwar geben die Bewohner der Hauptstadt Rom überdurchschnittlich viel Geld für Bekleidung und Schuhe aus, doch ist die ModemetropoleMailand im prosperierenden Norden des Landes laut Studie unangefochtener Spitzenreiter. Die Mailänder können 30% mehr Geld ausgeben als der durchschnittliche Italiener. Auch in Spanien ist die durchschnittliche Kaufkraft für Mode in den baskischen Fashion-Hotspots, den Provinzen Gipuzkoa und Bizkaia an der Atlantikküste, höher als die der Menschen in Madrid.

Und auch in der Bundeshauptstadt Berlin, deren Entwicklung nach dem Krieg durch die Teilung behindert wurde, liegt die Kaufkraft für Mode sogar noch unter dem schlechten Bundesdurchschnitt. Dass Berlin für viele namhafte Modemarken dennoch sehr attraktiv ist, liegt an den vielen Touristen, die jährlich die Stadt an der Spree besuchen. Die höchste Mode-Kaufkraft findet sich hierzulande laut NIQ-GfK aber in und um München – der Landkreis München gehört ohnehin zu den kaufkraftstärksten Regionen Deutschlands – sowie in der Hansestadt Hamburg.