Schuheinzelhandel

Die Branche fordert endlich eine Perspektive

Der Schuhhandel kämpft mit den Zwangsschließungen. Foto: Igedo Düsseldorf

Nach drei Katastrophen-Saisons seit Frühjahr 2020 wird die Lage für das Gros der stationären Schuheinzelhändler hierzulande kritisch. Die Online-Konkurrenz wächst, gleichzeitig ist das Marktvolumen 2020 geschrumpft, weil sich die Kunden mit dem Geldausgeben zurückhalten. Die Branche fordert endlich eine Perspektive.

„Bei gut 3 000 Unternehmen mit rund 10 000 Stores sind empfindliche Lücken in unseren Innenstädten zu befürchten, zumal die wirtschaftliche Situation im Bekleidungshandel ähnlich dramatisch ist“, versucht Brigitte Wischnewski, Präsidentin des BDSE Handelsverband Schuhe, die Folgen aufzuzeigen, die der endlose Shutdown seit Mitte Dezember 2020 für die Schuheinzelhändler und auch die Innenstädte haben wird. Nur vereinzelt konnten einige Einzelhändler in Regionen mit niedriger Inzidenz phasenweise öffnen – meist mit Terminvergabe.

Für den Umsatzverlust von etwa 700 Mio. Euro pro Monat durch die Zwangsschließungen in der Branche ist das kein Ausgleich. Wie die BDSE-Präsidentin vorrechnet, hat der stationäre Schuhfachhandel im ersten Quartal 2021 pandemiebedingt gegenüber der Vor-Corona-Zeit 1,5 Mrd. Euro Umsatz eingebüßt. Nach dem Ausfall des Ostergeschäfts und damit des Starts in die Frühjahrs-Saison im Jahr 2020 folgten für die Branche der Ausfall der Herbst-/Wintersaison 20/21 und der Wegfall des Oster-/Frühjahrsgeschäfts 2021, so dass viele Betriebe auf ihren Lagerbeständen und damit ihren Verlusten sitzen bleiben, wie Wischnewski in ihrem Bericht zur Messe Gallery Shoes & Fashion vom 18. - 20. April beklagte.

Vor diesem Hintergrund gehen nach einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) 58% der Schuhfachhändler davon aus, dass sie ohne weitere staatliche Hilfen ihr Geschäft noch in diesem Jahr schließen müssen. Denn die bislang ausgereichten Hilfen der Bundesregierung reichen nicht aus und nicht wenige Händler sind bislang sogar leer ausgegangen.

Dass die Bundesbürger nach dieser langen Zeit ohne Einkaufsmöglichkeiten im stationären Nonfood-Handel ins Internet ausweichen (müssen), wenn sie etwas brauchen, belegen seit dem ersten Shutdown auch die regelmäßigen Untersuchungen des IFH Köln. Der Online-Handel ist überproportional gewachsen. Nach den Berechnungen des BDSE ist dessen Anteil am deutschen Schuhmarkt bedingt durch die Zwangsschließungen im Vorjahr von 26% auf  34% gestiegen.

Zwar sind in diesen Zahlen nicht nur die Erlöse der „Online Pure Player“ wie etwa Zalando enthalten, sondern auch die Umsätze der Multichannel-Einzelhändler mit stationären Wurzeln, die in der Krise ihren digitalen Vertriebsweg stark ausgebaut haben, doch konnte der Online-Vertrieb dieser Händler laut Wischnewski den Verlust bei Umsatz und Rendite im stationären Geschäft nicht ausgleichen. Dagegen ist der Versand- und Online-Handel im Vorjahr um 15% gewachsen.

Die Politik muss die wahren Ursachen ermitteln

Ein positiver Aspekt ist, dass sich viele kleine und mittelgroße Schuhgeschäfte in der Zeit des Shutdowns neue digitale Kommunikationskanäle zu ihren Kunden erschlossen oder ihre digitalen Tools aus Servicegründen optimiert haben. Meist liefen die Verkäufe über Online-Marktplätze und Online-Plattformen. Zumindest gelang es den Betrieben damit laut Wischnewski, zumindest einen Teil der Läger abzubauen.

Diese negative Entwicklung unter Pandemie-Bedingungen hat aber nicht nur den Online-Handel befördert, sie hat nach Feststellung des Branchenverbands auch dazu geführt, dass das Marktvolumen insgesamt geschrumpft ist – um 13,5% auf 10,2 Mrd. Euro. Die Bundesbürger halten sich mit Geldausgeben spürbar zurück. Dabei büßte der stationäre Schuhhandel - gemessen an Vor-Corona-Zeiten – im Vorjahr 23% seiner Erlöse ein. Und auch andere Vertriebsformen wie die Kauf- und Warenhäuser und Bekleidungsgeschäfte mit Schuh-Sortimenten, die gleichfalls vom Shutdown betroffen waren, verzeichneten zweistellige Umsatzverluste.

Mit Blick auf diese prekäre Lage des stationären Schuhhandels fordert der Verband, dass mit der jüngst verabschiedeten Verschärfung und bundesweiten Vereinheitlichung des Infektionsschutzgesetzes sowie weiteren Corona-Maßnahmen das Problem endlich bei der Wurzel gepackt wird. Wischnewski (Foto links): „Gesetzgeber und Behörden sollten sich auf die wirklich wirksamen Lösungen zur Eindämmung der Pandemie konzentrieren und nicht auf Wirtschaftsbereiche, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum Effekte auf das Infektionsgeschehen haben“, verweist sie auf Studien des Robert-Koch-Instituts und der TU Berlin. Dieser Forderung schließen sich auch der Handelsverband Textil (BTE) an: Die Politik müsse endlich sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergreifen. Laut BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels dürfe der stationäre Fachhandel „nicht weiterhin als Bauernopfer dienen, weil die Politik die wahren Treiber der Pandemie nicht fassen kann oder will“.

Er fordert für den stationären Modehandel zeitnah Schritte in Richtung einer weitgehenden Öffnung, damit die Branche diese Pandemie überleben kann: „Andernfalls werden auch viele Cities endgültig zu Geisterstädten“, teilt Pangels die Sorge von BDSE-Präsidentin Wischneski.

Der stationäre Handel darf nicht Bauernopfer sein

Damit der angeschlagene stationäre Schuhhandel überhaupt überleben kann, fordert der BDSE bei den Corona-Hilfen eine Nachbesserung. „Wenn schon der Nonfood-Handel diesen Kraftakt zur Eindämmung der Pandemie leisten soll, dann muss der Staat auch für einen fairen Schadensausgleich sorgen“, fordert die BDSE-Präsidentin.

Die Erhaltung der stationären Fachhändler mit ihrem fachkundigen Personal ist aus ihrer Sicht nicht nur deshalb notwendig, um Babys und Kindern, deren Füße schnell wachsen, sachkundig zu versorgen, sondern auch die Erwachsenen. Auch für sie sei gut passendes Schuhwerk „gesundheitlich geboten“, um Fußdeformationen, Nervenschmerzen und Fehlhaltungen mit orthopädischen Folgeschäden zu verhindern.