Q-Commerce mit Lebensmitteln (Teil 2): Vereinigte Staaten

Der zweitgrößte eFood-Markt lässt bitten

Quelle: Habona

Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel entfallen nur sehr geringe Umsatzanteile auf den Onlinehandel. Gründe hierfür sind das dicht gesponnene Filialnetz- sowie die polyzentrale Siedlungsstruktur, die für den eFood-Sektor hohe Kosten- und Wettbewerbshürden darstellen. Im Rahmen seiner laufenden Marktbeobachtung hat der auf Nahversorgungsimmobilien spezialisierte Asset Manager Habona Invest auch internationale Märkte im Blick wie etwa die USA, die in dieser Folge beleuchtet werden.

Knapp hinter China stellen die USA den weltweit zweitgrößten Markt für online bestellte Lebensmittel dar. Neben der Innovationsfreudigkeit des eFood-Sektors ist dies auch der Größe des Lebensmittelarktes geschuldet, auf dem jährlich Waren für rund 800 Mrd. $ umgesetzt werden.

Die Struktur des US-Lebensmittelmarktes ist einerseits durch die hohe regionale Dispersität und andererseits durch die Dominanz der Hypermärkte geprägt. Im Ergebnis ist das Netz des stationären Lebensmittelhandels grundsätzlich sehr weitmaschig gesponnen. Für gut 330 Millionen Einwohner stehen gut 38 000 Lebensmittelmärkte zur Verfügung. Der größte Händler Walmart mit einem Anteil von rund 25% am stationären Food-Umsatz, betreibt lediglich rund 4 800 Filialen, davon rund 3 500 Superstores.

Rund 40% des stationären Umsatzes ist Einkaufsclubs, einer Vielzahl regionaler Mittelständler sowie Convenience-Stores unterhalb der Supermarktschwelle, zuzuschreiben. Ähnlich wie in Großbritannien ist der kleine Tüteneinkauf typisch für die älteren Stadtteile der großen Städte, während in den Vorstädten sowie in den Kreisstädten der Peripherie Fachmarktagglomerationen mit typischem Hyper- und Verbrauchermarktbesatz vorherrschend sind.

Wegen der geringen Dichte der Versorgungsinfrastruktur bietet der US-Lebensmittelmarkt ein grundsätzlich hohes Nachfragepotenzial für eFood. Während die Großstädte engmaschige Liefernetze bei schwachem Wettbewerb ermöglichen und somit eFood begünstigen, behindert die Weitläufigkeit des Landes allerdings eine Ausdehnung der Lieferdienste über die Stadtgrenzen hinaus. Der Marktanteil von eFood ist deshalb mit aktuell gut 4% noch überschaubar.

Click&Collect – die letzte Meile ist Sache des Kunden

Die Angaben über die Größe des eFood-Marktes in den USA gehen weit auseinander. Die amtlichen Statistiken greifen auf die Gesamtumsätze von Lebensmittelhändlern, Restaurantketten, Shopping-Apps zurück, die allerdings zu einem großen Anteil Nonfood- und Gastronomieumsätze enthalten. Die Gesamtsumme belief sich 2021 auf gut 100 Mird. $. Auf Basis der Consumer Panels der Marktforscher und der Jahresberichte der gelisteten Unternehmen belief sich der eFood-Umsatz im engeren Sinne, d. h. mit Lebensmitteln und Drogeriewaren, auf nur gut 34 Mrd. $.

Im Unterschied zu Deutschland wird die Dynamik im Onlinehandel stark durch die stationären Lebensmittelhändler selbst beeinflusst. Zwar hat Amazon mit gut 20% Marktanteil den unangefochtenen Lead bei eFood in engeren Sinne, aber die etablierten Lebensmittelketten bedienen sich verschiedener Onlinekanäle, um ihren Anteil am eFood-Markt zu erhöhen. Anstatt eine aufwändige eigene Lager- und Lieferinfrastruktur aufzubauen, wurde vor allem Click & Collect ausgebaut, das 2021 bereits rund 40% der eFood-Umsätze ausmachte. Zusätzlich werden mehr als anderswo Plattformdienste Dritter genutzt.

Mit Click & Collect-Modellen haben vor allem Kroger und Walmart starke Marktanteile von jeweils rund 16% am eFood-Markt errungen. Beide Unternehmen nutzen das eigene Netz an Hypermärkten für Lagerhaltung, Distribution, Abholung. Walmart hat zudem mit z. T. spektakulären Preisaktionen gezielt gegen die Expansion von Amazon fresh gearbeitet. Kroger kooperiert mit Ocado.

Wenngleich auch in den USA der Optimismus für eFood während der Pandemie zunächst stark zugenommen hat, werden auch die Grenzen der Geschäftsmodelle offen erörtert. Ähnlich wie in anderen dezentral organisierten Staaten werden die Herausforderungen für das gesamte Land ungleich höher eingeschätzt als in dicht besiedelten Ballungsräumen der Global Cities oder asiatischen Megastädten.

In den USA hemmt vor allem die sehr fragmentierte Nachfrage in den verschiedenen Landesteilen die Skalierung der Lieferkettenprozesse. Fahrzeugflotten, Fulfillment Center und Last-Mile-Konzepte müssen unterschiedlichsten örtlichen Bedingungen angepasst werden und schieben die Profitabilitätsschwelle immer höher. Amazon hat aus diesen Gründen das Lebensmittelangebot in einigen ländlich geprägten Bundesstaaten wieder eingestellt.

Q-Commerce: Kosten- und Bewertungsprobleme

Aber selbst unter günstigsten räumlichen Bedingungen wie z. B. in New York City steigt für die Unternehmen der Effizienzdruck im Wettbewerb um die günstigsten Liefergebühren. Für Konzepte, die Lieferkosten nicht an die Kunden weitergeben wollen oder können, bedeutet dies dauerhafte Defizite. Erst kürzlich hat Trader Joe’s seine Haustürdienste im Big Apple wieder eingestellt.

Die bereits 2012 gegründete Food-Plattform Instacart, mit rund 25 000 angebundenen Lebensmittelfilialen reichweitenstärkste Grocery-App Nordamerikas, kämpft mit geringen Bestellwerten bei zu hohen Kosten. Bei einem Umsatz von nur rund 1,8 Mrd. $ belief sich die Bewertung des Unternehmens 2021 noch auf 39 Mrd. $. Mittlerweile hat der Hauptinvestor Capital Group den Wert im Juni 2022 auf knapp 15 Mrd. $ korrigiert.

Das Onlinewachstum der traditionellen Lebensmittelketten beruht deshalb neben dem stark steigenden Click & Collect-Anteil auch auf Same-Day-Delivery-Services aus den Filialen heraus. Das klassische Filialgeschäft wird dadurch ergänzt und gestärkt, zudem kann durch die Integration von E-Services eine bessere Auslastung des Personals erzielt werden. Neben den Whole Foods Markets von Amazon liefert eine wachsende Zahl an Target- und Walmart-Filialen direkt aus den Läden, auch in Kooperation mit oder durch Zukauf von externen Lieferdiensten wie Postmates bzw. Shipt.Aldi setzt dagegen auf die weitere stationäre Expansion mit über 1 000 zusätzlichen Läden in den nächsten fünf Jahren – aber nicht ohne auch das Click & Collect-Angebot weiter auszubauen.