Immobilienmarkt im Umbruch

Der Wert einer Immobilie wird neu verhandelt

Nahversorger können sich gut behaupten. Foto: Habona

Die Null-Zins-Phase, in der auch zweifelhafte Immobilien noch an Wert zulegten, scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen. Verkäufer müssen zähneknirschend akzeptieren, wie von ihren Wunschpreisen die höheren Finanzierungskosten abgezogen und nutzungsspezifische Risiken deutlich stärker eingepreist werden. Mit der Rückkehr des Zinses sehen die Anleger zudem wieder Alternativen zur Immobilie. In der Folge sieht sich die Assetklasse Immobilie mit steigenden Renditeerwartungen und sinkender Risikobereitschaft konfrontiert. Nicht wenige Immobilienfonds stehen deshalb unter Abwertungsdruck. Gut, wer mit Mieterhöhungen und solventen Mietern dagegenhalten kann. Attraktive und verlässliche Mietrenditen sind heute wieder das A & O einer Immobilieninvestition.

Mit steigenden Liegenschaftszinsen reagieren die Gutachterausschüsse auf die deutlich gestiegenen Erwartungen der Investoren an die Ertragssituation von Immobilien. Da der Liegenschaftszins gleichzeitig eine wichtige Rechengröße bei der Bewertung von Immobilien darstellt, sind deren Werte in kurzer Zeit zum Teil erheblich unter Druck geraten.

Ich verfolge mit großer Aufmerksamkeit, wie sich selbst sehr erfolgreiche Investments in Nahversorgungsimmobilien der neuen Bewertungsrealität stellen müssen. Auch bei sehr langfristiger Anmietung und äußerst zuverlässigen Cash-flows durch krisenfeste Mieter wie EdekaReweLidl oder Aldi kann man sich dem Bewertungsdruck nicht entziehen. Die Habona Publikums- wie auch Spezialfonds beispielsweise zeigen aber, wie durch Mieterhöhungen und bonitätsstarke Mieter zinsbedingte Abwertungen kompensiert werden können.

Mieterhöhungen in Bestandsportfolien der Habona ergeben sich zum einen aus indexierten Mietverträgen und zum anderen aus der Leistung unseres Asset Managements. Durch die übliche Kopplung von Gewerbemieten an den Verbraucherpreisindex (vpi) folgen die Erträge in der Inflation, da die Mieter in der Lage sind, höhere Mieten aus höheren Umsätzen auch zu erwirtschaften.

Da die Mieten branchenüblich nur zu rund 70% dem vpi folgen, wird der Mieter wirtschaftlich nicht überfordert. Somit wächst die ohnehin hohe Sicherheit der Mieteingänge über die Laufzeit des Mietvertrages. Darüber hinaus verfolgt Habona mit dem Mieter eng abgestimmte Optimierungsmaßnahmen am oder im Gebäude, die zu einer vorzeitigen Mietvertragsverlängerung bei oftmals höherer Miete führen.

Auf Grund der Mietsteigerungen in den Habona-Portfolios konnten die Bewertungsfaktoren gesenkt werden, ohne die absoluten Immobilienwerte angreifen zu müssen. In Immobilienklassen, die im aktuellen Rezessionsumfeld keine Mieterhöhungen erlauben – z.B. Standardbüros, Geschäftshäuser in Fußgängerzonen, Shopping-Center oder preisgebundene Wohnungen – haben die Wertgutachter m.E. kaum eine andere Möglichkeit, als die Bestände abzuwerten. Bisher waren in Deutschland Abwertungen von bis zu 30% bei Büro- und rund 10% bei Wohnportfolien zu verzeichnen.

Ohne Mietsteigerungspotenziale drohen Abwertungsrisiken

Häufig wird der Immobilienzyklus bemüht, um Wertschwankungen zu begründen. So wie das plötzlich gestiegene Zinsniveau zu Wertabschlägen geführt hat, so werde ein absehbar sinkendes Zinsniveau wieder zu Aufwertungen führen. Ob diese Einschätzung tatsächlich so eintreten wird, ist zu bezweifeln. Denn der zinsbedingte Zyklus wird überlagert durch strukturelle Veränderungen auf den Nutzermärkten.

So, wie der Online-Handel dauerhaft Einzelhändlern in den Fußgängerzonen Umsatz und Ertrag streitig macht, so substituieren Home Office und Remote Work einige Millionen Quadratmeter Bürobestand. Zudem verschieben die Alterskohorten der Babyboomer dank Rente mit 63 ihren Lebensmittelpunkt an ihren Wohnort. Es ist davon auszugehen, dass die Verlagerung von Nutzungen, Tätigkeiten und Lebenszeit in den digitalen Raum oder in das eigene Wohnzimmer noch deutlich mehr, als heute schon befürchtet, zu einer Neubestimmung bisheriger Nutzungsklassen, Objekt- und Lagequalitäten führen wird.

Die geringe Onlinerelevanz bei der täglichen Bedarfsdeckung, der Wunsch der Konsumenten nach schnell erreichbaren Einkaufsorten sowie die wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln garantiert dagegen die Bedeutung der Nahversorgungsimmobilie für Verbraucher wie auch für Mieter. Die Lebensmitteleinzelhändler erzielen rund 65% ihrer Umsätze in angemieteten Objekten, die damit integraler Bestandteil der deutschen Lebensmittelinfrastruktur sind.

Auf Grund ihres nicht-zyklischen, krisenresilienten Realnutzens sind Preiskorrekturen bei Nahversorgungsimmobilien überschaubar geblieben. Angesichts hoher Neubaukosten dürfte sich der Fokus künftig auf Bestandsimmobilien richten und den Wettbewerb um gute Standorte anheizen. Mieten und Preise dürften damit wieder zulegen – möglicherweise sogar oberhalb der Inflation. Für Investoren, die ihre Immobilienquote erst noch reduzieren müssen, ergeben sich günstige Zeitfenster, mit Nahversorgern gute Verkaufserlöse zu erzielen.

Nach zahlreichen Gesprächen im Rahmen des zuletzt sehr dichten Konferenzprogramms bin ich nun überzeugt, dass es die Nahversorgungsimmobilie sein wird, die den neuen Immobilienzyklus anschieben wird. Ihr Infrastrukturcharakter und ihre systemische Nähe zur Logistikimmobilie macht sie zur idealen Sachwertanlage in einem ansonsten von Entwertung geprägten Kapitalmarktumfeld. Das gegenüber dem Marktwachstum begrenzte Immobilienangebot im Nahversorgungssektor in Verbindung mit der geringen konjunkturellen Abhängigkeit liefert nicht nur schon jetzt attraktive Ausschüttungen, sondern verspricht insbesondere im Value-Add-Bereich interessante Total Return Renditen. Privatanleger, Family Offices und ausländische Kapitalquellen sind in überschaubaren Größenordnungen bereits unter dem Radar aktiv. Noch 2024 werden wir interessante Transaktionen sehen, möglicherweise auch schon durch eine anziehende inländische Nachfrage.