Konsummonitor Nachhaltigkeit

Der Second-Hand-Markt legt deutlich zu

Second-Hand-Ware aus dem Online-Shop. Foto: Sellpy

rv DÜSSELDORF: „Fast Fashion“ war gestern. Die lange Phase des Nachdenkens während der Pandemie und die tiefgreifenden Veränderungen durch den russischen Angriffskrieg haben das Bewusstsein in der Bevölkerung für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit offenbar weiter geschärft. Nach den Ergebnissen des neuen HDE-Konsummonitors orientieren sich 58% der Menschen bei ihren Konsumentscheidungen am Thema Nachhaltigkeit. Second-Hand-Ware profitiert von diesem Trend. Und auch das Reparieren gewinnt wieder an Bedeutung

Vor diesem Hintergrund trägt der aktuelle Konsummonitor Nachhaltigkeit des Handelsverbands Deutschland (HDE), für den das IFH Köln hierzulande 1 500 Personen befragt hat, auch den Untertitel: Reduce, Re-use, Recycle und Repair. Ergänzt wurde die Studie durch eine weitere Umfrage unter 1 000 Personen für den Second Hand Onlineshop Sellpy und durch das Marktforschungsinstitut Appinio.

Nach den Worten von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, setzen „die aktuellen ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen neue Akzente in der gesellschaftlichen Diskussion um nachhaltige Lebensweisen“. Dabei stehe der Konsum nachhaltiger Produkte schon seit Jahren im Fokus, werde aber zunehmend ergänzt durch Facetten wie Konsumverzicht und Wiederverwendung.

Dass bereits 58% der Befragten bei ihrem Konsum das Thema Nachhaltigkeit auf dem Radar haben, belegt laut HDE-Monitor, dass das Thema im Bewusstsein der breiten Masse angekommen ist. Davon kaufen 39% der Befragten auch bereits gezielt nachhaltig ein. Von der Erkenntnis bis zur Umsetzung braucht es demnach Zeit. Laut Studie ist das Bewusstsein bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. Doch obwohl der Begriff Nachhaltigkeit in aller Munde ist, ist nicht immer klar umrissen, was genau darunter verstanden wird.

Im Nachhaltigkeit-Monitor werden in diesem Kontext darunter die faire Behandlung von Mitarbeitern, Aufrichtigkeit, gesellschaftliche Verantwortung, soziale und ökologische Werte, Fairness im Wettbewerb und das Engagement für die Umwelt verstanden, verknüpft mit der Frage, wie wichtig den Konsumenten diese Aspekte bei der Wahl von Geschäften und Handelsunternehmen sind. Dabei zeigte sich, dass allen Themen eine überdurchschnittliche Bedeutung von 66% und mehr beigemessen wird. Bei den Nachhaltigkeitsbewussten liegt der Wert sogar zwischen 74% und 84%. Entsprechend dürfte es sich für den Handel auszahlen, diese Themen in den Fokus zu rücken.

Wie sich dieses Bewusstsein beim Thema Reparaturen von Produkten auswirkt, lässt sich am deutlichsten beim Gebrauch von Fahrrädern ablesen. Im Vergleich zu Schuhen, Fernsehgräten, Möbel oder Smartphones werden Fahrräder nicht zwingend neu gekauft. Für einen erheblichen Teil (48% der Nennungen) ist der Kauf eines generalüberholten Fahrrads durchaus eine Option. Auch auf den Kauf eines gebrauchten Fahrrads von privat oder vom Flohmarkt (47% der Nennungen) greifen viele zurück und viele bringen ihren Drahtesel (21% der Nennungen) in die professionelle Reparatur. Das Ausgabevolumen für Reparaturen insgesamt liegt laut Studie bei 3,3 Mrd. Euro.

Inflation begünstigt Reparatur von Waren

Beschleunigt wird die Reparatur von Produkten oder der Kauf von gebrauchten Gütern zudem durch die hohe Inflation und die starke Erosion der Massenkaufkraft. So konstatiert HDE-Hauptgeschäftsführer Genth, dass gerade in Zeiten hoher Inflation für viele (…) der Kauf und die Nutzung gebrauchter, reparierter oder geliehener Waren immer interessanter“ wird. Neben den finanziellen Gründen und dem Umweltschutz sieht Genth zudem den Wunsch nach einem individuellen, nachhaltigen Lebensstil als Motiv.

Vor diesem Hintergrund nimmt aus seiner Sicht die wirtschaftliche Bedeutung von solchen Angeboten deutlich zu. Genth: „Besonders wachstumsstark ist das Marktsegment Second Hand. Immerhin 51% der Konsumenten kaufen Second Hand, 60% haben bereits 2022 mehr Second Hand als früher gekauft, 49% planen für 2023 Mehrkäufe bei Gebrauchtwaren.“ Dabei kaufen die meisten laut Nachhaltigkeits-Monitor (65%) vor allem Mode und Accessoires im Second-Hand-Laden oder im Online-Shop – weit mehr als Spielwaren (48%) und Elektronikprodukte (37%). Wohnaccessoires und Möbel liegen bei 35% bzw. 32%.

Entscheidend beim Second-Hand-Handel mit Bekleidung ist allerdings, dass die Ausgangsware qualitativ hochwertig ist, denn Fast Fashion ist am Ende einer Saison meist verbraucht und nicht mehr verkäuflich. Laut Monitor sortieren – meist die Verbraucherinnen – Kleidung, die nicht mehr gefällt oder passt, regelmäßig aus und geben das Gros (52%) zum Recyclen in den Altkleidercontainer. 45% werden an soziale Einrichtungen gespendet, 33% werden verschenkt und 23% weggeworfen.

Im Rahmen des Weiterverkaufs wählen die Befragten Ebay (22%), Second-Hand-Plattformen (17%), Flohmärkte (12%), Upcycling (10%), Second-Hand-Geschäfte (9%), Onlinehändler wie Zalando (7%), den Kleidertausch auf Parties (6%) oder sie verleihen sie (3%). Wie schon der Blick auf die oben angeführte Aufzählung zeigt, spielt sich das Second-Hand-Geschäft vor allem im Online-Bereich ab. „Aber auch der überwiegend stationäre Branchenfachhandel ist hier aktiv“, teilt der HDE mit.

Auch wenn ein großer Teil der Bekleidung noch in den Altkleider-Container wandert oder weggeworfen wird, so fällt die Prognose des HDE für den Second-Hand-Markt insgesamt positiv aus: Für 2023 erwartet er ein Wachstum um 8% auf knapp 15 Mrd. Euro – oder 2% des gesamten deutschen Einzelhandelsumsatzes. Wie es in der Studie heißt, hat sich das Wachstum analog zur wachsenden Affinität zu Gebrauchtwaren in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, wobei die Digitalisierung der Hebel ist. Auf den überwiegend stationäre Branchenfachhandel entfällt 9,2% des Umsatzvolumens. „Angesichts eines durchschnittlichen, jährlichen Wachstums von 4,9% zwischen 2010 und 2022 offenbart sich Potenzial“, heißt es.

Dem Einzelhandel kommt laut Genth an der Schnittstelle zwischen Herstellern und Endverbrauchern eine besondere Rolle zu: „Durch seine Sortimentsgestaltung und Transparenz über die Lieferkette stellt sich der Einzelhandel den Kundenwünschen nach ökologischem, verantwortlichem und bezahlbarem Konsum und sorgt für die flächendeckende Verfügbarkeit der entsprechenden Waren.“