9. Deutscher Logistikimmobilien-Kongress

Der schwierige Weg in die Innenstädte

Online-Händler wie Amazon treiben den Markt. Foto: Panattoni

Logistikimmobilien erleben gegenwärtig nicht nur auf dem Investmentmarkt und beim Vermietungsgeschäft einen Boom, auch durch den wachsenden Online-Handel nimmt die Bedeutung der Branche zu. Für dieses Geschäft muss sich die Logistikimmobilienbranche aber im Grunde neu erfinden.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie war nach den Worten von Rainer Buchmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dematic GmbH, für die Logistik der absolute Stressfaktor, der der Automatisierung in der Branche, die vielerorts mit Fachkräftemangel kämpft, einen regelrechten Schub verliehen hat. Mehr Leute bestellen – nicht zuletzt auf Grund der Zwangsmaßnahmen zur Infektionsbekämpfung – online, was etwa auch die Zahlen des IFH Köln bestätigen.

Auch im Lebensmittelhandel gibt es laut Buchmann mehr Online-Bestellungen und dieser Trend wird aus seiner Sicht weiter anhalten. Doch schon heute stellt die Auslieferung der wachsenden Zahl von online bestellter Ware die Logistik-Branche vor neue Herausforderungen. „Wir brauchen eine massentaugliche Zustellung“, konstatiert Christian Kühnhold, Geschäftsführer der Smart City Loop GmbH, beim 9. Deutschen Logistikimmobilien-Kongress in Hannover unter Moderation von Frank Weber, Head of Industrial Agency Germany bei JLL, der Corona-bedingt in hybrider Form ausgetragen wurde. Das führe in der Logistik mit Blick auf die Zustellung im eCommerce zu mehr Kleinteiligkeit. Die typischen große Lagerhallen sind deshalb derzeit weniger ein Thema.

„Wir haben ja alle das gleiche Ziel“, so Kühnhold: Die Branche müsse über das Warenvolumen reden und sie müsse die Infrastruktur für die Zustellung in den Innenstädten implementieren. Das Problem ist der Weg von und zu den innerstädtischen Hubs – und das in Zeiten, in denen vermehrt über Nachhaltigkeit diskutiert wird und der Straßenverkehr eingedämmt werden soll.

Das gehe nur noch mit „City Logistik“, sagt Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer der Garbe Industrial Real Estate GmbH, der unter der Headline „Höchste Flexibilität und Qualitätsstandards - das ist nachhaltig“ über die innovativen Wege der Zustellung referierte. Über 80% der Nutzer (Handel), Entwickler und Investoren befassen sich nach seiner Beobachtung derzeit mit diesem Thema.

Die freiwillige Kooperation der DHL mit anderen Zustellern habe nicht viel gebracht, weil die Unternehmen zu viele Berührungsängste hätten und mit Blick auf ihr eigenes Markenbewusstsein keine solche „White-Label-Lösung“ wollten. Auch den Zustell-Robotern, die von einigen Unternehmen getestet wurden, konzediert er keine große Rolle bei der nachhaltigen Lösung für eine umweltfreundliche Zustellung. Genauso sieht er die Zustellung per Drohne nur als Spezialanwendung – aber nicht  mehr. Zudem glaubt er, dass die Menschen es als Bedrohung empfänden, wenn ständig Drohnen über ihre Köpfe fliegen würden.

Roboter und Drohnen sind keine nachhaltige Lösung

Auch die vor allem von der Politik favorisierte „City Logistik“ ist aus Sicht von Hempel durch die damit verbundene „White-Label-Problematik“ keine nachhaltige Lösung für das Problem. Die angedachten Micro Hubs in den Innenstädten in Verbindung mit E-Fahrzeugen gehe dagegen in die richtige Richtung. Es bleibt aber die Frage, wie viele Micro-Hubs etwa in einer Stadt wie Hamburg notwendig sind? Die Schätzungen liegen hier bei etwa 200.

Auch Logistics Marketplaces, ein Konzept, das es bereits in anderen Bereichen gibt, könnten aus Sicht des Geschäftsführers von Garbe Industrial Real Estate Wirkung entfalten. Die Lösung des Transport-Problems mit Hilfe des Konzepts Smart City Loop, das auf unterirdische Tunnel setzt, um die Waren mit elektrischen Transportmitteln in die Innenstadt zu bringen, kann sich Hempel dgegen an einigen Stellen – etwa südlich der Elbe in Hamburg – vorstellen. Damit sei es möglich, eine größere Zahl von Fahrzeugen aus der Stadt herauszuhalten.

Ihr erstes Projekt nimmt die Smart City Loop GmbH laut Kühnhold zusammen mit dem Entwickler Four Parx GmbH, der an dem Unternehmen beteiligt ist, derzeit in Hamburg in Angriff, nachdem eine Machbarkeitsstudie bestätigt hatte, das dieses Konzept technisch durchführbar und wirtschaftlich betreibbar ist und einen bedeutenden Beitrag zur Verkehrsentlastung sowie zum Klimaschutz leisten kann (siehe Visualisierung Seite 6). Der Geschäftsführer spricht hier von einer Transportalternative für die „vorletzte Meile“. Kurz gesagt: für den Transport vom Logistik-Hub am Stadtrand durch den Tunnel zum eigens von Four Parx konzipierten mehrstöckigen Logistik Hub in der Innenstadt - für den vertikalen Transport nach oben. Dabei sieht das Smart City Konzept zwei vertikale Umschlagpunkte vor.

Die Röhren werden laut Kühnhold einen Durchmesser von 4 m haben und in beiden Richtungen mit elektrisch betriebenen Transportmitteln befahren, um einerseits die Ware zu wettbewerbsfähigen Preisen in die Innenstadt zu bringen und zum andern Werkstoffe sowie Verpackungsmaterial wieder herauszufahren. Im Erdgeschoss und im Keller der neu konzipierten City Hubs ist Parkraum für Elektro-Transporter und Fahrräder für die Zustellung in der Umgebung geplant. In den oberen Etagen gibt es Raum für alle, die im Bereich Logistik aktiv sind wie etwa auch Dienstleister.

In einem Letter of Intend hat die Stadt Hamburg den Projektpartner City Loop GmbH und Four Parx zugesichert, ein Grundstück für das Projekt zu beschaffen. Laut Kühnhold werden derzeit auch Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. „Wir würden gerne loslegen“, sagt er, doch schätzt er, dass es drei bis vier Jahre dauern wird, bis die erste Anlage realisiert ist. In Stuttgart und Köln redet das Unternehmen derzeit mit den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung über die Förderung einer Machbarkeitsstudie für ein solches Projekt.

Des Weiteren sucht die City Loop GmbH das Gespräch mit den Städten und Kommunen, weil es hier aus ihrer Sicht kaum Logistik-Know-how gibt. Die Zeit sei reif dafür, dringend etwas für die entsprechende Infrastruktur zu tun, meint Kühnhold.

Mit Blick auf die vielfältigen Weiterentwicklungen im Logistikimmobilien-Bereich und die aktuellen Diskussionen über City Logistik und Automatisierung in der Branche stellt sich für Rechtsanwalt Nicolas Mähner, Principal Associate bei Eversheds Sutherland Germany LLP, in der Diskussionsrunde unter der Überschrift „Mehr Herz für die Logistikimmobilie“ die Frage, ob das Gesetz in der heutigen Form der Logistikimmobilie noch Rechnung tragen kann. Denn nach den Worten von Carsten Hettwer, Stadtbaurat der Stadt Langenhagen, wird unter Logistik nach landläufiger Betrachtung vor allem der Schwerlastverkehr verstanden.

Passt das Gesetz noch zur heutigen Logistik?

So aktuellen Themen wie der Micro-Depot-Anlieferung trägt das Gesetz aus Sicht von Mähner dagegen keine Rechnung. Das klassische Bild von der Logistik ist aus seiner Sicht veraltet und es müsste klargestellt werden, wie eine Logistikimmobilie heute aussehe und definiert sei. Der Jurist ist aber zuversichtlich, dass das Recht in dieser Hinsicht künftig noch konkretisiert wird.

Dies dürfte umso wichtiger sein, als die Logistik insbesondere mit Blick auf den Leerstand in den innerstädtischen Einzelhandelslagen – Stichwort Warenhäuser und Shopping-Center – immer weiter in die Einzelhandelsimmobilien vordringt. Auch wenn die klassischen Handelsimmobilien nicht den Idealvorstellungen vom modernen innerstädtischen City Hub entsprechen, so sind laut Dematic-Chef Buchmann Einzelhandelsflächen – wie etwa auch im Kauf– und Warenhaus - für Mikro Fullfillment Center geeignet. Das sei zwar nicht so effizient wie ein Neubau, so der Experte, aber das sei machbar. Da keine großen Maschinen aufgestellt werden müssten, sei das von der Bodenbelastung her möglich.

Mit Blick auf den weiter wachsenden eCommerce und das hohe Aufkommen von Paketen sieht Buchmann aber die Notwendigkeit, weiter in digitale Lagerlösungen zu investieren – frei nach dem Motto: „Unstress your Warehouse“. Die großen Mengen von heute könnten nicht mehr allein mit Personal geschafft werden. Die Vorteile der Automatisierung liegen aus seiner Sicht auf der Hand. Sie schaffe Platz und brauche kein Licht, so dass die Logistikimmobilien heute kompakter werden und in die Höhe wachsen können.

Für den Modehandel eröffnet die Automatisierung laut Buchmann die Möglichkeit, das leidige Thema Retouren, das in der Branche bei etwa 50% liegt, viel schneller zu bearbeiten. Die Ware, die neu verpackt werden muss, wird vollautomatisch bearbeitet und kommt schneller wieder in den Verkaufskreislauf. So wird verhindert, dass Sommerware beispielsweise erst wieder im Herbst angeboten werden kann.

Eine Universallösung für das richtige Maß der Digitalisierung in den verschiedenen Logistik-Zentren gibt es nach Erfahrung von Janine Zimmermann, Head of Logistics bei Drees & Sommer, freilich nicht. Wie viel mehr automatisiert wird, hängt aus ihrer Sicht auch vom einzelnen Logistiker ab.

Für den Bürgermeister von Wunstorf in der Nähe vom Tagungsort Hannover, Rolf-Axel Eberhardt, ist die Logistik als Wirtschaftszweig auch mit Blick auf die dadurch entstehenden Arbeitsplätze für bestimmte Bevölkerungsgruppen wichtig – schon im Interesse des sozialen Friedens in seiner Stadt.