Investmentmarkt Retail

Der Rückenwind wird deutlich stärker

Pasing Arcaden: Größte Shopping-Center-Transaktion 2024. Foto: URW

Die Hoffnung der Marktakteure auf ein „lebhaftes“ Schlussquartal 2024 hat sich erfüllt. Gegenüber 2023 als im Investmentmarkt für Retail Assets der zweitniedrigste Wert seit 2005 verzeichnet werden musste, ist das Transaktionsvolumen wieder spürbar gestiegen. Mit mehr als 1,7 Mrd. Euro war das vierte Quartal laut JLL das stärkste Einzelquartal. Und auch für 2025 sind die Immobilienberater mehr oder weniger optimistisch – auch wenn die geopolitischen Risiken bleiben.

„2024 fanden Investoren wieder stärker Gefallen an Einzelhandelsimmobilien“, zieht Jan Schönherr, Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, sein Fazit. Immerhin lagen Retail Assets phasenweise im deutschen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien im Jahresverlauf wieder auf Platz eins und beendeten das Jahr 2024 knapp hinter Logistikimmobilien auf Platz zwei. Die gute Verfassung des Marktsegments spiegeln laut Schönherr „die attraktiven Renditen und das grundsätzliche Vertrauen in die Möglichkeiten und die Stabilität des Einzelhandels wider.”

Wie Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH (BNPPRE), zudem feststellte, wurde in der Einzelhandelssparte im Vorjahresvergleich der mit 28% größte Umsatzsprung verzeichnet, was für ihn ein klares Indiz für den Aufwärtstrend ist. Unterstrichen wurde dies durch gleich mehrere lebensmittelgeankerte Paketverkäufe, die laut BNPPRE kurz vor Jahresende noch über die Ziellinie gebracht werden konnten, sodass sich das Portfoliovolumen weiter erhöhte.

Auch Ulf Buhlemann, Head of Retail Investment Germany bei Colliers, ordnet das Jahresschlussquartal aus Einzelhandelssicht als Beleg für die „allmähliche Belebung des Transaktionsgeschehens“ ein. Damit sei es gelungen, das Durchschnittsvolumen der vorangegangenen Quartale zu halten, obwohl es zum Jahresende keine weitere großvolumige Einzeltransaktion von mehr als 250 Mio. Euro gab. „Nach Jahren der Neuausrichtung durch den Online-Handel und die Pandemie, hat der Handel 2024 wieder einigen Rückenwind bekommen“, bestätigt Sarah Hoffmann, Head of Retail Investment JLL Germany. Mit den steigenden Frequenzen in den Innenstädten seien 2024 auch die Handelsumsätze gestiegen.

Hinzu kommt ganz generell, dass sich die Inflationsrate in der Euro-Zone mit zuletzt 2,4% zumindest so weit abgeschwächt hat, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Spielraum für eine Lockerung der Leitzinsen gesehen hatte. Geldpolitisch gibt es laut Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland, deshalb gegenwärtig einen starken Impuls. Aus Sicht der Immobilieninvestoren seien die Zinsen wieder etwas attraktiver.

Im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt mit einem Transaktionsvolumen, das die Immobilienberater mit 24,4 Mrd. bis 25,5 Mrd. Euro beziffern, erreichten Einzelhandelsimmobilien 2024 damit ein Investitionsvolumen in der Bandbreite von 5,0 Mrd. Euro (Colliers), 5,443 Mrd. Euro (Savills), 5,55 Mrd. (JLL), 6,1 Mrd. Euro (CBRE) und 6,3 Mrd. Euro (BNPPRE). Dabei spricht aus Sicht des Beraters derzeit vor allem ein Faktor für die „breite und vielschichtige Nachfragestruktur im Retail-Investment-Segment“: die relativ gleichmäßige Umsatzverteilung auf die verschiedenen Bereiche. Denn der Fachmarktsektor mit Schwerpunkt Lebensmittel/Nahversorgung erreicht laut BNPPRE einen Anteil von 33% des Transaktionsvolumens mit Retail Assets, innerstädtische Geschäftshäuser und das Segment Kaufhäuser mit jeweils 28% fast genauso viel.

Große Transaktionen dominierten das Geschäft 2024

Die vierte Anlage-Klasse, Shopping-Center, hinkt mit einem Anteil von 12% zwar noch hinterher, doch gibt der Verkauf der Pasing Arcaden von Unibail-Rodamco-Westfield für 388 Mio. Euro an die Ikea-Center-Sparte Ingka Centres – laut BNPPRE einer der größten Shopping-Center-Asset-Deals der vergangenen zehn Jahre – Anlass zur Hoffnung. „Viele Blicke haben sich im abgelaufenen Jahr auf das Comeback der Shopping-Center gerichtet“, stellt auch Sarah Hoffmann fest. JLL sieht Center sogar bei einem Anteil von 17%.

Überhaupt wurde der Investmentmarkt für Handelsimmobilien im vergangenen Jahr vor allem von großvolumigen Einzeltransaktionen geprägt, wie der Immobilienberater Savills feststellt, während auf Portfoliotransaktionen nur ein Volumen von 1,2 Mrd. Euro entfiel. Die zehn größten Transaktionen, zu denen neben den Pasing Arcaden die Fünf Höfe in München gehören, das KaDeWe in Berlin als größte Transaktion im gesamten Gewerbeimmobilienmarkt (1 Mrd. Euro), und das Luxus-Ensemble Maximilianstraße 12-14 in München, machten laut Savills 2024 knapp 60% des Investitionsvolumens im Handelsimmobilienmarkt aus.

Laut Marcus Lemli, CEOGermany und Head of Investment Europe bei Savills sollten daraus aber keine falschen Schlüsse gezogen werden: Von einer generellen Liquidität für großvolumige Objekte auszugehen, wäre zu kurz gegriffen, warnt er. Denn die Investitionsgrenzen vieler Investoren würden derzeit „im mittleren zweistelligen Millionenbereich“ liegen. Deshalb sind nach seinen Worten auch besondere Umstände dafür verantwortlich, dass Transaktionen in dieser Größenordnung zustande kamen. So handelt es sich bei sechs der zehn größten Deals um Verkäufe im Rahmen von Insolvenzverfahren etwa der Signa Gruppe (KaDeWe) oder der Centrum Gruppe (Maximilianstraße 12-14). Laut Savills lag der Anteil der Insolvenzverkäufe an allen Einzeltransaktionen im Vorjahr bei rund 10,3% – und damit deutlich über dem bisher gemessenen Höchstwert von 6,3% im Jahr 2014.

Dass aber in den letzten Wochen des Jahres noch viele lebensmittelgeankerte Fachmarktportfolios oder Fachmarktzentren in der Größenordnung zwischen 30 und 120 Mio. Euro, die sich schon länger im Markt befanden, noch über die Ziellinie gebracht werden konnten, sieht Buhlemann als klares Signal für eine Marktbelebung – auch für 2025. Hilfreich war dabei aus seiner Sicht, dass sich die Preisfindungsprozesse, die in der ersten Jahreshälfte viele Abschlüsse verzögerten, angesichts der höheren Planungssicherheit in Bezug auf Zinsumfeld und Finanzierungskosten deutlich verbessert haben. Wie Sarah Hoffmann ergänzt, ist auch die Zahl der Transaktionen im Segment zwischen 50 Mio. und 100 Mio. Euro im Jahresvergleich von 7 auf 16 gestiegen. Ein positives Zeichen ist auch die steigende Zahl der Bieter bei Lebensmittelfachmärkten etwa durch institutionelle Investoren, die unter Risiko-Rendite-Gesichtspunkten vor allem auf kleinere Objekte mit bonitätsstarken Mietern und langen Mietverträgen setzen. Mit einer Summe von rund 3,4 Mrd. Euro floss 2024 das meiste Geld in die deutschen A-Städte.

Nachgebende Spitzenrenditen bei Fachmärkten erwartet

Nach Feststellung von BNPPRE haben vor diesem Hintergrund die Netto-Spitzenrenditen von Fachmarktzentren im vierten Quartal erstmals wieder nachgegeben – und zwar um 10 Basispunkte auf 4,65%. Und nach Beobachtung von Rebecca Hummel, Senior Consultant Research bei Savills Germany, rechnen einige Eigentümer von Fachmarktimmobilien wie Supermärkten und Discountern bereits „wieder mit einer Renditekompression und stellen Verkäufe deshalb zurück“. Das gilt vor allem für die Investoren, die nahe am Preisgipfel 2021 gekauft haben und das Halten ihrer Immobilien für die wirtschaftlich sinnvollere Option Halten. Auch Anne Gimpel, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE in Deutschland, erwartet, dass die sehr hohe Nachfrage nach lebensmittelgeankerten Objekten 2025 anhält und zu leicht rückläufigen Renditen führen wird.

Der Immobilienberater CBRE, der innerstädtische Geschäftshäuser sowie Kauf- und Warenhäuser in der Kategorie 1A-Handelsimmobilien zusammenfasst, sieht dieses Segment 2024 mit einem Anteil von 47% am Transaktionsvolumen als stärkste Anlage-Klasse. Er registrierte hier bei den Spitzenrenditen in den Top-7-Städten im vierten Quartal eine Renditekompression von 0,2 Prozentpunkte auf 4,64%. Bei Shopping-Centern in B-Lagen sind die Spitzenrenditen demnach um 0,3 Prozentpunkte auf 7,5% gestiegen und bei Centern in A-Lagen mit 5,90% konstant geblieben, genauso wie bei Lebensmittelmärkten mit 4,70% und Fachmarktzentren mit 5,00%. BNPPRE sieht die Netto-Spitzenrenditen zum Jahresende stabil bei 4,9% bei einzelnen Lebensmittelmärkten, bei 5,6% für Shopping-Center und bei 5,70% für Baumärkte.

Beim Blick auf die Entwicklung der Spitzenrenditen konstatiert Christoph Scharf, „dass die Preisanpassungsprozesse an Dynamik verlieren und sich Stabilisierungstendenzen nachhaltig verfestigen“. In den nächsten Quartalen hält er wieder leicht sinkende Spitzenrenditen für durchaus realistisch: Den Anfang dafür hätten Fachmarktzentren bereits gemacht. 

Beim Ausblick für 2025 reicht die Einschätzung der Immobilienberater von großer Zuversicht bis hin zu vorsichtigem Optimismus. So gilt es für den Retail-Investmentmarkt nach dem guten Jahr 2024 laut BNPPRE den positiven Trend auch im Jahr 2025 zu bestätigen. Dabei dürfte sich das sehr diversifizierte Produktportfolio der Einzelhandelssparte im Asset-Klassen-Vergleich als Wettbewerbsvorteil erweisen, den die Branche für sich nutzen könnte. Da aber nur wenige Transaktionen mit ins neue Jahr genommen wurden, begrüßen die Experten die ersten Anzeichen dafür, „dass sich die Pipeline im Angebotssegment zum Jahresbeginn bereits wieder füllt“.

Verkauf des Breuninger-Portfolios könnte Markt beleben

Auch Colliers erwartet, dass trotz der am Gesamtmarkt zu beobachtenden Stimmungsaufhellung die Marktaktivitäten 2025 erst allmählich wieder an Fahrt gewinnen. Bei den Insolvenzen wird erwartet, dass sie 2025 auf ihren Höhepunkt zulaufen, wobei nach den Projektentwicklern auch der Handel zu den Sorgenkindern zählt. Das Angebot werde geprägt von Portfoliobereinigungen durch Bestandshalter, so der Berater weiter, und die Nachfrage von einem selektiven Kaufverhalten, wodurch das Wachstum des Transaktionsvolumens begrenzt werden könnte. „Es wird sich zeigen, wie risikobereit der Markt in einer Phase anhaltenden Kostendrucks für Konsumenten, Händler und Immobilieninvestoren schon in diesem Jahr ist“, so Buhlemann: „Großtransaktionen wie das milliardenschwere Breuninger-Portfolio, das im Rahmen eines Unternehmensverkaufs am Markt angeboten wird, werden hierbei zum Gratmesser.“

Ähnlich erwartet Savills 2025 „eine schrittweise und kontinuierliche Stabilisierung des Investmentmarkts, begleitet von einer zunehmenden Zahl an Verkaufsprozessen“. Einen höheren Investmentumsatz als 2024, der von einigen  Großdeals getragen wurde, hält der Berater aber nur für erreichbar, „wenn es erneut zu Transaktionen dieser Größenordnung kommt“. Ansonsten werde das Transaktionsvolumen nicht an die Zahlen von vor der Zinswende anschließen können, glaubt Colliers-Manager Buhlemann.

Dagegen erwartet Jan Schönherr von CBRE „bereits ein aktives erstes Quartal“, auch weil sich einige Transaktionen in das neue Jahr verschoben hätten. Er rechnet für die Handelsinvestoren 2025 wieder mit einer „attraktiven Produktpipeline in allen Sub-Assetklassen“. Auch Sarah Hoffmann erwartet eine spürbaren Zunahme der Dynamik in allen Nutzungsarten von Shopping-Centern über Fachmarktprodukten bis zu Geschäftshäusern. Laut Schönherr sind internationales Value-Add-Kapital und Family Offices an Shopping-Centern interessiert und auch bei guten Geschäftshäusern in Top-Lagen gebe es wachsende institutionelle Nachfrage. Mit Blick auf die zunehmende Liquidität und ein wachsendes Angebot an spannenden Produkten, weil Verkäufer ihre Zurückhaltung vermehrt aufgeben, sieht Hoffmann gute Chancen, dass 2025 ein Transaktionsvolumen von rund 6,5 Mrd. Euro erreicht werden könnte.