Konjunktur in Corona-Zeiten

Der private Konsum fällt als Treiber aus

Wenig los in Deutschlands Einkaufsstraßen. Foto: R.Vierbuchen

rv DÜSSELDORF: Der deutsche Nonfood-Handel leidet nicht nur unter den staatlich verordneten Zwangsschließungen, die den Bürger immer mehr in den Internet-Handel ausweichen lassen. Vielmehr hat die Corona-Pandemie das Konsumverhalten der Bundesbürger deutlich verändert, wie das Statistische Bundesamt ermittelte. Das wirkt sich auch auf die Ausgaben im Einzelhandel aus, der zudem unter den Folgen des seit etwa 100 Tagen dauernden Shutdowns leidet.

Deutlich ablesen lässt sich die Veränderung des Konsumverhaltens an den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach die Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 nominal um 4,6% und preisbereinigt um 5,0% gesunken sind. „Dies war der stärkste Rückgang seit 1970“, schreiben die Statistiker: Und diese Entwicklung unterscheide sich von der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009. Denn damals wurde der private Konsum von der Politik weniger beeinträchtigt und entfaltete seine stabilisierende Wirkung auf die deutsche Gesamtkonjunktur.

Aber auch bei den Konsumausgaben zeigte sich im vergangenen Jahr die Zweiteilung des Einzelhandelsmarktes, die in der Pandemie zwischen dem boomenden Lebensmittelhandel (inkl. Drogeriemärkte) einerseits und dem mehr oder weniger stark darbenden Nonfood-Einzelhandel andererseits zu beobachten ist. So haben die privaten Haushalte in Deutschland für Nahrungsmittel und Getränke nominal 6,3% mehr Geld ausgegeben als im Jahr 2019.

Als Grund dafür sehen die Experten, dass mehr Arbeitnehmer während des ersten Shutdowns von zuhause aus gearbeitet haben, mehr Vorräte anlegten und durch die Zwangsschließung des Gastgewerbes weniger auswärts gegessen haben. Denn im Umkehrschluss gingen die Konsumausgaben für „Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen“ um 33,2% zurück.

Angetrieben von der Mehrwertsteuersenkung von 19% auf 16% und beim ermäßigten Satz von 7% auf 5% stiegen im 2. Halbjahr 2020 die Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter wie Einrichtungsgegenstände, Apparate, Geräte und Ausrüstungen für den Haushalt wie Möbel, elektrische Haushaltsgeräte im zweiten Halbjahr 2020 um 6,9% - nach nur +1,7% im ersten Halbjahr. Und während die privaten Ausgaben für langlebige Konsumgüter branchenübergreifend im ersten Halbjahr noch um 8,5% zurückgegangen waren, stiegen sie im zweiten Halbjahr um 7,8% an.

Dagegen gaben die Bundesbürger für die sogenannten kurzlebigen Gebrauchsgüter wie etwa Bekleidung und Schuhe auch im zweiten Halbjahr – unbeeindruckt von der Mehrwertsteuersenkung – 2,7% weniger Geld aus – nach einem Rückgang von bereits über 8,3% im ersten Halbjahr. Laut Statistischem Bundesamt hatte die Senkung des Mehrwertsteuersatzes keinen positiven Effekt auf die Ausgaben für Bekleidung und Schuhe. Zumal die Preisnachlässe im Rahmen des Saisonschlussverkaufs die Mehrwertsteuersenkung deutlich überstiegen haben. Für Dienstleistungen gaben die privaten Haushalte sowohl im ersten als auch im zweiten Halbjahr mit 8,2 bzw. 9,1% deutlich weniger aus.

Handel aus „symbolischen Gründen“ belastet

Mit Blick auf den zweiten Lockdown, der für Gastronomie, Kunst, Kultur und Freizeitaktivitäten bereits am 2. November des Vorjahres begann und für den Nonfood-Einzelhandel am 16. Dezember, wodurch auch das wichtige Weihnachtsgeschäft beeinträchtigt wurde, ist zu befürchten, dass die Verwerfungen bei den privaten Konsumausgaben in diesem Jahr mindestens nochmal so stark ausfallen wie 2020.

Eine grobe Vorstellung davon geben die Schätzungen des Handelsverbands Deutschland (HDE), wonach der vom Lockdown betroffene Einzelhandel seit dem 16. Dezember zwischen 35 und 40 Mrd. Euro Umsatz verloren hat. Und die erneute Verlängerung der Zwangsschließungen bis zum 18. April koste pro geschlossenem Verkaufstag weitere 700 Mio. Euro Umsatz.

Und nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist der Umsatz im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren im Januar und Februar 2021 zusammengerechnet um nominal 76,2% zurückgegangen. Der Einzelhandel mit verschiedenen Sortimenten wie Kauf- und Warenhäuser verloren in dieser Zeit 42% und der Sonstige Einzelhandel (wie Fahrräder und Bücher) -28,1%. Insgesamt gingen die Umsätze im Nonfood-Handel nominal um 13% zurück.

„Wir sehen jetzt das Ergebnis von einem Jahr Corona-Politik mit nicht ausreichendem Impfstoff, fehlenden Testkapazitäten und immer wieder verlängerten Lockdowns“, beklagt der Hauptgeschäftsführer des HDE, Stefan Genth: „Weite Teile des Handels müssen ihre Türen schließen, obwohl seit längerem klar ist, dass das Infektionsrisiko beim Einkaufen gering ist.“ Aus seiner Sicht darf die Branche nicht aus „symbolischen Gründen“ die Hauptlast bei der Eindämmung der Pandemie tragen.

Denn auch wenn die innerstädtischen Geschäfte und Shopping-Center viele Menschen anziehen, so belegen doch die zuletzt vorgelegten Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts sowie eine aktuelle Studie der TU Berlin, dass die Wahrscheinlichkeit, sich im Einzelhandel anzustecken, eher niedrig ist. Das zeigt auch der geöffnete Lebensmitteleinzelhandel mit seinen täglich 50 Mio. Besuchern. Laut Genth ergab die Untersuchung der Universität denn auch, dass die Schließung des Einzelhandels nur eine sehr geringe Dämpfungswirkung auf den RWert hat.

Deshalb appelliert der Verband an die Politik, den Einzelhändlern eine zeitnahe und realistische Öffnungsperspektive zu bieten. Und mit Blick auf die bislang erlittenen Ausfälle erneuert er die Forderung nach einer schnellen Aufstockung bei den Corona-Hilfen für die betroffenen Unternehmen, zumal die Gelder bislang nur unzureichend fließen. Da derzeit bis zu 120 000 Geschäfte in ihrer Existenz gefährdet seien, ruft Genth in Erinnerung, dass mit diesen Unternehmen ganze Innenstädte wanken.