Das Interview

Der Charme von Einkaufszentren ist die Vielfalt unter einem Dach

Anna-Maria Losos

Anna-Maria Losos, Head of Co Working Business des 2016 gegründeten Coworking-Space-Anbieters Beehive mit Sitz in Hamburg, äußert sich im Gespräch mit dem Handelsimmobilien Report über die Bedeutung, die Shopping-Center für die Expansion der Branche haben und warum gerade die Konsumtempel, die sich teilweise als Mischobjekte neu aufstellen, so geeignet sind. Es gibt dabei aber auch Herausforderungen.

Handelsimmobilien ReportFrau Losos, innerstädtische Einkaufszonen genauso wie Shopping-Center leiden in der jüngeren Zeit unter den veränderten Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher, der sinkenden Kaufkraft und den zahlreichen Insolvenzen vor allem großer Mode-Ketten. Warum sind Flächen in Shopping-Centern für Coworking-Anbieter wie Beehive vso interessant?

Anna Maria Losos: Einkaufszentren sind leicht erreichbar, sei es mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto, und haben ein großes Einzugsgebiet. Sie entwickeln sich zunehmend zu Mixed-Use-Immobilien, die nicht nur Shopping, sondern auch Freizeitaktivitäten und ein wachsendes gastronomisches Angebot bieten. Die Integration von Coworking stellt für uns eine logische Erweiterung dar, um Kunden alles unter einem Dach anzubieten und ihnen eine effiziente Gestaltung ihres Tages zu ermöglichen.

HIR: Es gibt aber sicher auch spezifische Voraussetzungen, die interessante Flächen in Shopping-Centern mitbringen müssen. Was sind für Sie die entscheidenden Faktoren? Welche aktuellen Trends treiben Mixed-Use-Projekte voran?

Losos: Bei den Flächenanforderungen sind wir sehr flexibel. Wir konzentrieren uns darauf, die problematischen Bereiche in Einkaufszentren zu optimieren. Unser Ansatz ist es, dem Center-Management eine Kooperation anzubieten. Oft stehen wir vor der Herausforderung tiefer Grundrisse mit wenig oder keinem Tageslicht. In solchen Fällen spielt die vorhandene Gebäudetechnik eine große Rolle, insbesondere die Belüftung. Zusätzlich ist ein durchdachtes Beleuchtungskonzept sehr wichtig.

Eine Pilotfläche von 400 qm wäre ausreichend, um unser Konzept zu testen. Wenn es sich bewährt, sind Flächen von 800 bis 1 200 qm ideal. Wir können jedoch dank unseres IT-gestützten Systems auch effizient mit Flächen unter 400 qm arbeiten. Hier würden wir das Raumangebot zunächst reduzierter anbieten. Unser Ziel ist es zu zeigen, dass scheinbar unattraktive Flächen mit unserem innovativen Konzept sinnvoll bespielt werden können.

HIR: Es wird immer wieder von der Repositionierung oder Revitalisierung von Immobilienflächen gesprochen. Sie betreiben bereits einen Coworking Space am Hamburger Flughafen. Welche Erfahrungen haben Sie dort gesammelt?

Losos: Es ist wichtig, den Markt aufmerksam zu beobachten und flexibel zu bleiben, indem neue Angebote geschaffen und nicht mehr funktionierende Services ersetzt werden. Diesen Ansatz verfolgt auch der Hamburger Flughafen: Das Konferenzzentrum war überdimensioniert und in die Jahre gekommen. Der Flughafen hat im Rahmen einer Kooperation 400 qm mit Beehive Coworking bespielt. Wir sammeln aktuell noch weitere Erfahrungen. Da sich das Raumangebot auf der Landseite vor der Security befindet, wäre es interessant, auch auf der Luftseite nach der Security Erfahrungen zu sammeln. Bisher hat sich gezeigt, dass Coworking dort gut angenommen wird, nicht nur von Geschäftsreisenden, sondern auch von Coworkern, die in der Nähe des Flughafens wohnen oder von Remote-Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden mehrmals im Jahr physisch treffen möchten.

Ebenfalls beliebt sind die speziellen Räume für Videokonferenzen, in denen man trotz der Reisehektik in Ruhe Calls tätigen kann. Allerdings braucht es etwas Zeit, bis Kunden auf die neuen Services aufmerksam werden und diese nutzen.

HIR: Worin besteht für Sie persönlich der Charme einer mischgenutzten Einzelhandelsimmobilie und was sind bei einem Umnutzungsprozess für Ihre Branche die größten Herausforderungen?

Losos: Die Kombination aus verschiedenen Angeboten ermöglicht es den Kunden, ihren Alltag unter einem Dach zu gestalten, was zu längeren Aufenthalten führt. Dazu zählt: Frühstück, Arbeit, Mittagessen, Einkaufen, Sport und Freizeit. So können sie Zeit sparen, die Lebensqualität verbessern und haben die Möglichkeit, sich mit verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Kontexten auszutauschen.

Große Herausforderungen durch bauliche Aspekte

Wenn wir über eine umfangreiche Repositionierung sprechen, dann sind die baulichen Aspekte die größte Herausforderung. Handelsimmobilien haben oft extreme Gebäudetiefen mit wenig oder keinem Tageslicht sowie ggf. – je nach Alter der Immobilie – komplexe und überholte Gebäudetechnik. Eine umfangreiche Umnutzung erfordert daher erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz und die Statik. Hinzu kommt, dass die aktuelle Marktsituation geprägt ist von hohen Baukosten, strengen Auflagen und hohen Zinsen, was die Herausforderung für Developer erhöht.

HIR: Das Geschäftsmodell von Beehive ist komplett digitalisiert. Inwiefern spielt dieser Aspekt gerade bei einer Multi Use Immobilie eine Rolle?

Losos: Das IT-gestützte System ermöglicht eine effiziente Flächenbewirtschaftung mit minimalem Personalaufwand, unabhängig davon, ob es sich um eine Büro- oder Handelsimmobilie bzw. ein Mixed-Use-Objekt handelt. Der Kunde kann sich bei Beehive online registrieren, Buchungen vornehmen, bezahlen und erhält über ein Self- Check-In sofortigen Zugang zu seinem gebuchten Service – rund um die Uhr und an jedem Tag des Jahres. Diese Flexibilität lässt sich optimal mit Sport-, Gastronomie- und Freizeitangeboten kombinieren, die auch längere Öffnungszeiten bieten.

HIR: Abgesehen von Einkaufszentren – gibt es grundsätzlich auch noch andere Kooperationspartner, die in Zukunft für ein Unternehmen wie Beehive interessant sein könnten und warum?

Losos: Verkehrsknotenpunkte wie Flughäfen und Bahnhöfe sind ideale Standorte für unser Konzept. Darüber hinaus können wir uns eine Zusammenarbeit mit Wohngenossenschaften vorstellen, um gemeinsame Arbeitsräume in der Nachbarschaft anzubieten. Nicht jeder verfügt in der eigenen Wohnung über ein Arbeitszimmer und optimale Arbeitsbedingungen. Zudem sind wir offen für Kooperationen mit Hotels.

Des Weiteren können wir uns vorstellen, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihren Mitarbeitenden eine Coworking-Fläche innerhalb des Büros anbieten möchten. Alternativ könnten diese Unternehmen ihren Coworking-Space sogar für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Dies kann für bestimmte Unternehmen attraktiv sein und die Markenbildung stärken.