Emerging Trends in Real Estate® Europe 2023

Der Abschwung ist programmiert

Bild: Deutsche Bundesbank

rv DÜSSELDORF. Das Ende der Party, das auf dem deutschen Immobilienmarkt mit den zügig auf inzwischen gut 4% gestiegenen Zinsen eingeläutet wurde, betrifft den gesamten europäischen Raum, wie das Gros (71%) der führenden Vertreter des Immobiliensektors feststellt. Dies ist eines der Ergebnisse der Studie „Emerging Trends in Real Estate® Europe 2023“ von PWC und ULI.

Im Telegrammstil kurz zusammengefasst erwartet die Mehrheit der führenden Immobilienvertreter, dass der europäische Raum noch vor Jahresende in eine Rezession rutschen wird. Und dass mit den steigenden Zinsen die Immobilienwerte sinken, sehen sie als unvermeidlich an und dass der Preisunterschied zwischen erstklassigen und sekundären Immobilien größer wird, auch. Zudem sind die Erwartungen der Immobilienexperten mit Blick auf die Verfügbarkeit von Finanzierungen so niedrig wie seit der globalen Finanzkrise 2009 und der Schuldenkrise 2012 nicht mehr.

Befragt wurden für die 20. Ausgabe der Studie Emerging Trends in Real Estate® Europe 2023 des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC gemeinsam mit dem Urban Land Institute (ULI) etwa 900 führende Branchenvertreter aus Europa. Dabei sieht das Gros der Marktakteure (91%) die steigende Inflationsrate derzeit als größte Herausforderung an, macht sie über stark steigende Materialkosten doch Bauprojekte fast unkalkulierbar. Nur zwei Prozentpunkte davon getrennt folgt die aktuelle Zinsbewegung mit 89% der Nennungen, knapp vor dem schwachen Wirtschaftswachstum mit 88%. All das ist aus Sicht der Experten eingebettet in die aktuelle politische Unsicherheit auf globaler, regionaler und nationaler Ebene.

Bei den Herausforderungen, die konkret die Immobilienwirtschaft betreffen, stehen vor diesem Hintergrund denn auch die stark gestiegenen Baukosten (92%) und die Verfügbarkeit von Ressourcen (84%) ganz oben auf der Sorgenliste. Dabei stellen sich drei Viertel der Befragten bereits heute darauf ein, dass sie diese Probleme langfristig begleiten werden – konkret in den nächsten drei bis fünf Jahren. Das erhöhte Zinsniveau (73%) und das schwache Wirtschaftswachstum (76%) sehen die Befragten hingegen als „mittelfristige“ Belastung.

Anders wird Herausforderung Nummer eins, die hohe Inflation, beurteilt. Nur 13% glauben, dass die Preissteigerungen in fünf Jahren noch ein Problem sein werden. Hier könnte sich schon der statistische Effekt dämpfend auswirken. Entscheidend ist aber, auf welchem Niveau sich die Preise einpendeln werden und ob in einigen Bereichen wieder mit einem Nachgeben der Preise zu rechnen sein wird. Sollten die Benzin- und Energiekosten auf dem aktuellen Niveau bleiben, dürfte das die Kaufkraft der Bürger nachhaltig schmälern.

Nach einer Dekade niedriger Zinsen, die den Immobilienboom in Deutschland und Europa künstlich in die Länge gezogen haben, ist die Sorge um die künftige Finanzierung groß. Laut Studie gehen die Befragten davon aus, dass die internationalen Kapitalströme nach Europa wohl eher abnehmen werden. In den USA locken nach den zügigen Zinsanhebungen deutlich attraktivere Zinsen. Am negativsten werden die Aussichten für Fremd- und Eigenkapital zur Projektfinanzierung beurteilt. 70% bzw. 63% der Befragten erwarten einen Rückgang. Bei Fremdkapital zur Refinanzierung oder Realisierung von Neuinvestitionen gehen 64% davon aus, dass mit einem Rückgang zu rechnen ist.

Experten erwarten 2023 sinkende Immobilienwerte

Am Immobilienmarkt bzw. an den Bewertungen der Immobilien wird diese erwartete wirtschaftliche Eintrübung nicht vorbeigehen. Die Befragten erwarten 2023 sinkende Immobilienwerte und damit verbesserte Kaufgelegenheiten für Core-Investoren und reine Eigenkapitalgeber, die immer noch zu wenig in Immobilien investiert haben.

Zwar sind sich die befragten Experten einig, dass die Verwerfungen am Finanz- und Immobilienmarkt nicht annähernd die Ausmaße erreichen werden, wie sie bei der globalen Finanzkrise geherrscht haben, dennoch werde der Zinsanstieg für gravierende Auswirkungen am Markt sorgen, sei es, weil bei rückläufigen Immobilienwerten die Verletzung von Kreditauflagen behoben werden muss oder weil die Refinanzierungskosten deutlich höher sind oder Objektverkäufe notwendig werden, um Rücknahmeanträgen für Anteile an offenen Immobilienfonds nachkommen zu können.

Die Erwartung, dass die Marktverwerfungen nicht ganz so heftig ausfallen dürften wie nach der Weltfinanzkrise, könnte Banken laut Studie dazu veranlassen – bestärkt durch die Slotting-Regelung der Bank of England und die Basel-III-Vorschriften in Europa –, sich schneller um Verkäufe zu bemühen, wodurch wiederum Preisrückgänge am Immobilienmarkt ausgelöst werden. Des Weiteren gehen die Befragten davon aus, dass die für 2023 geplanten Immobilienentwicklungen angesichts der schwierigen Bedingungen auf 2024 geschoben oder ganz aufgegeben werden könnten. Das könnte sich positiv auf Bestandsobjekte auswirken.

Nach den Worten von Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI in Deutschland, hat sich der Markt in den vergangenen Monaten rapide verändert und der Ausblick ins Negative gedreht: „Seit der Durchführung der Studie und der Befragungen im Sommer ist die damals schon tiefe Besorgnis der Branche noch größer geworden.“ Positiv bewertet sie, dass noch viel Kapital, das darauf wartet, investiert zu werden, zur Verfügung steht. Dabei spiele Zeit meist keine so große Rolle, um die besten Chancen zu finden. Georgi: „Damit die Branche den Sturm überstehen kann, sind neben der richtigen Bestandsauswahl ein starker Fokus auf ESG-Kriterien, operative Fähigkeiten und Kundenorientierung gefragt.“