Die Spitzenrenditen von Lebensmitteleinzelhandelsimmobilien sind seit etwa einem Jahr nahezu stabil niedrig und liegen laut CBRE Research sogar noch unter den Renditen für 1A-Handelsimmobilien in den Top-7-Städten. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich im aktuellen Zinsumfeld der Investitionsfokus von Investoren weg von der klassischen Core-Immobilie hin zum riskanteren – aber auch renditestärkeren – Value-Add-Objekt verschiebt. Dies gilt vor allem für Investitionen in Lebensmitteleinzelhandelsstandorte, da sich diese in den vergangenen Jahren als sehr krisenfest erwiesen haben.
Bei einer langfristig ausgerichteten, soliden technischen und kaufmännischen Bewirtschaftung einer Immobilie führt ein fortschreitendes Alter oder eine sinkende Restlaufzeit der Mietverträge nicht unweigerlich dazu, dass die Immobilie zum Value Add Case wird. Auch ein kurzer WALT allein, bei einem sonst soliden und nachhaltig aufgestellten Einzelhandelsstandort, fällt wohl eher unter den Typ Core-Plus-Immobilie und bietet noch kein großes Value-Add-Potenzial – nicht zuletzt, weil der Lebensmitteleinzelhändler und vor allem seine Kunden als sehr standorttreu gelten, sofern die ökonomischen Rahmendaten stimmen.
Um einen Mehrwert schaffen zu können, muss meist erst einmal ein Defizit an der Immobilie entstehen – sei es ein hoher Instandsetzungsbedarf oder auch ein langfristiger Leerstand in Nebenflächen. Häufig sind es auch veränderte Flächenanforderungen des Lebensmitteleinzelhändlers, die ein Value-Add-Potenzial schaffen. Ist die vorhandene Mietfläche zu klein, können verschiedene Alternativen auf ihre baurechtliche, technische und auch kosteneffiziente Machbarkeit überprüft werden:
1. Die Erweiterung des Lebensmitteleinzelhändlers auf eine vorhandene (oder sich anbahnende) Leerstandsfläche im Nebenmieterbereich ist doppelt attraktiv, da mit der Verlängerung des Ankermietvertrages auch noch der Abbau von Leerstand und den damit verbundenen Kosten einhergeht.
2. Die Erweiterung der Bestandsfläche um zusätzliche neue Fläche.
3. Der Abriss und Neubau der Immobilie – dies macht meist nur dann Sinn, wenn der Baukörper der Altfläche so im Grundstück steht, dass eine einfache Erweiterung der Bestandsfläche nicht kosteneffizient ist.
4. Ein zusätzlicher Neubau für den Lebensmitteleinzelhändler und die anschließende Vermietung der Altfläche an arrondierende Nutzungen, sofern die Flächenpotenziale
vorhanden sind. Die Altfläche kann vom Lebensmitteleinzelhändler bis zur Fertigstellung des Neubaus genutzt werden. Eine arrondierende Nutzung auf der Altfläche nach Fertigstellung des Neubaus macht den Standort zudem noch attraktiver für den Endverbraucher und bringt zusätzliche Frequenz für beide Mieter.
5. Die Neuvermietung an einen Lebensmitteleinzelhändler, dessen Flächenkonzept zur Immobilie passt.
Fortgeschrittenes Alter macht noch keinen Value-Add Case
Eine Blaupause für „die eine“ Value-Add-Strategie im Lebensmitteleinzelhandel gibt es nicht – da sich meist über die Zeit hinweg mehr als ein Defizit (oder Potenzial) ergeben hat. Und so weitreichend, wie der Begriff „Value Add“ ist – die Grenzen hin zum Core-Plus-Objekt einerseits und zum opportunistischen Objekt andererseits sind meist fließend und werden oft ganz individuell vom Investor gesetzt.
Daher ist es von entscheidender Bedeutung für ein erfolgreiches und allseits zufriedenstellendes Investment, ein gemeinsames Verständnis von Investor und Manager zur Definition der Investitionsstrategie zu entwickeln. Welcher zeitliche Rahmen in Bezug auf die Haltedauer wird gewünscht? Wie hoch soll der Leverage sein? Wie volatil darf eine Ausschüttung sein? Bzw. wird überhaupt eine Ausschüttung erwartet oder zählt vielmehr der IRR oder Equity Multiple am Ende der Investition?
Sind die Rahmenbedingungen geklärt, ist es Aufgabe des Management-Teams, passende Objekte zu finden, die den individuellen Rendite-Risiko-Anforderungen des Investors entsprechen. Ein 360-Grad-Ansatz des Managements erleichtert es, bereits beim Ankauf Risiken eines Standortes abzuschätzen und einzuwerten, den Value Add Case herauszuarbeiten und damit die größten Defizite und Potenziale der Immobilie, ob kaufmännischer oder technischer Natur, zu identifizieren und in realistischem Maße einzupreisen.
Umfasst die Value-Add-Strategie an einem Standort nicht allein die technische Abarbeitung von Mängeln, sondern auch mietvertragliche Themen, so muss für alle Beteiligten, d. h. Mieter und Eigentümer, eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gefunden werden. Dies erfordert mitunter auch diverse Verhandlungsrunden. Es ist die Aufgabe des Managements, die Renditeerwartung des Eigentümers mit einer nachhaltigen Repositionierung des Standortes in Einklang zu bringen. Nur eine Immobilie, die eine nachhaltige Miete für den Mieter aufweist, kann später auch zu einem entsprechend hohen Preis veräußert werden.
Nur eine Immobilie, deren technische Mängel solide abgearbeitet wurden, wird ohne Preisabschlag weiterverkauft. Und je zügiger dies passiert, desto höher werden die Renditen für einen Investor ausfallen.
*) Der Text ist dem GRR Garbe Retail Report „Logistik und Lebensmitteleinzelhandel nur zusammen stark“ entnommen