Folgen der Pandemie

Das Vertrauen wird auf eine harte Probe gestellt

Der Shutdown hat Spuren hinterlassen. Foto: Comfort

Nachdem die EZB im Herbst 2019 das Anleihekauf-Programm wieder hochgefahren hatte, schien der Immobilienboom in eine erneute Verlängerung zu gehen. Mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Shutdown im Rahmen der Pandemie hat sich das Blatt nun gewendet. Die größte Sorge bereitet den Marktteilnehmern ein tiefer Einbruch der Weltwirtschaft.

„Es gibt derzeit mehr Fragen als Antworten“, konstatiert die neue Vorstandsvorsitzende der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) Deutschland, Susanne Eickermann-Riepe, bei Vorlage des RICS Global Commercial Property Monitor für das erste Quartal 2020. Die Ergebnisse über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die weltweiten Gewerbeimmobilienmärkte basieren auf einer Befragung im Zeitraum vom 11. März bis zum 13. April 2020. Befragt wurden 2 605 Immobilienexperten aus 34 Ländern nach ihrer Einschätzung. Großbritannien war mit 592 Experten vertreten, Deutschland mit 130. Die Ergebnisse werden zusammengefasst im Mietmarkt-Index (Mieter) und im Investor-Sentiment-Index (Investoren).

Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, die weltweit als Folge der Corona-Pandemie registriert wird, beeinflusst nach den Worten von Susanne Eickermann-Riepe weltweit auch die Stimmung der Mieter und der Investoren: „Wir werden mit einem gewissen Abstand auch dem wirtschaftlichen Abschwung folgen,“ ist sie überzeugt. So besteht aus Sicht der befragten Marktteilnehmer das mit Abstand größte Risiko gegenwärtig darin, dass das weltweite Wirtschaftswachstum stark einbricht. Auf Platz zwei der Risiko-Liste folgt – allerdings mit großem Abstand - die Sorge vor unerwarteten politischen Ereignissen. Die Sorge, dass die Zinsen steigen könnten, spielt mit Blick auf die expansive Geldpolitik etwa der EZB dagegen kaum eine Rolle.

Nach zehn Jahren Boom scheint sich die Immobilienbranche nach den Worten der RICS-Vorstandsvorsitzenden nun dem Wendepunkt des Zyklus zu nähern. Wie sehr die wirtschaftliche Eintrübung bei den befragten Marktteilnehmern die Stimmung belastet, zeigt der Rückgang des Mietmarkt-Index um durchschnittlich 28 Punkte auf einen Wert von -27 und beim Investorenindex um 24 Punkte auf -18 Zähler.

Der Blick auf die einzelnen Länder zeigt dabei ein heterogenes Bild, je nachdem, wie stark sich die Pandemie noch im Land ausbreitet. Am stärksten fiel der Einbruch mit Blick auf die erwartete Kaufpreisentwicklung laut Umfrage in Portugal (-90), Griechenland (-89) und Ungarn (-88) aus. Auch in den USA (-72 Punkte), Japan (-67), Indien (-60), Singapur (-65), Frankreich (-58) und Deutschland (-56) waren die Rückgänge bei den Erwartungen sehr deutlich.

Dass die Einbrüche in den Niederlanden (-38), den Vereinigten Arabischen Emiraten (-31), Großbritannien (-30) und der Schweiz (-27) im Vergleich dazu deutlich moderater ausfielen, erklärt das Institut einerseits mit der unterschiedlichen Ausbreitung des Virus und andererseits mit dem Umfang der staatlichen Ausgangsbeschränkungen in den einzelnen Ländern. Der niedrige Wert von -13 Punkten in Hongkong wird auch damit begründet, dass der Markt durch die Unruhen schon vor Ausbruch der Pandemie unter Druck stand. Insgesamt nehmen die internationalen Investoren laut Eickermann-Riepe derzeit eine defensivere Haltung ein.

Deutlicher Rückgang in Deutschland

In Deutschland gingen der Mietmarkt-Index und der Investorenindex um 17 bzw. 4 Punkte zurück, was laut RICS der erste Indexrückgang seit zehn Jahren war und was laut RICS-Umfrage „auf eine gedämpfte Dynamik auf dem Mietmarkt und eine leichte Abkühlung des Investitionsmarktes schließen lässt“. Damit bewegt sich Deutschland beim Mietindex eindeutig in der oberen Hälfte der Rangliste und beim Investorenindex sogar auf dem fünften Platz.

Dass Retail Assets bedingt durch den Strukturwandel insbesondere in Teilen des Nonfood-Handels wie dem Mode-Segment, von den Investoren derzeit kritisch betrachtet werden, signalisieren auch die Untersuchungen zum Immobilien-Klima seit längerem. Das Handelsklima rangiert schon eine ganze Weile deutlich unter der 100-Punkte-Marke. Allerdings gilt diese Skepsis keineswegs für Fachmarktimmobilien und Fachmarktzentren mit Bezug zum Lebensmittelhandel und zur Nahversorgung. Denn das Nahversorgungs-Segment ist von der Krise bislang nicht berührt.

Ansonsten gehen die Befragten laut Studie davon aus, dass die Krise und der Shutdown gerade für den Einzelhandel und die Handelsimmobilien-Szene die größte Herausforderung darstellen: „Die Mieten im sekundären Einzelhandel werden in den meisten großen Märkten in den nächsten 12 Monaten wahrscheinlich um mehr als 10% sinken, da der Online-Handel weiter an Zugkraft gewinnt“, heißt es: Doch auch das Prime-Segment sei nicht immun gegen den Stimmungsumschwung. Das ist nur das Nahversorgungs-Segment.

Die stärkste Eintrübung beim Marktklima muss im ersten Quartal allerdings der Bürosektor hinnehmen, der vor Ausbruch der Pandemie einen regelrechten Höhenflug erlebte. Das gilt sowohl für den Mietmarkt-Index als auch für den Investorenindex, die um 35 bzw. um 29 Punkte eingebrochen sind. Hier könnte sich auf Dauer die steigende Arbeitslosenzahl und eine veränderte Einstellung der Arbeitgeber zum Thema Homeoffice auswirken.

Die Euro-Zone gilt noch als teuerste Region

Die verschlechterten Prognosen richten sich zunächst aber auf den Non-Prime-Bereich der Asset-Klasse. Die Ausnahme bilden laut Eickermann-Riepe wahrscheinlich die Segmente „Logistik“ und „Wohnen“, die offenbar die höchste Widerstandskraft gegen die aktuelle Krise hätten.

Mit Blick auf die Preise in den Ländern und Regionen sehen die Marktteilnehmer die Euro-Zone noch als den teuersten Standort vor dem US-Markt und Kanada. (Grafik: RICS) Dagegen hat sich das Preisniveau in Großbritannien schon deutlich verringert. Dazu dürften die Unsicherheiten im Rahmen des Brexits beigetragen haben.

Da ein Ende der Corona-Krise noch nicht absehbar ist und auch nicht klar ist, wie lange sich die Einschränkungen noch ins Jahr 2020 hineinziehen werden, ist auch die Ungewissheit über die Entwicklung im Gewerbeimmobilienmarkt groß. Weitere Störungen erwartet Eickermann-Riepe, sofern sich die Konsumenten an das neue Umfeld anpassen – sprich: wenn sich die Verbraucher an die restriktiven Bedingungen gewöhnen und beim Konsum zurückhalten.

Insgesamt sehen Investoren und Mieter zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Trendwende, was die Auswirkungen der Pandemie auf den Immobiliensektor anbelangt. „Die zukunftsgerichteten Kennzahlen deuten auf einen weiteren deutlichen Stimmungseinbruch hin“, heißt es in der Studie: „Der Wert für die erwartete Miet- und Kaufpreisentwicklung in den kommenden 12 Monaten ist im Vergleich zum Vorquartal um über 50 Punkte gefallen.“

In diesem Umfeld erscheint Deutschland im internationalen Vergleich noch relativ robust, wie die Vorstandsvorsitzende zusammenfassend feststellt, und der Markt profitiere noch von seiner bisherigen Rolle als „sicherer Hafen“, doch seien die kurzfristigen Folgen auch hier deutlich zu spüren. Das Vertrauen der Marktteilnehmer werde auf die Probe gestellt. „Hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen ist zu befürchten, dass diese weitaus gravierender auf Angebot und Nachfrage durch schlagen, als alles, was wir bisher gesehen haben“, so Eickermann-Riepes Fazit.