Luxusmarkt Europa

Das stationäre Geschäft ist noch Trumpf

Luxus-Lagen schneiden überdurchschnittlich ab. Foto: Comfort

Einkaufengehen ist schon lange nicht mehr nur der Versorgungskauf. Mit dieser Erkenntnis setzt sich der stationäre Einzelhandel intensiv auseinander, um sich im Wettbewerb mit dem Online-Handel einen Vorteil durch besondere Angebote und Erlebnis zu verschaffen. Im Geschäft mit Luxus-Konsumgütern und wohlhabenden Kunden gilt es noch viel mehr, Erlebnis und Service auf der Fläche zu bieten. Ein attraktiv gestalteter Laden an einem namhaften Standort ist hier die Geschäftsgrundlage und durch einen Online-Shop nur zu ergänzen, keinesfalls zu ersetzen.

„Es hat sich bestätigt, dass stationäre Geschäfte für den Luxuseinzelhandel nach wie vor von entscheidender Bedeutung sind“, sagt Tina Reuter, (Foto) Head of Germany bei Cushman & Wakefield (C & W) mit Blick auf die Ergebnisse des ersten European Luxury Retail Reports des Immobilienberaters. Die Anbieter von Luxusmarken hätten schon lange erkannt, welche Bedeutung das persönliche Erlebnis für die Markenbindung hat und würden ihre Geschäfte als Erlebnisraum positionieren – sei es, indem sie besondere Technologien etablieren oder Räume mit exklusiver Privatatmosphäre für VIP’s schaffen oder Schauen und Events inszenieren.

Zum Geschäftsmodell der Branche gehört auch die prominente Luxus-Einkaufslage, die in der Regel nicht verkehrsberuhigt ist, sondern mit dem repräsentativen Auto erreichbar sein muss.

Diese Fakten belegen bereits, dass die Luxus-Lagen räumlich begrenzt sind und die Verfügbarkeit nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Das spricht für die hohe Resilienz dieser Straßen, zumal auch ihre Kundschaft Konjunkturresistent ist und steigende Inflationsraten wegstecken kann. Im Fokus der Studie stehen die Aktivitäten von Nobelmarken wie RichemontKering und LVMH, auf die das Gros der 107 Neueröffnungen des Jahres 2023 entfiel sowie die Marken MonclerBurberryRalph LaurenChanelHermès und Prada, die den Luxusmarkt dominierten.

Zu den 20 von C & W untersuchten Luxus-Lagen in 16 Städten und 12 europäischen Ländern gehören allen voran die Via Montenapoleone in Mailand, die New Bond Street in London und die Avenue des Champs-Élysées in Paris, die gleichzeitig auch zu den fünf teuersten Einkaufslagen der Welt gehören. Auf die drei Schlüsselmärkte im Luxussegment FrankreichItalien und Großbritannien entfielen laut C & W-Studie denn auch 40% der im Vorjahr erfassten Neueröffnungen – besonders angetrieben von den italienischen Märkten. Auf Grund der hohen Flächennachfrage fiel das durchschnittliche Wachstum bei den Spitzenmieten hier laut Studie auch fast doppelt so hoch aus wie im Schnitt der anderen betrachteten europäischen Luxusstraßen. Luxuslage ist demnach nicht gleich Luxuslage.

Untersucht haben die Experten von C & W des Weiteren die Sloane Street in London, die PC Hooftstraat in Amsterdam, die Biblioteksgatan in Stockholm, die Stroget in Kopenhagen, die Königsallee in Düsseldorf und die Maximilianstraße in München, die Parizská in Prag, den Boulevard de Waterloo in Brüssel, die Rue du Rhone in Genf, die Bahnhofstraße in Zürich, die José Ortega y Gasset und die Sarrano in Madrid, die Avenida da Liberdade in Lissabon sowie die weiteren Pariser Luxuslagen Avenue Montaigne, Rue Faubourg St-Honoré sowie die Rue St-Honoré.

Günstige Mietentwicklung in den Luxuslagen

Insgesamt fiel die durchschnittliche Mietentwicklung in den betrachteten Luxuslagen im vergangenen Jahr mit 3,0% fast doppelt so hoch aus wie der europäische Durchschnitt mit 1,6% in den konsumigen Top-Einkaufsstraßen. Und während die Mietniveaus in den Hauptgeschäftsstraßen in Europa noch um 10% unter dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2018 liegen, haben sie sich in den Luxusstraßen laut C & W wieder auf dem hohen Vor-Corona-Niveau eingependelt. Das liegt allerdings auch daran, dass die verfügbare Fläche extrem begrenzt ist.

Beim Blick in die Zukunft erwarten die Experten von Cushman & Wakefield, dass der Einzelhandelsmarkt für Luxusmarken nach den Jahren mit hohen Wachstumsraten 2021 und 2022, als insbesondere die wohlhabenden Kunden ihre Ausgaben mit dem Ende der Pandemiebeschränkungen drastisch hochgefahren haben, um die neuen Freiheiten wie Ausgehen und Verreisen wieder zu genießen, 2024 wieder zu moderateren Wachstumsraten zurückkehrt. Im Jahr 2022 hatte die Branche laut Studie im Jahresvergleich ein Wachstum um 26% erzielt, so dass sich der Luxuseinzelhandelsmarkt nach den Zahlen von Global Data ziemlich schnell wieder von den Folgen der Corona-Restriktionen erholt hatte.

Im vergangenen Jahr ging die Wachstumsrate bereits wieder auf +9% zurück und für die nächsten Jahre erwartet Cushman & Wakefield eine Phase der Normalisierung. Nach den Prognosen von Global Data dürften sich die Wachstumsraten zwischen 2024 und dem Jahr 2028 auf etwa 5% jährlich einpendeln. Gemessen am Einzelhandel insgesamt ist das aber immer noch ein beachtliches Umsatzwachstum.

Das Fundament des Luxusmarktes – auch in puncto Expansion – bildet nach wie vor der Handel mit Bekleidung und Schuhen, der 2023 ein Viertel des Umsatzes ausmachte. Auf Accessoires einschließlich Handtaschen und Brillen entfielen weitere 11%. Diese Branchen standen laut Report auch für den größten Teil (über 70%) der 107 Neueröffnungen im Luxusbereich. Allein auf die führenden Unternehmen mit ihren großen Marken-Portfolien, LVMH, Kering und Richemont, entfiel ein Drittel der Neueröffnungen. Der verbleibende Teil entfiel auf 60 andere Marken des Luxussegments.

Bekleidung und Schuhe dominieren den Markt

Eine beachtliche Entwicklung verzeichnete im vergangenen Jahr auch der Bereich Uhren und Schmuck, auf den 18% der Erlöse im europäischen Luxusmarkt entfielen, nach 16% in den Vor-Corona-Jahren. Das spürbare Wachstum von 17% im Jahresvergleich war 2023 in diesem Markt laut Cushman & Wakefield vor allem von der Erwartung der Käufer getragen, dass solche Luxusgüter in wirtschaftlich unsicheren Zeiten eine gute Wertanlage darstellen. Von diesem starken Konsumtrend profitierte im vergangenen Jahr sowohl der Luxusmarken-Konzern LVMH mit seinen Uhren-Marken Hublot und TAG Heuer sowie den Schmuck-Marken Tiffany und Bulgari als auch Richemont mit seinen Uhren-Marken Panerai,Jaeger-LeCoultre und IWC Schaffhausen sowie mit den Schmuckmarken Buccellati und Cartier. Auch die Swatch Group profitierte mit ihren drei Marken LonginesOmega und Blancpain, die im Jahr 2023 allesamt starke Wachstumsraten verzeichneten. Auf dieses Segment entfielen im Vorjahr 20% der Neueröffnungen.

Getragen wird das stabile Wachstum im europäischen Luxusmarkt nicht nur von der Nachfrage der Stammkundschaft, vielmehr sind nach dem Ende der Pandemie auch die kauffreudigen Touristen wieder zurückgekehrt, deren Ausgaben inzwischen das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 überschritten haben. Hier tun sich vor allem chinesische Touristen hervor, die nicht nur viel Geld für Luxus-Güter ausgeben, sondern auch in großen Gruppen reisen. Auch die Touristen aus dem Mittleren Osten sind wieder zurückgekehrt, auch wenn ihre Zahl noch unter dem Vor-Corona-Niveau zurückbleibt. Sie geben laut Studie unter allen Nationalitäten im Schnitt aber die höchste Summe für Luxusgüter aus.

Zur Strategie der Luxusmarken gehört es inzwischen auch, sich mit Stores in die Lebenswelten ihrer Kunden zu integrieren, indem sie ihre Expansion in Hotels, Restaurants und Cafés vorantreiben oder sich mit Stores in Luxus-Urlaubsorten in Strandnähe oder in angesagten alpinen Gebieten etablieren, um die Kundenbindung zu stärken und die Erlöse zu steigern. Themen sind auch kurzfristige Anmietungen oder Pop-up-Stores in Luxus-Touristen-Zielen. Das ändert aber nichts daran, dass die Luxus-Straßen ihr Hauptexpansionsziel bleiben – auch wenn Flächen hier knapp sind und die Erweiterung der Verkaufsflächen begrenzen.

Luxusmarken kaufen vermehrt Geschäftshäuser

Vor diesem Hintergrund gehen Luxusmarken vermehrt dazu über, gleich den Kauf von Geschäftshäusern in Betracht zu ziehen – entweder als Selbstnutzer oder als Investment, wie es im European Luxury Retail Report heißt. Zielmärkte sind vor allem London, Paris und Mailand. So kaufte LVMH im Juni 2023 das Gebäude in der 101 Avenue des Champs-Élysées, in dem sich sein Louis Vuitton Flagship Store befindet und im Dezember das Gebäude mit der Hausnummer 150 in der Avenue des Champs-Élysées. Kering kaufte im vergangenen Jahr zum einen das Gebäude mit der Hausnummer 35 in der Avenue Montaigne, in dem sich sein Saint Laurent Flagship Store sowie Büros befinden und zum andern die Hausnummer 235 in der Rue St-Honoré, wo das Unternehmen einen riesigen Gucci Store eröffnet.

In London erwarb die Swatch Group im Oktober 2023 das Geschäftshaus in der New Bond Street 171, in der ihre Marke Harry Winston einen Laden betreibt, nachdem sie zuvor das Gebäude in 32-33 Old Bond Street, in dem sich der Saint-Laurent-Shop von Kering befindet, übernommen hatte. Im Juni hatte die Luxus-Schuhmarke Manolo Blahnik die 31 Old Burlington Street, zwischen Bond Street und Savile Row, für sich als Londoner Hauptquartier erworben. In Mailand erwarb Kering im April 2024 die fünfstöckige Via Montenapoleone 8, in der sich ihr Saint Laurent Store befindet, um sich diesen Top-Standort zu sichern. Das war laut C&W gleichzeitig die größte Einzeltransaktion in Europa seit März 2022.