Galeria-Insolvenz

Das Pokern um die Zukunft geht weiter

Nicht einmal drei Jahre nach Abschluss des vorletzten Insolvenzverfahrens von Galeria Karstadt Kaufhof mit mehr als 40 Standort-Schließungen legen die Geschäftsführung und der Generalbevollmächtigte des jüngsten Schutzschirmverfahrens, Arndt Geiwitz, die nächste Schließungsliste mit 47 Standorten vor. 82 Filialen sollen weitergeführt werden. Die Ausrichtung der Filialen an den Anforderungen der jeweiligen lokalen Märkte soll fortgesetzt werden. Dafür erhalten die Akteure vor Ort mehr Eigenständigkeit.

In dem sehr knapp gehaltenen Statement des Unternehmens zum neuen Sanierungsplan erläutert CEO Miguel Müllenbach, dass die Filialen vor Ort künftig stärker über Sortimente, Schwerpunkte und Abläufe entscheiden können und dafür mehr Eigenständigkeit erhalten. Des Weiteren sollen sich die Warenhäuser vor allem in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home eindeutiger positionieren, mehr attraktive Gastronomie-Angebote vorhalten und Dienstleistungen wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services als Ergänzung zum Handelsangebot anbieten. Ziel ist es, die Warenhäuser zu Innenstadt-Treffpunkten zu machen.

Ob so das von Müllenbach ausgegebene Ziel, mit dem neuen Sanierungsplan die „Basis für eine positive wirtschaftliche Perspektive“ von Galeria zu schaffen, damit das Warenhaus in Deutschland eine Zukunft hat, erreicht werden kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Nach dem zweiten Insolvenzverfahren in so kurzer Zeit hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi jedenfalls kein großes Zutrauen mehr in die Strategie der Geschäftsführung.

Stefanie Nutzenberger, Mitglied im Bundesvorstand von Verdi und zuständig für den Bereich Handel, glaubt, dass mit dem alten Management keine Zukunft zu bauen sei und der Warenhaus-Betreiber eine neue Managementführung für die gewaltige Aufgabe benötigt, um zusammen mit der Belegschaft ein „digital-stationäres Warenhaus der Zukunft“ zu entwickeln. Beim Handelskonzept und vor allem bei der Kommunikation mit den Kunden besteht bei dem sehr verschlossen agierenden Unternehmen noch viel Luft nach oben, wie auch Experten immer wieder kritisieren.

Verdi will nun zunächst einmal die Schließungslisten genau prüfen. „Es muss weiter jede Möglichkeit und Chance genutzt werden, um Filialen zu erhalten“, so Nutzenberger weiter. Beim vorherigen Insolvenzverfahren hatte die Geschäftsführung zunächst die Schließung von 80 Filialen angekündigt. Am Ende waren es etwas mehr als 40. Die Karstadt-Filiale in der Düsseldorfer Schadowstraße war erst kurz vor dem angekündigten Schließungstermin Ende Oktober gerettet worden und musste nach dem Ausverkauf zunächst mit sehr wenig Ware in die Wintersaison starten.

Meistens dürfte es um Mietsenkungen gehen

In den meisten Fällen der Filialschließungen dürfte es darum gehen, die Mieten weiter zu drücken oder um andere Formen von Zugeständnissen. So heißt es in der Pressemitteilung zur Begründung für die Schließung der Filialen, dass für sie „angesichts der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingen, der lokalen Bedingungen und auch nach intensiven Verhandlungen mit Vermietern und Städten keine positive Fortführungsperspektive“, bestehe. Dabei muss man bedenken, dass schon bei der vorletzten Insolvenz mit den Vermietern über Mietsenkungen verhandelt wurde, wie etwa auch bei der besagten Karstadt-Filiale in Düsseldorf.

Allerdings plant die Galeria-Eigentümerin Signa Gruppe, der das ehemalige Kaufhof-Gebäude (Foto: Galeria)auf dem Nachbargrundstück Am Wehrhahn 1 gehört, hier in Zusammenarbeit mit der Stadt Düsseldorf ein neues, zukunftsweisendes Projekt zur Aufwertung des Standorts am „Eingang zur Einkaufsmeile Schadowstraße“. Diese Aufwertung würde allerdings konterkariert, wenn ausgerechnet die Karstadt-Filiale, die das ehemalige Kaufhof-Gebäude von der Schadowstraße trennt, künftig leer steht. Die Erhaltung der riesigen Karstadt-Filiale mit ihren vielen gut sortierten Fachabteilungen dürfte der Stadtverwaltung jedenfalls sehr viel Wert sein.

In Berlin führten die Zugeständnisse des Senats bei den Plänen der Signa Gruppe für den Ausbau der Karstadt-Filiale am Hermannplatz bei der vorletzten Galeria-Insolvenz dazu, dass einige Berliner Filialen wieder von der Schließungsliste genommen wurden. Mit Blick auf die große Bedeutung der riesigen Warenhaus-Immobilien für die Innenstädte ist der Druck, der durch die Androhung einer Schießung auf die betroffenen Städte ausgeübt wird, erheblich.

Zumal im Zuge der vergangenen Schließungswellen bei Karstadt und bei Kaufhof die schlechtesten bzw. die tendenziell schlechtesten Lagen bereits ausgedünnt wurden, wie es im Whitepaper „Zukunft der Kauf- und Warenhäuser“ von BBE Handelsberatung und IPH Handelsimmobilien heißt. Nun treffen die geplanten Schließungen die besten Innenstadt- und Stadtteillagen.

„Vielerorts ist damit zu rechnen, dass – wie in der Vergangenheit – jahrelang große leere Objekte und langfristige Baustellen in den deutschen Innenstädten zu sehen sein werden, die das Gegenteil von Besuchermagneten sind und im schlimmsten Fall zu einem Attraktivitätsverlust führen“, heißt es im Whitepape weiterr. Ein prominentes Beispiel ist die leerstehende Kaufhof-Filiale in der Hamburger Mönckebergstraße. Deren Neuausrichtung dürfte noch eine Weile auf sich warten lassen. Andererseits sind diese sehr guten Mikrolagen laut Whitepaper eine günstige Voraussetzung für vielfältige Nachnutzungsoptionen für die Gebäude respektive die Standorte. Welche baulichen Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Nutzungskonzept dann erforderlich und sinnvoll sind, hängt laut BBE/IPH von den Charakteristika der jeweiligen Immobilie wie Gebäudetiefe, Geschossigkeit, Baudichte oder Fassadenstruktur ab.

Kampf um die Filialen und die Arbeitsplätze

Insgesamt hat die Galeria-Geschäftsführung zwei Schließungslisten vorgelegt – zum einen 21 Häuser, die bereits zum 30. Juni schließen sollen und zum andern 31 Filialen, die erst zum 31. Januar 2024 zumachen werden. Von den fünf Filialen, die jüngst von den Streichungsliste genommen wurden – stammen drei (Bayreuth, Oldenburg und Rostock) aus Liste zwei und Erlangen sowie Leipzig aus Liste eins.

Verdi-Bundesvorstand Stefanie Nutzenberger hat denn auch bekräftigt, dass die Gewerkschaft zusammen mit den aktiven Beschäftigten um den Erhalt jeder Filiale und jedes Arbeitsplatzes kämpfen wird. Von den Schließungen sind laut Sanierungsplan 4 000 Mitarbeiter in den Filialen und 300 Stellen in der Essener Zentrale und in den Servicebereichen wie IT und Facility Management betroffen. Bei der vorletzten Insolvenz waren bereits etwa 5 000 Stellen abgebaut worden. Wie Verdi kritisiert, sind es wieder einmal die Mitarbeiter, die bereits viele Zugeständnisse gemacht haben, um das Unternehmen zu retten und die nun erneut die Zeche für die Fehler des Managements zahlen müssen.

Wie sehr die Schließungen und der daraus folgende Leerstand die deutschen Innenstädte weiter belasten werden, zeigt der Blick auf andere Zahlen. Laut Whitepaper „Zukunft der Kauf- und Warenhäuser“ ist der Marktanteil des inhabergeführten, nicht filialisierten Fachhandels, der die Würze des innerstädtischen Einzelhandelsangebots ist, seit 1980 von damals 73,7% auf derzeit 13,6% gesunken. Dadurch seien in den vergangenen 20 Jahren 100 000 dieser Unternehmen aus dem Markt ausgeschieden, heißt es. Das zeigt, wie viel Individualität in den deutschen Innenstädten bereits verloren gegangen ist.