Einkauf von Lebensmitteln

Das Pendel schlägt wieder Richtung Preis

Discountpreise sind wieder mehr gefragt. Foto: Aldi Nord

rv DÜSSELDORF. Bis zum Aufflammen der Inflation Anfang 2022 war für das Gros der Deutschen der breit sortierte Supermarkt die Einkaufsstätte der Wahl. Die lange Zeit wachstumsstarken Discounter sahen sich gezwungen bei ihren Angeboten – auch in punkto Convenience – zu den Vollsortimentern aufzuschließen. Mit dem drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise schlägt das Pendel auch wieder mehr Richtung Discounter und Preisbewusstsein. Aber auch heute ist der Preis nicht mehr alles, wie die Studie Voice of the Consumer Survey 2025“ von PwC zeigte.

Weltweit befragte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC dafür mehr als 20 000 Menschen in 31 Ländern, davon 2 000 in Deutschland. Wie prekär dabei die finanzielle Situation eines großen Teils der Befragten in Deutschland ist, zeigt die Tatsache, dass fast die Hälfte (46%) zwar jeden Monat seine Rechnungen bezahlen kann, darüber hinaus aber nur wenig bis kein Geld für Ersparnisse, Urlaub oder Unterhaltung übrig hat. Und 11% fällt es allmonatlich schwer, alle Rechnungen zu bezahlen, während 1% gar nicht mehr über die Runden kommt.

Diese angespannte Lage bei vielen seiner Kunden kann auch der Discounter Lidl an den Durchschnitts-Bons ablesen, die zum Monatsende immer kleinere Summen umfassen. Keine finanziellen Sorgen bei der Begleichung der monatlichen Rechnungen und das Beiseitelegen von Geld müssen sich 40% der Befragten machen.

Diese Zahlen zeigen, dass die eklatante Verteuerung der Lebensmittelpreise und der Lebenshaltungskosten insgesamt einen wesentlichen Teil der Bevölkerung (rund 58%) mehr oder weniger stark in Bedrängnis bringt. Beim Blick auf die nächsten zwölf Monate haben sie die größte Angst davor, dass die Lebenshaltungskosten weiter steigen. Zwar hat sich die monatliche Teuerungsrate inzwischen auf etwa 2% abgeschwächt, aber diese Preiserhöhungen kommen auf das bislang erreichte hohe Preisniveau noch obendrauf. Die wirtschaftliche Instabilität fürchten 53% der Befragten und 43% die geopolitischen Konflikte.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum laut PWC-Studie die Mehrheit (61%) der Befragten beim Lebensmittelkauf zunächst einmal auf den Preis achten (müssen). Dabei setzen die Menschen im Supermarkt vermehrt auf Coupons und Sonderangebote (59%), um Kosten zu sparen oder sie kaufen die preisgünstigeren Eigenmarken oder gehen zum Discounter (jeweils 57%). Und fast genauso viele (55%) achten darauf, erst einmal ihre Vorräte im Vorrats- oder Kühlschrank aufzubrauchen, bevor sie neue Ware einkaufen. Damit leisten sie gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz und gegen Verschwendung. Mit 50% der Befragten kauft auch ein wesentlicher Teil der Konsumenten reduzierte Produkte, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen.

Neben dem Preis ist den befragten Bundesbürgern aber auch die Qualität wichtig, denn der Produktgeschmack folgt mit 52% der Nennungen hinter dem Preis auf Platz zwei der Kaufargumente. Dagegen folgt der Kauf der Marke des Vertrauens mit 31% der Nennungen etwas abgeschlagen auf Platz drei. Das spricht dafür, dass es offenbar geschmackvolle Alternativen zur Marke gibt, wenn es darauf ankommt, Geld zu sparen. Laut Umfrage ist die Mehrheit (56%) dazu bereit, eine Marke für ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, für einen besseren Geschmack (52%) oder auf Grund von Sonderangeboten (41%) zu wechseln. Markentreue hat offensichtlich ihre Grenzen.

Nach den zahlreichen Lebensmittelskandalen und auf Grund des gestiegenen Bewusstseins für das Tierwohl und die negativen Nebenwirkungen von Pestiziden ist es für einen wachsenden Teil der deutschen Bevölkerung (48%) auch wichtig, sich gesund zu ernähren. Dazu gehört es auch, auf die Gesundheitsrisiken von stark verarbeiteten Lebensmitteln zu achten (43%). Von der Achtsamkeit für die eigene Gesundheit ist der Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels durch einen verantwortungsbewussteren Umgang mit Lebensmitteln für die Bundesbürger nicht allzu groß.

Preisbewusstsein und Klimaschutz schließen sich nicht aus

Denn immerhin drei Viertel (75%) der Befragten ist über den Klimawandel und seine spürbaren Folgen besorgt und möchte auch selbst etwas dagegen tun. So sind laut PWC-Studie 63% der Verbraucher und Verbraucherinnen bereit, ihren Lebensmittelkonsum im Interesse des Klimas zu reduzieren, 53% wollen Lebensmittelverschwendung vermeiden und genauso viele nur noch auf saisonale Produkte setzen. Für 46% ist es zudem wichtig, Lebensmittel aus lokaler Produktion zu kaufen. Das reduziert Transportkosten und unterstützt die lokale Wirtschaft. Die Mehrheit (60%) glaubt aber auch, dass lokal erzeugte Produkte teurer sind und die Auswahl kleiner ist.

„Preisbewusstsein und der Wunsch, sich gesund und klimafreundlich zu ernähren, schließen sich nicht aus“, stellt Emanuel Chibesakunda, Partner im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland, vor diesem Hintergrund fest: „Wer möglichst wenig Lebensmittel verschwendet sowie regionale und saisonale Produkte kauft, tut nicht nur etwas Gutes für das Klima und die Gesundheit, sondern schont auch den Geldbeutel“, lautet sein logisches Fazit.

Einen Nachhaltigkeitsaufpreis will allerdings nur eine Minderheit akzeptieren. Denn nur knapp ein Drittel (31%) der Befragten ist bereit, nachhaltige Produkte auch dann zu kaufen, wenn sie mehr kosten. Dabei dürfte es sich auch um Personen aus dem Bevölkerungskreis handeln, der nicht jeden Cent umdrehen muss. Es gibt hier aber auch Alters-bedingte Unterschiede: Innerhalb der Generation Z würden laut Studie immerhin 39% höhere Preise für Lebensmittel zahlen, die den Umweltschutz fördern und die Bodenqualität verbessern. In der Gruppe der Über-60-Jährigen sind das nur 24%.

Das heißt gleichwohl nicht, dass sich ältere Generationen nicht genauso für das Thema Nachhaltigkeit interessieren wie jüngere. Laut PWC-Studie informieren sich etwa 75% der Befragten über die Nachhaltigkeitsinitiativen von Lebensmittelunternehmen – mehrheitlich (52%) über traditionelle Medien und soziale Netzwerke (42%). Vor diesem Hintergrund empfiehlt Nachhaltigkeitsexperte Chibesakunda den Händlern und Herstellern von Lebensmitteln, „das Thema Nachhaltigkeit pragmatisch und alltagsrelevant zu vermitteln, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben“.

Beim Blick in die Zukunft geht er davon aus, dass die Lebensmittelpreise auch auf Grund des Klimawandels weiter steigen werden, sodass in der Landwirtschaft Innovationen erforderlich seien, um den Preisauftrieb zu stoppen: „In den Städten bieten Konzepte wie Vertical Farming großes Potenzial, um auch außerhalb von landwirtschaftlichen Flächen vor Ort Lebensmittel anzubauen“, empfiehlt er.

Herstellern und Händlern empfiehlt Christian Wulff, Leiter Consumer Markets bei PwC Deutschland und EMEA mit Blick auf das Spannungsfeld zwischen Preis, Gesundheit und Nachhaltigkeit, die Preisgestaltung neu zu denken und differenzierte Preismodelle einzuführen. Das heißt: Sie müssten ihre Kernzielgruppen definieren und für diese gezielte Angebote entwickeln – beispielweise für preisorientierte Zielgruppen, für gesundheitsbewusste und für nachhaltig orientierte Menschen.