Modehandel

Das Internet bleibt eine Herausforderung

Bequemer Shoppen im Internet. Foto: Adler Modemärkte

Bis August hat der Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren laut Statistischem Bundesamtes nominal 15,6% seines Umsatzes eingebüßt, nachdem die Branche im Pandemie-Jahr 2020 bereits um gut 23% unter das Vor-Coronajahr 2019 gerutscht war. Seit Wiedereröffnung der Geschäfte im Juni schöpft die Branche fürs zweite Halbjahr wieder Hoffnung. Mit der Frage, wie es mit dem deutschen Mode-Handel nach dem historischen Markteinbruch 2020 in diesem Jahr weitergeht, befasste sich deshalb der „Branchenbericht Fashion & Accessoires“ von IFH Köln und BBE Handelsberatung.

Im Kern schließen sich die Experten des IFH Köln dem Optimismus des Mode-Handels an, wenn sie für 2021 mit einer Erholung des Marktes rechnen – allerdings mit der Einschränkung, dass bei ihrer Hochrechnung das erwartete Marktvolumen nach der Erholung noch um zehn Prozentpunkte unter dem 2019er Niveau liegen wird. Dabei gehen die Forscher zwar davon aus, dass die Umsatzanteile, die im Rahmen der Zwangsschließungen in den Online-Handel abgeflossen sind, mit der Normalisierung des stationären Verkaufs zumindest teilweise wieder zurückfließen.

Doch gehen sie auch davon aus, dass der aufgebaute Konkurrenzdruck sowohl auf den Facheinzelhandel als auch auf die Filialisten spürbar bleiben wird. Denn auf die Bequemlichkeit, die der eCommce bietet, wollen viele nicht mehr verzichten, wie der Mode-Experte und Senior Consultant des IFH, Hansjürgen Heinick, zu bedenken gibt: „Nach wie vor bestimmen bequeme, online-affine und zunehmend nachhaltige Konsumentinnen und Konsumenten mit einer hohen Anspruchshaltung die Nachfrage und stellen eine wesentliche Herausforderung für die Branche dar.“ Zumal gerade beim Thema Nachhaltigkeit in der Branche noch Nachholbedarf besteht.

In seiner Langzeitbetrachtung geht der Berater davon aus, dass der Online-Anteil den Offlineanteil in der Branche übersteigen und auch das Wachstum der Branche künftig bestimmen werde. Das hat sich schon in der Phase der Zwangsmaßnahmen, als der Online-Handel stark zulegen konnte, abgezeichnet. So heißt es im „Branchenbericht Fashion & Accessoires“ von IFH und BBE Handelsberatung, dass der Online-Anteil durch die pandemiegetriebene Umsatzverlagerung ins Netz um fast zehn Prozentpunkte auf knapp 40% gestiegen sei.

Denn, wie Heinick beobachtet hat, haben sich in der Krise selbst Menschen, die zuvor treu im stationären Handel gekauft haben, an die Bequemlichkeit des eCommerce gewöhnt. Es ist aus seiner Sicht deshalb nicht zu erwarten, dass diese Kundinnen und Kunden ganz auf diesen Komfort verzichten werden: „Als Resultat wird der Marktanteil des Fachhandels weiter zurückgehen“, fürchtet der Marktexperte.

Dabei sprechen die Zahlen über die Entwicklung auf dem Modemarkt bereits heute für sich, wie im Branchenbericht dargelegt wird. So ist das Marktvolumen im Bereich Mode im Vorjahr um 14% gesunken. In absoluten Zahlen wurden damit etwa 8 Mrd. Euro weniger ausgegeben als im normalen Jahr 2019 – bei einem Marktvolumen von insgesamt knapp 50 Mrd. Euro.

Neben der Coronabedingten Verlagerung von Mode-Käufen ins Netz spielte 2020 die drastische Beschränkung des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens eine maßgelbliche Rolle dafür, dass weniger Bekleidung gebraucht und gekauft wurde. So fielen 2020 das Osterfest und die Treffen mit Familie und Freunden aus, im Sommer ließen viele Haushalte die Urlaubsreise ausfallen oder beschränkten sich auf den kleinen Urlaub in Deutschland – keine Schiffsreisen mit Gala-Diners oder Club-Aufenthalte.

Beschränkungen des sozialen Lebens hinterließen Spuren

Auch das Weihnachtsfest und die Silvesterparty fielen aus und das wichtige Weihnachtsgeschäft wurde zum 16. Dezember mittels erneutem Shutdown abgebrochen, nachdem die Politik im Sommer noch versprochen hatte, dass es im Einzelhandel nach den Erfahrungen auch mit vielen Insolvenzen im Frühjahr keine erneuten Zwangsschließungen geben werde.

Und last not least sank der Bedarf an neuer Kleidung durch den Ausfall von Messen, Kongressen und anderen beruflichen Anlässen sowie durch die Arbeit im Homeoffice. „Nahezu alle Einzelmärkte – allen voran die wichtigsten Teilbereiche Damen- (minus 15,4%) und Herrenbekleidung (minus 17,2%) – haben 2020 deutlich einbüßen müssen“, heißt es im BBE-IFH-Bericht.

Doch trotz dieser ernüchternden Bilanz gab es 2020 auch Gewinner im Modemarkt. Denn bekanntlich gab es die systemrelevanten Berufsgruppen, die trotz aller Restriktionen arbeiten mussten. So profitierten die Anbieter von Berufsbekleidung wie Schürzen und Schutzkleidung. Die wurden sogar häufiger als sonst gekauft. Mit steigenden Impfquoten und der kontinuierlichen Rückkehr zur Normalität dürften sich die Probleme beim normalen Bekleidungsverkauf aber legen.

Der Verkauf über Online-Plattformen hat auch Schattenseiten

Nicht jedoch die Herausforderung durch die Digitalisierung und den wachsenden Verkauf über das Internet, wie Peter Frank, Senior Consultant bei der BBE Handelsberatung in München, mahnt.  „Der Onlinehandel bleibt auch in Zukunft die große Herausforderung für den stationären Modehandel“, ist er überzeugt. Zwar hätten viele Händler in den Zeiten der Zwangsschließungen die Chance genutzt und ihre Ware auf Online-Plattformen angeboten und verkauft, doch hat das mit Blick auf die z.T. sehr hohen Provisionen und Kosten auch Schattenseiten. Das schmälert die Rendite.

Aus Sicht des Experten muss der Modehändler deshalb sehr genau überlegen, was, wo und wie er im Internet anbietet. Gleichzeitig ist es laut Frank für den stationären Einzelhandel wichtig, in sein Stammgeschäft zu investieren – in attraktive Verkaufsräume und in die Kompetenz des Personals – „um den Konsumentinnen und Konsumenten die Frage zu beantworten, warum sie nicht (!) online kaufen sollten“.

Auf eine weitere Ursache für das Schrumpfen des Bekleidungsmarkts weist der Bundesverband Textil (BTE) nach Auswertung seiner Umsatzsteuerstatistik hin. Demnach ist der Netto-Umsatz des stationären Einzelhandels mit vorwiegend Bekleidung – nach zwei rückläufigen Jahren – 2019 wieder leicht auf 32,1 Mrd. Euro gestiegen, ohne dass jedoch der bisherige Höchstwert von 33 Mrd. Euro von 2016 erreicht werden konnte.

Hier spielt auch das Verschwinden vieler kleiner Facheinzelhändler eine Rolle, die nach Erreichen der Altersgrenze keinen Nachfolger fanden. Immer weniger Mittelständler würden Interessenten für die Weiterführung ihrer Geschäfte finden, schreibt der BTE. Zwischen 2010 und 2019 ist die Zahl der Betriebe mit Jahres-Netto-Umsätzen von bis zu 0,5 Mio. Euro von 18 869 um 6 948 Betriebe (-37%) auf 11 921 geschrumpft. Die Folge ist eine Konzentration im stationären Fachhandel. Während der Marktanteil dieser kleinen Modegeschäfte 2019 nur noch 5,8% erreichte, liegt der Anteil der Großunternehmen mit Umsätzen über 100 Mio. Euro mittlerweile bei dem Rekordwert von 61,4%.