In einem schwierigen Umfeld verzeichnete der deutsche Markt für Retail Assets unter den verschiedenen Anlage-Klassen mit die größte Dynamik. Experten rechnen zum Jahresende mit einer spürbaren Belebung der Transaktionen.
Nachdem sich im ersten Quartal 2024 auf dem deutschen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien die Schockstarre gelöst hat, registrieren die Immobilienberater im zweiten Quartal eine, wenn auch nur langsam voranschreitende Erholung und einen Kurswechsel in Richtung Wachstum. In diesem Umfeld bestätigen Industrie- und Logistikimmobilien nach den Worten von Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets, ihre schon seit 2023 gezeigte relative Resilienz mit einer deutlich positiven Dynamik gegenüber 2023, „und die Einzelhandelssparte beweist ihr Potenzial dadurch, dass mittlerweile auch wieder Shopping-Center gehandelt werden“.
In diesem Kontext weist Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH (BNPPRE) und Head of Retail Services, darauf hin, dass Retail-Investments derzeit nicht nur durch große Umsatztreiber die höchste Marktdynamik verzeichnen, sondern auch die meisten Verkäufe auf dieses Segment entfielen, was für ihn „als Indiz für die gute Wettbewerbspositionierung der Retail-Sparte im Asset-Klassenvergleich zu werten ist“.
Vor diesem Hintergrund konnten Retail Assets in einem unverändert schwierigen ersten Halbjahr mit einem Transaktionsvolumen, das die Immobilienberater in der Bandbreite von 3,6 Mrd. Euro (CBRE und BNPPPRE), 3,3 Mrd. Euro (Savills) und 2,6 Mrd. Euro (JLL, Colliers, Cushman & Wakefield) sehen, im 11,16 Mrd. Euro schweren Gewerbeimmobilienmarkt ihre Spitzenposition aus dem ersten Quartal halten. Laut CBRE führte die Anlage-Klasse den deutschen Immobilieninvestmentmarkt im ersten Halbjahr „als dynamischstes Segment“ an. Dabei lag der höchste gemessene Wert von 3,6 Mrd. Euro laut BNPPRE um 92% über dem Vorjahreswert, blieb gleichzeitig aber um 6% unter dem langjährigen Durchschnittswert zurück. Von der Normalität ist somit auch der Investmentmarkt für Retail Assets noch entfernt, zumal der hohe Anteil laut Savills auch der Schwäche anderer Anlage-Klassen geschuldet ist.
Ins Bild passt auch, dass bei Handelsimmobilien vor allem Warenhäuser und Geschäftshäuser in Top-Innenstadtlagen mit einem Anteil von 63% laut CBRE den größten Anteil am Transaktionsvolumen stellten: „Etwa 1,5 Mrd. Euro des Transaktionsvolumens entfielen auf drei Deals mit 1A-Handelsimmobilien“, so der Immobilienberater. Dabei ist der Handel mit Warenhäusern und Geschäftshäusern laut Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers, „seit Jahresbeginn auch deshalb stark angestiegen, weil sie größtenteils aus der Insolvenzmasse großer Immobilienplayer wie der Signa oder Centrum stammen“. Entsprechend ist nach seiner Beobachtung der Anteil von Notverkäufen am Transaktionsvolumen im zweiten Quartal von 22% auf über die Hälfte gestiegen.
Viele Verkäufe aus der Insolvenzmasse
Vor diesem Hintergrund ist auch der Verkauf des 60 000 qm großen Nobelkaufhauses KaDeWe in Berlin für 1 Mrd. Euro von Signa an die thailändische Central Group derzeit die größte Transaktion im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt. Des Weiteren hat die RFR Group sieben Galeria-Filialen, die sie zuvor in einem Joint Venture mit der Signa Group gehalten hatte, vollständig übernommen, darunter auch zwei Häuser, die auf der Schließungsliste stehen. Bis 31. August wird sich entscheiden, welche Galeria-Häuser endgültig geschlossen werden. Bis dahin wird weiter über Mietsenkungen verhandelt. Bereits im ersten Quartal 2024 hatte zudem die Düsseldorfer Centrum Holding das Münchener Luxusensemble Maximilianstraße 12-14 an einen Privatanleger verkauft.
„Der deutsche Einzelhandelsimmobilieninvestmentmarkt bietet weiterhin durchgängig attraktive Investitionsmöglichkeiten über alle Sub-Handels-Assetklassen hinweg“, gibt sich Jan Schönherr, Head of Retail Investment bei CBRE, optimistisch. Für Peter Hablizel, Director Investment bei Savills Germany, zeigen die großvolumigen Transaktionen, die diesen Markt dominieren, dass Einzelhandel neben Logistik derzeit das einzige Segment sei, „das für Transaktionen in dreistelliger Millionenhöhe liquide ist“. Denn gemessen an der Anzahl der abgeschlossenen Transaktionen sei das erste Halbjahr 2024 eigentlich vergleichsweise schwach gewesen. Inzwischen gibt es nach seiner Beobachtung aber vermehrt Eigentümer, deren Verkaufsbereitschaft auf Grund der stabileren Renditen gestiegen ist. Hinzu kommen Unternehmen, die ihr Portfolio umschichten, um ihre Immobilienquote zu senken. Hablizel: „Dies ist nahezu über alle Segmente hinweg der Fall.“
Der hohe Anteil der Warenhäuser und Geschäftshäuser am Transaktionsvolumen steht auch sinnbildlich für den Strukturwandel, der den innerstädtischen Einzelhandel und damit auch die Handelsimmobilien-Szene durchlaufen. „Womöglich dürften einige der zuletzt gehandelten Kauf- und Warenhäuser ein letztes Mal als solche am Investmentmarkt gehandelt worden sein“, vermutet Savills in seinem Marktbericht: „Denn von den insgesamt 18 verkauften Objekten (exklusive Portfolios) der vergangenen eineinhalb Jahre war bereits bei elf eine Umnutzung geplant.“
Meist werden solche Objekte in Mixed-Use-Immobilien umgebaut, bei denen neben einem Kern aus Einzelhandel und Gastronomie im Erd- und Untergeschoss andere Nutzungen beigemischt werden. Verstärkt wird diese Entwicklung auch dadurch, dass viele innerstädtischen Einzelhändler im Rahmen ihrer Omnichannel-Strategie ihre stationären Verkaufsflächen verkleinern. Laut Daniel Kroppmanns, Head of Retail Agency Germany bei Savills, sind viele Händler nach wie vor damit beschäftigt, „ihre Flächen zu konsolidieren und so anzupassen, dass die Flächenproduktivität wieder passt.
Das ganze Ausmaß des strukturellen Wandels in den Innenstädten lässt sich auch daran ablesen, dass laut Savills mehr als 70% der Kauf- und Warenhäuser von der öffentlichen Hand erworben wurden – sprich: von den Städten, die Furcht vor den verheerenden Folgen der leerstehenden Großimmobilien in prominenten Lagen haben. Nach der Schließung von Hertie-Filialen etwa büßten die benachbarten Einzelhändler auf Grund der nachlassenden Frequenz 20 bis 30% ihrer Erlöse ein. Diese Entwicklung beobachtete der Immobilienberater auch schon bevor der Immobilienmarkt mit der Zinswende in den Krisenmodus geriet. In den vergangenen fünf Jahren habe die öffentliche Hand knapp die Hälfte der Warenhäuser mit geplanter Umnutzung erworben.
Noch viel Repositionierungsbedarf in den Einkaufslagen
Für Rebecca Hummel, Senior Consultant Research bei Savills Germany, zeigt diese offenkundige Zurückhaltung der privaten Investoren wie schwierig es ist, „diese Objekte wirtschaftlich tragfähig umzunutzen“. Doch darüber hinaus sieht sie in den deutschen Einkaufslagen noch genügend Repositionierungsbedarf. Von Vorteil ist hier, dass die Flächen und damit auch die Volumina deutlich kleiner sind, so dass mehr Investoren in Frage kommen. Wie Hummel beobachtet, scheint es auch bereits Entwickler zu geben, die sich mit dem Thema Revitalisierung auf der Highstreet befassen.
Dass Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Lebensmittel mit einem Anteil von 30 bis 35% im ersten Halbjahr nur zweiter Sieger waren, ist zweifellos den großen Volumina bei den Warenhäusern geschuldet. Denn auf dieser krisenresistenten Anlageklasse liegt laut Colliers nach wie vor das Hauptaugenmerk der Anleger. Das zeigt sich auch daran, dass im ersten Halbjahr 64% aller registrierten Transaktionen auf das kleinteilige Fachmarktsegment entfielen. 2023 hatten Fachmärkte und Fachmarktzentren laut CBRE mit 68% den Spitzenplatz belegt. Zu den großen Transaktionen in diesem Markt zählt laut Colliers u.a. die Sale-and-Lease-Back-Transaktion des Chase-Portfolios mit zehn Edeka-Märkten, die für rund 61 Mio. Euro mit dem Fonds Greenman Open geschlossen wurde.
Moderater als im Vorjahr verlief im ersten Halbjahr dagegen das Geschäft bei Shopping-Centern. Allerdings registriert Peter Hablizel, dass schon seit geraumer Zeit einige Center mit Repositionierungs- oder Umnutzungsbedarf auf den Markt gekommen sind. Auf Grund von unterschiedlichen Preisvorstellungen kam es bislang aber nicht zu Abschlüssen, so dass die Verhandlungen andauern oder abgebrochen wurden. Laufende Prozesse deuten nach seiner Einschätzung aber darauf hin, „dass die Rendite weiter steigen könnte“.
Insgesamt aber blieben die Spitzenrenditen im zweiten Quartal 2024 – gemessen am Vorquartal – laut CBRE in allen Segmenten stabil. Die niedrigsten Renditen registrierte der Berater mit 4,7% für Lebensmittelmärkte, gefolgt von Geschäftshäusern in den Top-7 mit durchschnittlich 4,84%, für Fachmarktzentren mit 5% und für Shopping-Center an A-Standorten mit 5,9%. Für Shopping-Center in B-Standorten beziffert CBRE die Spitzenrendite mit 7,2%.
Beim Blick auf das Gesamtjahr 2024 wertet Christoph Scharf das zufriedenstellende erste Halbjahr und die Spitzenposition unter den Asset-Klassen als gute Ausgansbasis. Und auch wenn er nicht erwartet, dass 2024 beim Transaktionsvolumen der langfristige Durchschnittswert von 11,5 Mrd. Euro erreicht werden kann, so sollte doch der Vorjahreswert von 5 Mrd. Euro übertroffen werden. Jan Schönherr hält mit Blick auf den großen Appetit vieler Investoren auf Retail Assets ein Volumen von 5 Mrd. bis 7 Mrd. Euro für erreichbar, wenn einige der großen Produkte, die sich im Markt befinden, zum Abschluss gebracht werden.
Dass derzeit jeder Verkaufsprozess zu einer Transaktion führt, ist nach Peter Halblizels Erfahrungen nicht zwingend zu erwarten. Nach einem eher verhaltenen Sommerquartal erwartet er zum Jahresende aber eine auch in Zahlen sichtbare Dynamik. In diesem Umfeld erwartet Ulf Buhlemann, Head of Retail Investment Germany bei Colliers, dass sich der Investmentmarkt für Lebensmittelfachmärkte positiv entwickelt und stetige Kapitalzuflüsse bei Core und Value-add verzeichnen wird. Auf Grund der großen Nachfrage hält er leichte Renditekompressionen für möglich. Da einige Bestandshalter den Verkauf großvolumiger innerstädtischer Shopping-Center und hybrider Malls prüfen, könnte diese Anlageklasse das Angebot im zweiten Halbjahr 2024 und im Jahr 2025 dominieren.