Die vielen Krisen und Marktkorrekturen zeigen auch im Fachmarktimmobilien-Segment Wirkung, auch wenn die Branche – gemessen an anderen Segmenten – unverändert stabil ist, wie sich beim Fachmarktimmobilien-Kongress erneut zeigte.
In der Permakrise, die die Konsumenten nach den Worten von Marco Schumacher, CEO der Avantgarde Group, seit 2015 mit der damaligen Migrationswelle erleben, hat insbesondere die Corona-Pandemie viel verändert. Viele haben in Zeiten, in denen der Alltag stillstand, vieles zum ersten Mal gemacht wie online einkaufen oder sich über What’s APP mit anderen stärker zu vernetzen: „Die Leute wurden gezwungen, Neues in Angriff zu nehmen“, so Schumacher in seiner Keynote auf dem 14. Fachmarktimmobilien-Kongress in Düsseldorf. Die „Enthabitualisierung“ habe bei vielen die Wochenstrukturen aufgelöst und die Diskussionen über Homeoffice wurden salonfähig. Das Büro werde sich brutal verändern.
Mit Blick auf die Prognose der Weltbank, dass die nächsten 20 Jahre die entscheidungsreichsten der Menschheit sein werden, dürfte diese erzwungene Offenheit in einer Gesellschaft, die es gewohnt ist, ihre Entscheidungen aus den Daten der Vergangenheit abzuleiten, von großer Bedeutung sein. Alle technologischen Fortschritte laufen in den nächsten beiden Jahren bei den Konsumenten zusammen und werden vieles verändern, wie Schumacher erwartet. Gleichzeitig werde die Digitalisierung die Menschen sehr verunsichern, so dass der physikalische Ort an Bedeutung gewinnen wird, weil er der Natur des Menschen entgegenkommt. Und nach der Ausbreitung von KI werden die Menschen nach seiner Überzeugung nichts mehr glauben.
In diesem Umfeld gewinnt nach Prognose des Experten auch der stationäre Einzelhandel, der in Deutschland zudem vom demographischen Wandel mit der wachsenden Zahl älterer Menschen befördert wird, wieder mehr an Bedeutung, doch werden sich diese Orte gemäß den veränderten Kundenansprüchen massiv verändern. Denn in einer Welt, in der viele alte Strukturen und Institutionen verschwinden, werden sich die Menschen neue Leitlinien suchen, etwa die Mitgliedschaft in einem besonderen Fitnessclub, wodurch ein besonderes Zugehörigkeitsgefühl entsteht.
Und vor allem für die jüngeren Generationen – die ja im Grunde schon alles haben, wenn sie auf die Welt kommen – ist der Erwerb eines Erlebnisses wie die Karten für ein Konzert – wichtiger als der Kauf eines teure Prestige-Produkts. Schumacher spricht hier von der neuen „Experience Economy“ – als Folge einer gewissen Übersättigung, die dazu führt, dass der Effekt der Werbung sinkt. So richtete Gucci eine Modenschau aus, in der nur eineiige Zwillinge als Models auftraten, um neue Akzente zu setzen. Mit Blick auf die Entwicklung der Städte erwartet Schumacher, dass kleinere urbane Industriegebiete zurückkehren und die Online-Anbieter in den Startlöchern stehen, um verstärkt ins stationäre Geschäft einzusteigen.
Eine Modenschau mit besonderen Akzenten
In dieser Welt des Wandels zeigt das Fachmarktsegment viel Konstanz, wozu die Tatsache beiträgt, dass Lebensmittel durch nichts ersetzbar sind und die Kunden in Zeiten hoher Inflation vermehrt auf preisgünstige Produkte zurückgreifen müssen. So konstatiert Sebastian Engels, Head of Real Estate Asset Management bei der Rewe Group, dass der Lebensmittelhandel nicht leidet und dem Trend zu preisgünstigeren Angeboten kann die Branche mit unterschiedlichen Formaten – wie der Discount-Schiene – begegnen. Das bedeutet freilich nicht, dass etwa Rewe bei seinen Formaten nicht ständig auf Veränderungen reagieren muss.
Auch Thomas Fink, Geschäftsführer des Nonfood-Discounters Centershop & WreesemannImmobilien sieht sein Unternehmen mit den preiswerten Sortimenten außerhalb der Cities gut aufgestellt. Lediglich die Werbung hat das Unternehmen – neben den Printmedien – auch auf Social Media ausgeweitet und so mehr junge Kunden gewonnen. Und dass die Kunden vermehrt in den stationären Einzelhandel zurückkehren, beobachtet auch Ulrike Kundt-Abend, Senior Centermanagerin beim Flächenvermarkter Retail Match GmbH. Allerdings erwarten die Kunden nach ihren Worten beim Angebot Abwechselung und eine interessante Gestaltung. So stößt auch der Einzug von Autohändlern in die Innenstädte und Center auf positive Resonanz.
Angesichts der Spuren, die Corona im Handelsimmobilienmarkt hinterlassen hat, befasste sich die Diskussionsrunde unter Moderation von Wirtschaftsredakteurin Susanne Osadnik mit neuen Konzepten für die Mietgestaltung und der Lage im Vermietungsgeschäft. Dabei zeigte sich, dass die Höhe der Miete oder die Konditionen oft nicht der Grund sind, wenn Vertragsabschlüsse scheitern. So wurden laut Uwe Hillemeyer, Geschäftsführer der Hillemeyer Immobilien GmbH, die 2023 etwa 100 Vermietungen erreicht, das Baurecht und die Sortimente, die in insbesondere in Fachmarktlagen reglementiert werden, als Hauptgründe für das Scheitern genannt.
Über ein Beispiel dafür konnte André Stromeyer, Geschäftsführer der HBB Centermanagement, berichten. So hatte die zuständige IHK in einem neu eröffneten Fachmarktzentrum schriftlich kritisiert, dass Schreibwaren auf 50 qm, statt auf den erlaubten 20 qm verkauft wurden. Das musste korrigiert werden.
Thomas Weidner aus dem Bereich Asset Management und Real Estate Controlling des Sportartikelanbieters Decathlon Deutschland, der sein Netz hierzulande noch auf etwa 110 Filialen ausweiten will, lässt sich von solchen planungsrechtlichen Restriktionen nicht abschrecken: „Wenn der Standort gut ist, dann versuchen wir, das Baurecht zu bekommen“, so seine Ansage: Auch wenn es ermüdend sei, dafür eine Entwicklungszeit von sechs Jahren in Kauf nehmen zu müssen. Die Franzosen siedeln sich bevorzugt im 20-Minuten-Radius um Städte ab 200 000 bis 300 000 Einwohner an. Dabei waren die Standorte von Real für sie kein Problem, da der SB-Warenhaus-Betreiber auch die Erlaubnis hatte, Sportartikel zu verkaufen.
Wichtig ist die Arbeit vor Ort
Bei den Mietvertragsverhandlungen kommt es laut Stromeyer auch darauf an, wie dringend der Mieter den Standort will oder der Vermieter den Mieter braucht. Da inzwischen viele Klauseln wie die Corona-Klausel dazu gekommen sind, dauern die Verhandlungen heute länger. Hinzu kommt, dass sich die Zyklen bei der Modernisierung etwa von Shopping-Centern von zehn auf fünf Jahre verkürzt haben, was sich auch auf die Laufzeit der Mietverträge auswirkt. Wie Stromeyer betont, ist es bei der Vermietung wichtig, möglichst vor Ort zu sein, um die richtigen Mieter zu bekommen.
Vor welchen Herausforderungen die MEC Metro ECE Centermanagement in 15 ihrer Fachmarktzentren stand, in denen der SB-Warenhaus-Betreiber Real der „sinnstiftende Mieter“ war, nachdem die Metro Group die Tochter an die Luxemburger SCP verkauft hatte, schilderte Christian Thiele, Head of Leasing Management. Die Sorge sei groß gewesen, als klar wurde, dass es sich hier um einen Immobilien-Deal gehandelt habe, die einzelnen Real-Märkte also nicht zwingend weitergeführt würden und Nachmieter gesucht werden mussten. In dem Fachmarktzentrum in Dortmund etwa belegte Real 13 000 der 25 000 qm.
Bei der Wahl der potenziellen Nachmieter kam es laut Thiele darauf an, mit Blick auf das restriktive deutsche Baurecht so B-Plan-konform wie möglich zu arbeiten, um den Leerstand schnell zu beseitigen. Denn von den neuen Nachmietern Kaufland, Edeka und Globus, die sich im Laufe der Zeit herauskristallisierten, übernahm nur Globus die komplette Real-Fläche. Bei den anderen mussten weitere Mieter angesiedelt werden wie etwa auch Decathlon. Etwa 100 Mio. Euro wurden nach Thieles Worten in den erforderlichen Umbau gesteckt. Wie jetzt mitgeteilt wurde, werden nun auch die verbliebenen 45 Mein-Real-Märkte, die die Real GmbH noch betreibt, im Rahmen des Insolvenzverfahrens geschlossen.
Dass Kaufland von den 96 Real-Standorten, die der SB-Warenhaus-Betreiber gemietet hat, etwa ein Drittel gekauft hat, begründet Susanne Gehle, Geschäftsführerin von Kaufland Immobilien Deutschland damit, dass es sich um Objekte mit weniger als zehn Jahren Mietvertragslaufzeit handelte, die das Unternehmen unbedingt behalten wollte. Zudem kann so die Mietbelastung gering gehalten werden.
In seinem Vortrag über „Redevelopment aus Mietersicht“ betonte Jan Lerke, Geschäftsführer der FIM Unternehmensgruppe aus Bamberg, die ihr Portfolio aus Fachmärkten und Fachmarktzentren ausbaut, dass die Immobilie vor allem dem Mieter gefallen müsse – genauso wie der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken muss. So empfiehlt er, die Immobilien aus dem Blickwinkel des Mieters zu betrachten, mit den Mietern zu sprechen und selbstkritisch zu erkennen, wenn ein Objekt nicht mehr den heutigen Ansprüchen entspricht. So gelang es mit dem Redevelopment eines alten Fachmarktzentrums in Bamberg ins neue LEZ14, die Frequenz zu steigern, das Gebäude energetisch zu verbessern und den richtigen Rahmen für die neuen Konzepte der Mieter zu schaffen, sodass diese nun Planungssicherheit haben.
Die Banken sind restriktiver geworden
In der abschließenden Diskussionsrunde über die Entwicklung im deutschen Investmentmarkt für Handelsimmobilien resp. das Fachmarktsegment, berichtete Sven Vollenbruch, Senior Vice President von Slate Asset Management, die im Sommer mit Übernahme des X+Bricks-Portfolios für über eine Milliarde Euro die größte Transaktion 2023 vollzogen hat, dass die immer noch – auch bei Banken – gefragte Asset-Klasse geholfen habe, den Deal zu realisieren. Den Kaufpreisfaktor und die Finanzierungskonditionen wollte er in der Talk-Runde unter Moderatorin Sandra Ludwig, Head of Retail Capital Markets EMEA bei JLL, aber nicht verraten. Nur so viel: „Wir haben eineinhalb Jahre an der Transaktion gearbeitet.“ Grundsätzlich räumt Vollenbruch ein, dass die Banken restriktiver geworden sind, Slate Asset Management aber davon profitierte, ein guter Kunde zu sein.
Beim Blick auf das knappe Angebot und die lang anhaltende Preisfindungsphase erwartet Martin Raubacher, Senior Acquisition Manager bei der Meag, dass es noch dauern wird, bis die ersten Objekte von Akteuren, die Schwierigkeiten mit der Refinanzierung haben, auf den Markt kommen. Schon im eigenen Interesse würden die Banken versuchen, sich mit den Kunden zu einigen. So glaubt er nicht daran, dass sich das 2024 ändert. Auch Sven Vollenbruch blickt kritisch auch 2024. Es werde schwerer und schwerer Eigenkapital einzusammeln. Und die Korrekturen liefen hierzulande zu langsam. Die Jahre 2024 und 2025 werden aus seiner Sicht sehr spannend.