Konjunktureller Ausblick

Baldiger Aufstieg aus dem Corona-Tal?

rv DÜSSELDORF: Der Blick in die Zukunft gleicht derzeit dem Blick in die Glaskugel. Auf zu breiter Front ist die deutsche und die internationale Wirtschaft durch die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie getroffen worden. Nachdem die Infektionszahlen sinken und die Lockerungen ausgedehnt werden, erwartet das Münchener Ifo-Institut für die deutsche Wirtschaft nun aber einen „Aufstieg aus dem Corona-Tal“. Die Sorge bei den einzelnen Firmen um ihre Zukunft kann das aber noch nicht mildern. Etwa ein Fünftel der deutschen Unternehmen hält seine Existenz laut Ifo-Umfrage für gefährdet.

Dabei ist die Sorge in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Vor allem die Unternehmen der Dienstleistungsbranche (27%) sehen sich laut Ifo-Umfrage im Juni als gefährdet an (siehe Grafik): „Ganz besonders wackelig sind die Reisebüros und Reiseveranstalter mit 85%, die Hotels mit 76% und die Gaststätten mit 67%“, heißt es in der Studie. Hinzu kommen 55% der Kreativen, Künstler und Unterhalter, gefolgt von Firmen aus der Schiff-Fahrt mit 50% und der Filmbranche mit 48%.

Im Handel generell sind 18% der Befragten besorgt, wobei sich aber im Einzelhandel jeder Fünfte (21%) in der Existenz bedroht sieht, während im Großhandel der Anteil mit 15% deutlich niedriger liegt. In der Industrie sind es laut Ifo-Umfrage vor allem die Metallerzeuger und -bearbeiter (53%), die sich um ihre Zukunft sorgen. Unter den Textilherstellern fürchten 38% um ihre Existenz, im Druckgewerbe sind es 28%, in der Lederbranche 27% und bei den Autoherstellern und ihren Zulieferern gut ein Viertel (26%).

Vor diesem Hintergrund befürchtet der Ifo-Forscher Stefan Sauer, dass sich „in den kommenden Monaten eine Insolvenzwelle anbahnen könnte“. Einzig das Baugewerbe zehrt offenbar immer noch von der lockeren Geldpolitik, die im Zuge der Corona-Krise nochmals ausgeweitet wurde. Hier sind lediglich 2% der Firmen um ihre Zukunft besorgt.

Nachdem mit dem Shutdown im März/April aber zunächst das schlimmste überstanden ist und die Lockerungsmaßnahmen Wirkung zeigen, erwartet das Münchener Institut nun einen Aufstieg aus dem Corona-Tal. „Damit gilt als sicher, dass die konjunkturelle Talfahrt gestoppt wurde und die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität einsetzte“, heißt es im Bericht.

Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,2% im ersten Quartal dieses Jahres und von 11,9% im besonders stark betroffenen zweiten Quartal, sieht das Forschungsinstitut für die zweite Jahreshälfte Licht am Ende des Tunnels, sofern nicht eine zweite Covid-19-Epidemie oder andere Unwägbarkeiten wieder zu Einschränkungen im Wirtschaftsleben zwingen.

„Von nun an geht es schrittweise wieder aufwärts“, erwartet Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. So erwartet das Ifo-Institut im dritten Quartal ein Plus von 6,9% und im vierten Quartal von 3,8%, so dass die Wirtschaftsleistung zum Jahresende per Saldo um 6,7% unter dem Wert des Jahres 2019 liegen wird – vorausgesetzt, die Entwicklung verläuft weiter stabil. Nach dem vom Ifo-Institut prognostizierten Plus von 6,4% im kommenden Jahr könnte die Wirtschaftsleistung Ende 2021 wieder das Niveau von 2019 erreichen.

Beim privaten Konsum erwarten die Forscher für 2020 einen stattlichen Rückgang von 6,4%, was auch der hiesige Einzelhandel spüren dürfte und wodurch seine Erholung in diesem Jahr erschwert werden könnte. Auch der vom Institut erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen von durchschnittlich 2,3 Mio. auf 2,7 Mio. wird die Entwicklung im Einzelhandel belasten. Denn Arbeitslosigkeit und die Sorge um den Arbeitsplatz dämpfen die Kauflaune.

Allerdings sehen die Forscher bereits im kommenden Jahr die Wende zum Besseren. Denn dann würden die Arbeitslosenzahlen auf 2,6 Mio. sinken. Die Zahl der Kurzarbeiter hat von Mai auf Juni 2020 schon von 7,3 Mio. auf 6,7 Mio. nachgegeben. Die Zahl der Beschäftigten wird sich laut Ifo zunächst von durchschnittlich 45,2 Mio. auf 44,8 Mio. vermindern, um im nächsten Jahr wieder leicht auf 44,9 Mio. zu steigen – vorausgesetzt, Deutschland behält die Pandemie im Griff.