In den drei Insolvenzen des Warenhausbetreibers Galeria Karstadt Kaufhof zwischen Herbst 2020 und Sommer 2024 wurden zahlreiche Warenhäuser in sensiblen Innenstadtlagen geschlossen, was erneut Diskussionen über die Zukunft dieser prägnanten Großimmobilien auslöste, deren Schließungen regelmäßig gravierende Konsequenzen für die gesamte Nachbarschaft hat. Zu den ersten gehörte bereits Mitte Oktober 2020 Galeria Kaufhof am Willy-Brandt-Platz in Essen. Dabei steht gerade diese Handelsimmobilie exemplarisch für den historischen Wandel, den innerstädtische Standorte im Laufe der Jahrzehnte durchlaufen können.
Die Entscheidung, die Essener Kaufhof-Filiale im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens während der Corona-Pandemie im Sommer 2020 zu schließen, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass es mit der Karstadt-Filiale im Shopping-Center Limbecker Platz in der Einkaufsmeile noch ein zweites Warenhaus gab. Denn im Rahmen der Übernahme des früheren Warenhaus-Konzerns Galeria Horten AG mit Sitz in Düsseldorf durch die Kölner Kaufhof AG 1994 und von Hertie in Frankfurt/Main durch die Essener Karstadt AG hatte sich gezeigt, dass es nicht immer leicht ist, in einem Stadtzentrum gleichzeitig zwei Warenhäuser erfolgreich zu betreiben.
Dass der ehemalige Kaufhof am Willy-Brandt-Platz/Lindenallee nur vier bis fünf Jahre später als fünfstöckiges Büro- und Geschäftshaus unter dem Namen „Königshof“ mit insgesamt 32 488 qm für Büros, eine Arztpraxis und Flächen für Einzelhandel/Nahversorgung sowie Gastronomie an den Markt zurückkehrte, mag der langen Historie gerade dieses geschichtsträchtigen Standortes in der Ruhrgebietsstadt Essen geschuldet sein.
In der Zwischenzeit war das Gebäude entkernt, die markante Kachelfassade aus der Horten-Zeit entfernt und die neue Fassade in Natursteinoptik nach den Plänen des Düsseldorfer Architekturbüros RKW+ und nach dem Vorbild des ehemaligen DeFaKa-Kaufhauses an diesem Standort entwickelt worden. Bauherr und Eigentümer ist die Kölner Haus- und Grundstücksverwaltung Dr. Koerfer. Für die Bauausführungen waren die Hans Lamers Bau GmbH aus Jülich und die Friedrich Wassermann Bauunternehmung für Hoch- & Tiefbauten GmbH & Co. KG aus Köln zuständig.
Für Aufmerksamkeit sorgte der neue Königshof zunächst am 26. September 2024 mit der Eröffnung des Untergeschosses, in dem sich mit Aldi Nord und einem türkischen Supermarkt zwei Nahversorger etabliert haben. Außerdem gibt es ein Fitness-Studie. Das Besondere: Das Souterrain ist durch eine Unterführung direkt mit dem U-Bahnhof am Essener Hauptbahnhof verbunden (Visualisierung ganz unten). Für Furore sorgte ein Jahr später – am 9. Oktober 2025 – aber vor allem die Eröffnung der Markthalle im Erdgeschoss des früheren Warenhauses, die sich laut Koerfer-Gruppe gestalterisch an der Rindermarkthalle in Hamburg und anderen internationalen Vorbildern aus südeuropäischen Ländern orientiert. Damit folgt der Eigentümer dem aktuellen Mainstream, der darin besteht, über das Markthallen-Konzept die Atmosphäre und Lebendigkeit früherer Marktplätze zurück in die bisweilen stromlinienförmigen Innenstädte zu bringen.
Beim Angebot in der 3 200 qm großen Markthalle mit 37 Ständen in der Größe von 10 bis 47 qm setzt der Eigentümer auf eine Kombination aus lokalen Anbietern, aber auch auf internationale Vielfalt, Streetfood, süße Speisen und ein urbanes Lebensgefühl. Vor allem jungen und individuellen Konzepten soll dabei viel Raum gegeben werden. Ankermieter und zugleich Betreiber des laufenden Markthallenbetriebs ist auf etwa 1 000 qm das Hofbräuhaus, das – dem Zeitgeist folgend – auch einen großen Biergarten auf dem Willy-Brandt-Platz betreibt. Da Essen eine Kernstadt des Ruhrgebiets ist, durfte bei der architektonischen Gestaltung der Markthalle auch das typische Lokalkolorit wie industrielle Elemente oder die stilisierte Darstellung der Zeche Zollverein, des Rathauses oder des Stadtwappens nicht fehlen. Für die Entwicklung des neuen Königshof-Konzepts war Maßmann & Co. Handelsimmobilien verantwortlich.
Mit dem gleichzeitig neuen und alten Namen „Königshof“ knüpft der ehemalige Kaufhof-/Horten-Standort an eine mehr als 100 Jahre alte Tradition an diesem Standort an, wie bei Wikipedia nachzulesen ist. Denn um das Jahr 1900 hatte an dieser Stelle das Grand Hotel Royal gestanden, das einige Jahre später in Hotel Königshof umbenannt wurde. Im Jahr 1937 wurde das Hotel vom Architekten Hanns Koerfer respektive der neu gegründeten Gesellschaft Königshof AG erworben und abgerissen. Nach kurzer Bauzeit wurde an gleicher Stelle und im gleichen Jahr das Deutsche-Familien-Kaufhaus DeFaKa mit weißer Natursteinfassade erbaut.
Nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg brannte das Kaufhaus völlig aus, wurde nach dem Krieg aber wieder aufgebaut und im Jahr 1954 von der Horten AG übernommen. 1976 schloss Horten das Kaufhaus, um an gleicher Stelle nach dem Abriss ein neues Horten-Warenhaus mit der typischen Kachel-Fassade entstehen zu lassen, das im Jahr 1977 eröffnet wurde. Nachdem der Kaufhof 1994 die Horten AG samt ihres Galeria-Konzepts übernommen hatte, wurde aus der Galeria-Horten- eine Galeria-Kaufhof-Filiale, die nach ihrer Schließung am 16. Oktober 2020 in den heutigen Königshof umgewandelt wurde, womit sich für die Essener Innenstadtlage der Kreis wieder schließt.



