rv DÜSSELDORF. Die wachsende Online-Konkurrenz und die Restriktionen während der weltweiten Corona-Pandemie haben die Expansionspläne nicht nur des deutschen, sondern auch des europäischen Einzelhandels belastet. Zwei Jahre nach dem Ende der Pandemie bekräftigt das Gros der von CBRE befragten europäischen Einzelhändler jedoch, dass sie ihr Ladennetz weiter ausbauen wollen.
Befragt hat der Immobiliendienstleister CBRE mehr als 60 Einzelhandelsunternehmen, die weltweit über 130 000 Geschäfte betreiben. Dabei gaben 97% der Befragten an, dass physische Läden für sie ein zentraler Bestandteil der Gesamtstrategie sind. Das passt zu früheren Untersuchungen etwa in den USA, wonach für viele Konsumenten auch bei Online-Händlern ein stationäres Geschäft im näheren Umfeld wichtig ist, beispielsweise um Retouren bequem abgeben zu können oder für Click & Collect. Kunden wünschen sich heute eine enge Verknüpfung von Online und Offline.
In dieses Bild passt auch das Ergebnis der CBRE-Umfrage unter den Händlern, die sich einig darin sind, „dass der stationäre Handel effektiver ist als der Online-Handel – sei es bei der Kundenbindung, beim Verkauf, bei Produktivitätssteigerungen im Vertrieb, bei der Einführung neuer Produkte oder beim Gewinnen neuer Kunden“.
Wie die Umfrage weiter ergab, will die überwiegende Mehrheit der befragten Einzelhandelsunternehmen (72%) in der nächsten Zeit mit stationären Flächen expandieren und genauso viele tragen sich auch mit dem Plan, ihre Ladenflächen zu vergrößern. „Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den Ergebnissen der CBRE-Umfrage aus dem Jahr 2022, in der nur 26% der Befragten den Wunsch nach größeren Geschäften äußerten“, schreibt der Immobiliendienstleister in seinem Bericht. Und das deckt sich auch mit Untersuchungen von JLL und BNP Paribas Real Estate, wonach in Deutschland vor allem größere Flächen gemietet werden. Damit hat die Branche die Folgen der Pandemie offenbar hinter sich gelassen.
Ein weiterer Trend vor allem im Luxuseinzelhandel ist das „Own-to-Occupy“, das heißt, die Einzelhändler gehen vermehrt dazu über, ihre Geschäfte zu erwerben, statt sie zu mieten. Das bietet in Zeiten hoher Inflation beispielsweise einen guten Schutz gegen immer weiter steigende Indexmieten, die in Luxus-Lagen auch nicht gerade niedrig sind. Im Massenmarkt respektive im konsumigen Bereich setzen die Händler dagegen bevorzugt darauf, die Läden anzumieten. Das trifft laut CBRE jedenfalls auf 84% der Befragten zu. Für Frank Emmerich, Head of Retail bei CBRE in Deutschland, haben die Aktivitäten der Einzelhändler einen guten Grund: „Die bessere Stimmung der Verbraucher schlägt sich allmählich in höheren Konsumausgaben nieder“, zählt er auf: „Das wiederum gibt den Einzelhändlern die nötige Rückendeckung, um sowohl in den ihnen vertrauten Märkten als auch in neuen Märkten Geschäfte zu eröffnen.“ Gleichzeitig ist die Markentreue ihrer Kunden für viele der befragen Handelsunternehmen Anreiz genug, um vermehrt in ihre stationären Geschäfte zu investieren, sei es, um das Einkaufserlebnis zu steigern, sei es, um ihre Markenidentität zu stärken.
Zusammenfassend stellt Jan Schwarze, Team Leader Research bei CBRE, mit Blick auf die Ergebnisse fest, dass die europäischen Einzelhändler nach einer Reihe von schwierigen Jahren wieder Vertrauen in den Markt fassen und auch wieder an Expansion denken. Untermauert werden die in der Umfrage aufgezeigten Trends nach seinen Worten auch durch die positiven Entwicklungen, die CBRE in den von dem Immobiliendienstleister verwalteten Einkaufszentren in ganz Europa registriert: „Denn dort sind die Umsätze der Mieter im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 5% gestiegen, was deutlich über der Inflationsrate lag. Einzelhändler erkennen den Wert des physischen Stores und dass er eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen von Wachstumszielen ist.“
Bei neueren Trends wie künstlicher Intelligenz (KI) befinden sich die Handelsunternehmen, was die Technik anbelangt, laut Studie noch „im Sondierungs- und nicht im Umsetzungsmodus“. Im Einzelnen gab die Mehrheit (61%) an, dass sie sich zwar mit KI befassen, aber nur 25% haben bislang auch entsprechende Lösungen implementiert.