Hahn German Retail Property Day

Auf die positive Stimmung kommt es an

Gertrud Traud mahnt zur Zuversicht. Foto: Stefan Gatzke/Hahn

Im Umfeld des alljährlichen Hahn German Retail Property Days im Schloss Bensberg treibt Michael Hahn, Gründer, Aufsichtsratsmitglied und Hauptaktionär der Hahn Gruppe, regelmäßig die Frage um, ob die Themen wieder so gesetzt wurden, dass die eingeladenen Gäste aus dem Kreis der Geschäftspartner zufrieden sind und im nächsten Jahr wieder kommen. Der Applaus, mit dem das Auditorium die Aussage quittierte, lässt vermuten, dass auch 2025 wieder mehr Gäste auf der Anmeldeliste stehen, als Plätze im großen Saal des Schlosses vorhanden sind.

Mit Blick auf die großen Unsicherheiten, die nach der Zinswende, den Kriegen in der Ukraine und im Gaza-Streifen, den Störungen der Lieferketten und den geopolitischen Konflikten die deutsche Wirtschaft belasten, befasste sich die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen Thüringen (Helaba), Gertrud Traud, mit der Frage, ob die Kapitalmärkte vor einem Aufschwung oder vor Turbulenzen stehen. Dabei wies sie gleich zu Beginn darauf hin, wie wichtig eine „positive Stimmung“ bei der Krisenbewältigung ist. Ein Beispiel dafür ist aus ihrer Sicht die Europameisterschaft und das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft, die zuvor bei zwei Weltmeisterschaften nicht über die Vorrunde hinausgekommen war.

Mit neuer Zuversicht schafften es die Nationalspieler unter dem neuen Nationaltrainer Julian Nagelsmann bis ins Viertelfinale – Pech war nur, dass sie schon so früh auf den späteren Europameister Spanien trafen. Für Chefvolkswirtin Traud zeigt dieses Beispiel, wie es im Rahmen eines solchen „Umschaltens“ bei der Grundeinstellung gelingen kann, das Blatt zu wenden. Lobenswert ist aus ihrer Sicht deshalb auch das „große Umschalten“ bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Zinspolitik. Nach der Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte im Juni und im September erwarten viele Experten 2024 noch weitere Zinssenkungen. Diese Schritte sind laut Traud dringend notwendig, da der Aufwärtstrend bei der Inflation gestoppt sei und die Teuerungsraten spürbar sinken. Mittelfristig erwartet die Chefvolkswirtin einen Zins von etwa 2,5%. Sie erwartet aber keine Rückkehr zu Null- oder Negativzinsen wie vor Juni 2022 – auf die aber nicht wenige Marktakteure hoffen dürften.

Dieser Einschätzung schließt sich auch Jan Linsin, Head of Research bei CBRE Germany, im Rahmen seiner Ausführungen über den deutschen Investmentmarkt für Retail Assets an. Nachdem es gelungen sei, die Inflation in den Griff zu bekommen, seien die Zinsen rückläufig. Aber auch er erwartet nicht, dass sie noch einmal so tief gesenkt werden wie in den 2010er-Jahren. Vielmehr geht Linsin davon aus, dass sie nicht unter 2% sinken werden. Im Jahr 2025 kann sich der Head of Research ein Zinsniveau von etwa 2,8% vorstellen. In dieser Phase der Beruhigung bei den Kreditkonditionen sieht der Experte auch gute Chancen für den Markt, sich nach den Turbulenzen neu auszurichten. Laut Umfrage für den aktuellen Hahn Retail Real Estate Report 2024/2025 blickt inzwischen auch nur noch die Hälfte der befragten Experten mit Sorge auf die Zinsentwicklung – im Vorjahr waren es noch 77% der befragten Investoren.

Bisher kein „Umschalten „ in der Wirtschaft

Wo ein solches „Umschalten“ in Deutschland bislang noch nicht stattgefunden hat, ist laut Gertrud Traud im Bereich der Wirtschaft: Die deutsche Wirtschaft dümpelt seit Jahren seitwärts, der Konsum schwächelt und nur der Staatskonsum in Form von Sozialausgaben und Personalkosten nimmt hierzulande stetig zu. Der Staat mischt sich zu sehr ein, findet die Helaba-Chefvolkswirtin und kritisiert auch, dass die Zahl der Staatsbeschäftigten immer weiter explodiert ist und der Staat zu viel Personal absorbiert, das anderswo in der Wirtschaft fehlt. Hier sieht sie eine wesentliche Ursache für den beklagten Personalmangel in Deutschland. Und dass die Verunsicherung hierzulande aktuell größer ist als anderswo auf der Welt, führt Traud auf die Bundespolitik in Berlin zurück. Hier braucht es aus ihrer Sicht ein „Umschalten“ bei der Denke.

Aber immerhin kann Jan Linsin vom deutschen Investmentmarkt für Retail Assets über eine positive Stimmung berichten. Mit einem Transaktionsvolumen von 3,6 Mrd. Euro erreichte die Branche im ersten Halbjahr 2024 den höchsten Anteil am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt und der Head of Research kann sich vorstellen, dass im Gesamtjahr 2024 ein Transaktionsvolumen von 6 Mrd. Euro und vielleicht sogar mehr erreicht werden kann. Von einer Rückkehr zur Normalität kann damit allerdings noch keine Rede sein. Der deutliche Anstieg der Zinsen hat auch in diesem Markt zwangsläufig zu einer Neubewertung der Assets geführt – insbesondere bei Objekten, die nicht mehr den heutigen Anforderungen etwa in punkto Energieeffizienz entsprechen.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Vorstellungen von Käufern und Verkäufern über die Preise. Zwar zeigt der Trend bei Retail Assets laut Linsin wieder leicht nach oben, doch ändert das nichts daran, dass sich Großtransaktionen – wie beispielsweise große Shopping-Center – immer noch schwerer tun. Das erklärt auch, warum die Asset-Klasse Handelsimmobilien derzeit nicht an Rekordwerte wie etwa im Jahr 2015 heranreichen kann, als beispielsweise die kanadische Hudson’s Bay Company neben dem Geschäftsbetrieb von Galeria Kaufhof auch eine ganze Reihe von Warenhäusern übernahm. Derzeit sind nach seiner Beobachtung auch noch einige Shopping-Center auf dem Markt.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2024 mit dem Verkauf des KaDeWe in Berlin, der Fünf Höfe und dem Luxusensemble Maximilianstraße 12 -14, beide in München, nur drei Großtransaktionen gezählt. Dabei springt laut Linsin bei diesen großen Transaktionen ins Auge, dass Privatanleger unter den gegenwärtigen Bedingungen offenbar schneller reagieren können als institutionelle Investoren.

Aber auch bei den Lieblingen der Investoren, den Fachmarktobjekten wie Discountern, Supermärkten und Fachmarktzentren, ist laut Linsin das neue Preisgleichgewicht noch nicht gefunden, so dass auch hier das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr niedrig blieb. Mit einem weiteren Anstieg der Spitzenrenditen rechnet er in diesem Segment aber nicht – eher mit einer Seitwärtsbewegung

Zeitraubende Regulatorik für Investoren ein Problem

Mit Blick auf den Strukturwandel im Einzelhandel und die Schließung zahlreicher Galeria-Filialen müssen aus seiner Sicht Shopping-Center und Warenhäuser heute ganz neu gedacht werden. Dafür müsse hierzulande aber die Regulatorik viel schneller werden. Überhaupt ist die zeitraubende Regulatorik in Deutschland für Investoren ein großes Problem, wie eine Umfrage von CBRE gezeigt hat. Und gemäß der aktuellen Umfrage für den Hahn Report sind die steigenden regulatorischen Vorgaben – neben den energetischen Anforderungen an die Immobilien – für das Gros der Befragten (71%) die größte Herausforderung. Sie gelten als maßgebliche Risikofaktoren bei der Investition in Handelsimmobilien.

In diesem Umfeld bildet der stationäre Einzelhandel nach den Worten von Joseph Frechen, Niederlassungsleiter Hamburg bei der Bulwiengesa AG, mit einem Umsatzvolumen von 563,6 Mrd. Euro (2023) immer noch das Rückgrat der Branche – trotz des strukturellen Wandels durch den Online-Handel und der Tatsache, dass die Branche 2023 mit real -3,3% den heftigsten Umsatzrückgang der 2000er-Jahre hinnehmen musste. Einerseits erklärt das laut Frechen die aktuellen Schwierigkeiten in einigen Branchen wie hohe Lagerbestände und Probleme durch die Rückzahlung von Corona-Hilfen, andererseits prognostiziert der Handelsverband Deutschland (HDE) für 2024 ein nominales Umsatzwachstum von +3,5%, was angesichts der rückläufigen Teuerungsraten einem realen Plus von 1% entsprechen dürfte. Das deckt sich mit der Umfrage für den Hahn-Report, wonach etwa 60% der befragten Einzelhändler optimistischer ins zweite Halbjahr blicken und bis zum Jahresende 2024 mit zunehmenden Umsätzen rechnen.

Allerdings werden die Bundesbürger angesichts der deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten und der Inflation auf Preise und Sonderangebote achten. Neben dem Lebensmittelhandel im Allgemeinen und den Lebensmittel-Discountern im Besonderen, sowie den Drogeriemärkten, die zuletzt die höchsten Wachstumsraten verzeichneten, profitieren laut Frechen in Zeiten der Krise vor allem die Nonfood-Discounter wie etwa Woolworth oder Tedi.

Diese Anbieter sind sehr präsent, da es nach den vielen Filialschließungen als Folge der Corona-Pandemie Handelsflächen im Überfluss gibt, wie der Bulwiengesa-Niederlassungsleiter berichtet. Hinzu kommt, dass die SB-Warenhäuser in ihren Märkten den Nonfood-Anteil zugunsten des Lebensmittelangebots reduzieren, wovon die Nonfood-Discounter profitieren. Auch die Schließung von zahlreichen Galeria-Filialen mitsamt ihrer Haushaltswaren-Abteilungen spielt diesen Händlern in die Hände.

Und mit ihrem niedrigen Preisniveau und dem eng geknüpften Ladennetz müssen sie zweifellos auch die Online-Konkurrenz nicht fürchten. Aber auch bei den Baumärkten mit ihren zum Teil sehr Beratungs-intensiven Produkten ist die Online-Resilienz laut Frechen sehr hoch. Das zeigt etwa der Blick auf die Heimwerker-Kette Bauhaus, die – anders als der Wettbewerber Obi – in ihren Filialen ein riesiges Sortiment vorhält, statt die Kunden mehr aufs eigene Internet-Sortiment zu verweisen. Damit hat sich Bauhaus in der Branche als Profi gut behauptet – genauso wie der Wettbewerber Hornbach, der auch vor allem auf seine Filialen vor Ort setzt. Diese Unternehmen reihen sich damit in die Riege der Branchen ein, die den Online-Handel weniger fürchten müssen – genauso wie der Lebensmittelhandel und die Drogeriemärkte mit ihrem engen Filialnetz.

Da die aufgeführten Branchen klassische Mieter in Fachmarktzentren sind, verwundert es auch nicht, dass diese Handelsstandorte laut Umfrage für den Hahn-Report wieder die präferierten Expansionsziele des Einzelhandels waren. Das Gros (56%) der befragten Einzelhändler erwartet denn auch im aktuellen Umfeld eine positive Entwicklung für Fachmarkt- und Nahversorgungszentren und nur 9% eine negative.